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„Etwas Neues starten“

Weniger rauchen, abnehmen und mehr Sport betreiben: Gute Vorsätze für das neue Jahr werden schnell gefasst – und schnell wieder aufgegeben. Wie man es dennoch schafft durchzuhalten. Und: warum ein Scheitern nicht immer vorprogrammiert ist. 

Tageszeitung: Frau Gamper (Psychologin und Mentaltrainerin), die Liste der guten Vorsätze für das neue Jahr ist oft lang. Mehr Sport betreiben und weniger Süßigkeiten essen sind nur zwei Beispiele. Doch warum setzt man sich überhaupt Vorsätze? 

Lisa Gamper: Das ist zum Teil kulturell bedingt. Das Jahresende hat für viele Menschen eine ganz besondere Bedeutung. Etwas Altes endet und etwas Neues beginnt. Häufig wird dies als Einschnitt erlebt. Deshalb nutzen wir die Zeit zwischen den Jahren, um innezuhalten und darüber nachzudenken, was wir in unserem Leben zukünftig verändern und insbesondere verbessern möchten. Wir lassen das Jahr gedanklich Revue passieren, beschäftigen uns aber auch damit wie es weiter geht und wo wir hin möchten. Viele setzen sich deshalb Vorsätze, die im neuen Jahr umgesetzt werden sollen. Menschen wählen generell gerne Stichtage aus, um etwas Neues zu starten.

Also macht es auch Sinn, zum Jahreswechsel Vorsätze zu fassen? 

Ja, prinzipiell macht es schon Sinn. Veränderung beginnt ja bekanntlich im Kopf und Vorsätze können ein erster Schritt in diese Richtung sein. Der Wunsch nach Weiterentwicklung und das Setzen von neuen Zielen ist grundsätzlich etwas sehr Positives.

Warum klappt es mit den guten Vorsätzen dann oft trotzdem nicht? 

Häufig scheitert es daran, dass man gleich mehrere Veränderungswünsche auf einmal angehen möchte, sich zu viele Vorsätze macht und mit der Umsetzung im Alltag dann überfordert ist. Problematisch wird es auch, wenn wir gleich zu Beginn die Messlatte zu hoch legen und zu viel von uns erwarten. Wenn jemand bisher unsportlich war und sich vornimmt gleich jeden Tag zwei Stunden ins Fitnessstudio zu gehen, ist es natürlich schwierig, dies auch wirklich in die Tat umzusetzen. Zudem beschäftigen wir uns häufig nur mit der Frage, was wir erreichen wollen und weniger wie wir unser Vorhaben in unserem Tagesablauf integrieren können. Wenn man zwar sein Ziel kennt, aber nicht genau weiß wo man anfangen soll, also welche Schritte als nächstes unternommen werden müssen, geht die Motivation schnell verloren. Viele Vorsätze sind auch zu unkonkret formuliert. Der Vorsatz „gesünder essen“ gibt beispielsweise keine konkreten Anhaltspunkte für die Umsetzung. Es wird nicht genau ausformuliert, was unter „gesünder“ gemeint ist und welche Lebensmittel oder Speisen dazugehören oder auf welche man verzichten möchte. Man könnte sogar sagen „gesünder essen“ ist Interpretationssache und Fortschritte bei der Erreichung dieses Ziels sind nur schwer nachvollziehbar.

Also wäre es am besten, wenn man sich zum Beispiel vornimmt, einmal die Woche abends für zwei Stunde Zumba zu gehen? 

Ja, umso konkreter man den Vorsatz formuliert, desto besser. Wichtig ist auch, dass sich das Vorhaben gut in den Alltag integrieren lässt und der Zeitpunkt einigermaßen passend ist. Wenn ich etwa weiß, dass mir im Jänner eine stressige Phase bevorsteht und ich kaum Zeit haben werde, sollte ich mir vielleicht einen anderen Zeitpunkt aussuchen, um zum Beispiel mit dem Training für den Marathon zu beginnen. Sich selbst unter Druck zu setzen, hilft uns nicht dabei etwas durchzuhalten.

Sind gute Vorsätze aber nicht automatisch zum Scheitern verurteilt? 

Nein. Man muss nicht zwingend nach kurzer Zeit in alte Gewohnheiten verfallen. Wenn man gewisse Dinge beachtet, kann man sicherlich Erfolge verbuchen.

Und die wären? Wie schafft man es, auch wirklich durchzuhalten?

Man sollte sich darüber im Klaren sein, welche Bedeutung das was man erreichen möchte, für einen selber hat. Will ich das überhaupt? und wenn ja, warum will ich es? sind wichtige Fragen, die man sich stellen und möglichst ehrlich beantworten sollte. Wenn man ein Ziel für sich selbst erreichen möchte ist man viel eher bereit, sich dafür anzustrengen, als wenn man das Gefühl hat, dass es von anderen erwartet wird. Zudem ist es ratsam, ein großes Vorhaben in kleine und konkrete Zwischenziele aufzuteilen. Dadurch hat man immer wieder kleine Erfolgserlebnisse, was der Motivation zum Weitermachen zugutekommt. Zudem müssen auf dem Weg zu dauerhafter Veränderung auch Rückschläge einkalkuliert werden. Man sollte sich bereits zu Beginn damit auseinandersetzen, wie man Misserfolgserlebnisse verarbeiten kann, um sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Damit Erfolgserlebnisse auch bestmöglich verinnerlicht werden, sollte man sie aufschreiben. Hierfür reicht schon ein einfaches Blatt Papier. Dadurch ist es möglich, seine Gedanken auf positive Aspekte zu lenken, indem man sich das vergegenwärtigt, was man schon erreicht hat.

Oft werden Vorsätze auch gemeinsam mit Freunden umgesetzt. Ist das hilfreich? 

Es kann sowohl Vor – als auch Nachteile haben. Indem man sich Verbündete sucht und ein Vorhaben gemeinsam angeht, kann man sich gegenseitig anspornen und motivieren. Dadurch fühlt man sich dem Vorsatz gegenüber stärker verpflichtet und nimmt die Sache ernster. Wichtig ist aber, dass es auch wirklich alle wollen und man nicht nur deshalb mitmacht, weil es andere auch machen oder weil es von einem erwartet wird. In diesem Fall fehlt ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor, nämlich die intrinsische Motivation, also der eigene Wille.

Ein beliebter Vorsatz lautet auch, öfters Nein zu sagen und mehr auf sich zu hören. Was halten Sie davon?

Abgrenzung und Selbstfürsorge sind in hektischen Zeiten sicherlich wichtige und zentrale Themen. Dass Menschen sich zum Jahresende hin damit befassen und entsprechende Vorsätze formulieren ist zweifellos begrüßenswert.

Interview: Eva Maria Gapp

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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