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„Wir kämpfen seit 2017“

Foto: lpa/Claudia Corrent

Vier Millionen Euro hat die Landesregierung für den Neubau des psychiatrischen Wohnheims in Sterzing genehmigt. Warum dringender Handlungsbedarf besteht.

von Erna Egger 

„Endlich.“ Dies ist die erste Reaktion von Roger Pycha, Primar der Psychiatrie am Krankenhaus in Brixen. „Wir kämpfen seit 2017 darum. Wiederholte Male haben wir dem Land vor Augen geführt, wie wichtig diese Einrichtung für das Wipptal ist.“

Die Landesregierung hat kürzlich vier Millionen Euro für den Neubau des psychiatrischen Wohnheims in Sterzing genehmigt. „Mit diesen Geldern kann nun die Planung und Umsetzung eines längst überfälligen Projektes starten“, sagt er.

Die aktuelle Betreuungseinrichtung im ehemaligen Baumgartner-Haus entspricht längst nicht mehr den Erfordernissen: Gegründet wurde dieses Wohnheim bereits 1978 von Professor Hartmann Hinterhuber, Chef der Uniklinik für Psychiatrie in Innsbruck, in der auch Südtiroler Patienten betreut wurden. In Sterzing wurde damit das erste psychiatrische Wohnheim Südtirols realisiert.

Zwischenzeitlich musste des Öfteren um den Fortbestand der Einrichtung gebangt werden.

Zur Erinnerung: Sebastian Baumgartner (1898- 1978), seinerzeit Stadtarzt in Sterzing, hatte drei Söhne: Johann, Georg und Oswald. Johann und Georg, beide mental beeinträchtigt, brauchten zeitlebens Betreuung.

Da Sebastian Baumgartner seine Söhne versorgt wissen wollte, legte er fest, dass sein Wohnhaus zu Lebzeiten der beiden Söhne dem Land Südtirol für sozialpsychiatrische Zwecke zur Verfügung gestellt wird. Es war das erste derartige Wohnheim in Südtirol, es verfügt über 10 Betten. Mittlerweile sind beide Söhne verstorben, Johann im Jahr 2000 und Georg im Jahr 2013. Bis zu ihrem Tod waren sie in der Einrichtung untergebracht.

Im Jahr 2015 verstarb auch Oswald Baumgartner, der in München lebte. Seine Tochter, Erbin des Gebäudes, hat die Immobilie in unmittelbarer Nähe des Krankenhauses zum Kauf angeboten. Der Mietvertrag mit dem Land lief Ende 2019 aus.

Weil sich das Gebäude mitten im Zentrum befindet, die psychisch kranken Insassen gut integriert und von den Anwohnern akzeptiert sind, bemühte sich Josef Schwitzer, ehemaliger Primar des Psychiatrischen Dienstes im Brixner Krankenhaus, um den Erhalt der Struktur und setzte sich für den Ankauf durch das Land ein. Über Monate war nicht klar, ob die Bewohner binnen kurzer Zeit ihr Heim verlassen müssen.
Im Dezember 2018 hat die Landesregierung dann beschlossen, das Haus um eine Million Euro anzukaufen. Somit konnten die Patienten zwischenzeitlich in ihrem Wohnheim verbleiben.

Dass die baufällige Einrichtung den heutigen Erfordernissen angepasst und vergrößert werden muss, war damals schon klar. „Die Struktur birgt nur Platz für zehn Menschen. Es wären aber dringend 12 Betten vonnöten. So sieht es auch das Landesgesetz 711 aus dem Jahre 1996 vor“, schildert Pycha. Aber diese Erneuerung ließ nun Jahre auf sich warten.

Sowohl Pycha als auch seine Vorgesetzte, die Direktorin des Gesundheitsbezirks Brixen, Christine Zelger, drängten auf einen Neubau.

„Weil sich gerade um dieses Haus fast die gesamte psychiatrische Betreuung des Wipptales organisieren lässt: Viele Patienten kommen hin und nehmen dort kontrolliert täglich ihre Medikamente ein oder sie nehmen sie wöchentlich mit, Pfleger sind dort pausenlos und Psychiater regelmäßig präsent“, schildert Pycha.

Tagtäglich stelle man aber fest, dass eine Aufstockung der Betten und des Pflegepersonals dringend notwendig sind. „Die Pflegedienstleitung tut alles, um die Lage zu verbessern. Und mit Gerd Schaller hat das Wohnheim soeben den besten denkbaren ärztlichen Leiter bekommen“, ergänzt Pycha.

Nach einem Lokalaugenschein mit Bautenlandesrat Massimo Bessone vor einem Jahr fiel die Entscheidung für den Abriss und Wiederaufbau nach modernen Standards am selben Standort.

Das neue Heim soll mit Einzelzimmern mit Nasszellen, Therapieräumen und behindertengerechter Ausstattung versehen werden. Außerdem soll es ein „Day & Night Hospital“ beherbergen, also einen zusätzlichen Raum mit Bett, um Patienten für einige Tage im Wohnheim aufzunehmen, bis sie wieder stabil sind. „Das wird dann eine Psychiatrie am Puls der Zeit, wie wir sie gerade in Sterzing brauchen“, schildert Pycha.

Denn während sich in Brixen die Einrichtungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihre Fachleute in unmittelbarer Nähe befinden – die psychiatrische Abteilung, das Zentrum psychischer Gesundheit, die sozialpsychiatrischen Einrichtungen Bartgaishof und Kastell –, sind im Wipptal psychiatrische Strukturen dünn gesät und auf mehrere Gemeinden verteilt.

Das psychiatrische Wohnheim Sterzing hat deshalb auch die Überwachung und Verteilung der Medikamente für die psychisch Kranken, die in Trens in der Gemeinde Freienfeld in der Wohngemeinschaft leben und in der Rehawerkstätte arbeiten, übernommen. „Das ist oft intensive Betreuungsarbeit für rund 30 auch schwer leidende und beeinträchtigte Personen zusätzlich“, weiß die pflegerische Leiterin Daniela Baldessari.

Mit der Genehmigung der vier Millionen Euro durch die Landesregierung kann nun endlich die Planung für die neue Struktur starten.

Der Abriss und Neubau sollen 2024 und 2025 erfolgen.

„Recht viel länger darf es nicht dauern, sonst schlagen wir Alarm. Diese Struktur ist im Wipptal unsere psychiatrische Drehscheibe, die nach modernen Kriterien funktionieren muss“, so Pycha.

Während der Bauzeit müssen die Patienten und Mitarbeiter anderswo untergebracht werden, diese Übergangslösung soll aber so kurz wie möglich andauern. „Psychisch Kranke brauchen nicht noch zusätzlichen Stress. Und auch wir Helfer brauchen keinen“, meint Pycha.

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