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„Das Problem ist ernst“

Wolfgang Weger, Direktor im Forstinspektorat Bruneck, über das Fichtensterben, die gefährliche Ausbreitung des Buchdruckers und den mühsamen Kampf gegen den Schädling.  

von Silke Hinterwaldner

In den Nadelwäldern ist seit dem Sommer ein Fichtensterben zu erkennen. Bereits hunderte von Bäumen sind abgestorben, und im kommenden Jahr ist mit der drei bis vierfachen Menge zu rechnen.

Diese Zeilen schreibt der Naturtreff Eisvogel und macht damit auf ein Problem aufmerksam, das vielleicht in der Pandemie bisher zu wenig Beachtung gefunden hat. Die Ursachen für das Fichtensterben sind zu suchen in den durch die Wetterextreme der letzten Jahre geschwächten Wäldern und in der Vermehrung des Borkenkäfers.

Die im Pustertal häufigen Fichten werden vor allem vom sogenannten Buchdrucker befallen. Durch den Fraß der Käfer-Larven dieser Art werden die überlebenswichtigen Leitungsbahnen des Baumes zerstört. Man erkennt den Befall an den Bohrlöchern, kleinen schwarzen Punkten, die auf der Rinde sichtbar werden.

Eigentlich befällt der Buchdrucker nur geschädigte und kranke Bäume; gesunde, jedoch durch Trockenheit oder andere Faktoren geschwächte Bäume können aber ebenfalls angegriffen werden, da sie nicht genug Harz produzieren, um sich zu verteidigen.

Vom Gadertal ausgehend hat der Käfer sich bis ins obere Pustertal vorgekämpft, vor allem Gebiete rund um St. Martin in Thurn, Rasen, Antholz, Pfalzen, St. Georgen und Gais sind betroffen.

TAGESZEITUNG: Herr Weger, ist das Fichtensterben im Pustertal zum Problem geworden?

Wolfgang Weger: Das Problem ist ernst. Es entsteht immer dann, wenn die klimatischen Voraussetzungen entsprechend sind. Hier spielt vor allem die Temperatur eine Rolle. Noch Ausschlag gebender ist, dass genügend Brutmaterial für den Buchdrucker zur Verfügung steht. Der Buchdrucker ist ein Borkenkäfer, der speziell an der Fichte vorkommt. In geringen Mengen ist er immer vorhanden, aber massenhaft vermehren kann er sich nur, sobald genügend Brutmaterial vorhanden ist, das ist geschwächtes, vor allem liegendes Holz. In den vergangenen drei Jahren gab es zuerst den Sturm Vaia und dann Probleme mit Schneedruck. Das bedingt die massenhafte Vermehrung des Käfers.

Konnte man dagegen nichts unternehmen?

Aufgrund der großen Schadholzmengen der letzten drei Jahre war es nicht möglich, das entsprechende Holz in der kurzen Zeit vollständig aufzuräumen.

Weil man zu wenig Einsatz zeigte oder weil es einfach zu viel war?

Vor allem nach dem Sturm Vaia gab es großen Einsatz. Da war das Aufräumen aber auch einfacher. Vaia hat konzentriert Schäden verursacht. Die Schneedruckschäden hingegen sind verteilt aufgetreten, mit sehr großen Schadholzmengen, zum Teil an Stellen, die gar nicht erreichbar sind. Es ist unmöglich, dies in kurzer Zeit aufzuarbeiten.

Gibt es zu viele große Fichtenwälder im Pustertal?

Das kann man so nicht sagen. Die Waldtypisierung zeigt, welche Wälder sich entwickeln würden, wenn der Mensch nicht eingreift. Dabei sieht man, dass die Fichte im Pustertal als maßgebliche Baumart vorkommt. Hier gibt es das natürliche und optimale Verbreitungsgebiet für die Fichte.

Würde es Sinn machen, andere Bäume zu pflanzen, um den Buchdrucker zurückzudrängen?

Wir orientieren uns an der natürlichen Waldentwicklung. Selbstverständlich kommen auch Mischbaumarten vor, das sind nicht nur Laubhölzer, sondern vor allem Zirbe, Lärche, Kiefer. Diese Hölzer einzubringen, macht Sinn. Es handelt sich dabei aber um sehr, sehr langfristige Maßnahmen. Das Ahrntal etwa liegt am Alpenhauptkamm und ist von Natur aus sehr reich an Lärchen. In Bezug auf den Buchdrucker hat man hier Vorteile. 

In anderen Gebieten etwa im Gadertal oder im oberen Pustertal gibt es aber sehr viele Fichten…

Fichten kommen in unterschiedlichen Mischverhältnissen im gesamten Pustertal vor, auch bis in tiefere Lagen.

Stirbt der Wald? Oder was befürchten Sie für die kommenden Jahre?

Die Szenarien kennt man. Bei einer Gradation tritt der Buchdrucker in sehr großen Mengen auf und ist sehr schwer zu bekämpfen. Man kann etwas machen, der Erfolg aber ist nicht abschätzbar: Man kann befallenes Holz, teilweise noch grün, aus dem Wald entfernen. In Bereichen, wo der Käfer unter der Rinde seine Brutanlagen eingerichtet hat, kann man als Bekämpfungsmaßnahme das entsprechende Holz schlägern und abtransportieren, oder entrinden.  Man legt auch bewusst Fangbäume aus, auch dort kann der Käfer brüten. Bevor die Larven schlüpfen, muss man aber auch diese umgehend aus dem Wald entfernen oder entrinden. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Grundsätzlich gilt auch: Ein Teil der Käfer versucht oft hinter der Rinde zu überwintern. Deshalb macht es Sinn, befallenes Holz in der kalten Jahreszeit zu schlägern, um so auch diese Käfer zu entfernen. Sehr förderlich im Kampf gegen den Buchdrucker ist das passende Klima: Er mag es nicht feucht und kalt. Man hat gesehen, dass der Käfer heuer imstande war, zwei Generationen zu entwickeln. 

…obwohl es eigentlich heuer eher kühl und feucht war?

Nur ein wenig Kälte und Feuchtigkeit ist für den Käfer nicht letal, es vermindert aber die Vermehrung. Der Mai war kalt und wir haben uns bereits große Hoffnungen gemacht. Aber mit den ersten warmen Tagen setzte der massive Schwarmflug ein. Die Erfahrung zeigt uns, dass solche Massenvermehrungen zwei, drei Jahre andauern und dann wieder etwas nachlassen. 

Dann gibt es Hoffnung?

Meist lässt die Verbreitung nach zwei, drei Jahren durch getroffene Maßnahmen wieder nach. Hier und da denkt man auch an Gift, aber das kommt für uns nicht in Frage. Das Gift würde auch den natürlichen Gegenspielern schaden. Und was man noch wissen sollte: Man lässt eine bestimmte Anzahl an dürren Bäumen stehen, weil sich dort diese Gegenspieler entwickeln können. Das schaut zwar für die Menschen oft nicht schön aus, aber für die Natur sind die dürren Bäume wichtig. 

 

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