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Welt der Widersprüche

Die Welt und den fairen Handel im Blick: Im Haus der Familie am Ritten hat die erste Fachtagung von oew und Weltläden zum globalen Handel stattgefunden. 

Die Welt ist voller Widersprüche. Der Warenverkehr ist weltweit weitgehend frei. Reisen ist für die Eliten grenzenlos möglich. Gleichzeitig schließen reiche Länder ihre Grenzen, wenn es um die Aufnahme von Geflüchteten und Einwanderer*innen geht. Die Wirtschaft aber ruft nach Arbeitskräften. Ausbeutung ist Alltag. Transparenz und Information sind notwendig. Fairer Handel ermöglicht einen Weg aus der Armut. Fairer Handel hat nichts mit Wohltätigkeit zu tun: Produzent*innen im globalen Süden verlangen und bekommen keine Almosen, sondern einen fairen Preis für ihre Produkte von hoher Qualität. 50 Interessierte, die in den Südtiroler Weltläden mitarbeiten oder für die oew-Organisation für Eine solidarische Welt Schulprojekte betreuen, haben im Haus der Familie am Ritten theoretische und praktische Impulse bekommen.

Gerhard Hetfleisch, Geschäftsführer des ZeMiT – Zentrum für Migrantinnen in Tirol, informierte über grenzenlosen Warenverkehr, entgrenztes Arbeitskraftbegehren und Ausbeutung von Arbeiter*innen im und aus dem dem globalen Süden. „Der Weltmarkt wird von einem kapitalistischen System angetrieben, das auf einem globalen Ungleichgewicht basiert und von dem nur wenige in der Welt profitieren“, sagte er. Solange dieses System unterstützt werde, seien Konsequenzen wie Migration und Armut eine logische Konsequenz.

Rudi Dalvai aus Bozen, Präsident der World Fair Trade Organization WFTO, informierte über die Richtlinien des fairen Handels, über die notwendige Transparenz, die Qualität der Produkte, die Zusammenarbeit mit kleinen Genossenschaften und die Geschichte der Weltläden in Südtirol: 1980 öffnete in Brixen der erste Weltladen Italiens seine Türen. Heute, knapp 40 Jahre später gibt es in Italien mehrere hundert Läden, die Fair-Trade-Produkte verkaufen. Auch Fair-Trade-Regale in vielen italienischen Supermärkten beweisen: Das Bewusstsein der Konsument*innen hat sich verändert, die Wertschätzung fairer Produkte ist gestiegen. Der Faire Handel ist mehr als ein erfolgreiches Sozialprojekt, das den benachteiligten Produzent*innen in wirtschaftlich benachteiligten Ländern ein menschenwürdigeres Leben ermöglicht. Er stellt eine nachhaltige Alternative dar, die Ressourcen gerecht verteilt und sich für Umwelt und Mensch gleichermaßen einsetzt undhat Zukunft.

Die Organisatorinnen der Tagung, Verena Gschnell, oew-Bereichsleiterin für bewussten Konsum und Brigitte Gritsch, Koordinatorin der Südtiroler Weltläden, erklären: „Hinter jedem einzelnen Produkt, das wir kaufen, steckt eine Geschichte. Auch der kleinste Knopf an unserer Jeans wurde irgendwo von jemandem produziert und angenäht.“ Jede und jeder könne sich bewusst dafür entscheiden, ob Produkte gekauft werden, die unter fairen und nachhaltigen Bedingungen hergestellt wurden oder die umweltschädlich und menschenunwürdig produziert wurden. Die täglichen Kaufentscheidungen jedes einzelnen von uns gestalten die Weltwirtschaft. Die Macht dafür liegt bei den Kaufenden.

Fair Trade unterstützt wirtschaftlich benachteiligte Produzent*innen, steht für Transparenz und Verantwortung, garantiert faire Preise, verhindert Kinderarbeit, behandelt Frauen und Männer gleich, steht für gute Arbeitsbedingungen ein, schult und informiert Produzent*innen und fördert den Umweltschutz.

Bei neun Workshops informierten Expertinnen und Experten über internationalen Warenverkehr, über Kriterien des fairen Handels, über verschiedene Methoden, um öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen, über didaktische Mittel zur Darstellung des globalen Handels, über Kolonialismus 2.0, über erfolgreiche Verlaufsgespräche, über grüne und faire Kosmetik, über die bunte Welt der fairen Stoffe und über die beruhigende Wirkung des Räucherns.

Brigitte Gritsch von den Südtiroler Weltläden ist überzeugt: „Es ist uns bei dieser ersten zweitägigen Fachtagung mit verschiedenen Inhalten und Workshops gelungen, die Menschen zu informieren und mit praktischen Tipps auszustatten.“ Information und Kommunikation mit den Kund*innen in den Weltläden sei ausschlaggebend für das Vertrauen in den fairen Handel: „Je mehr Menschen sich bewusst für Fair-Trade-Produkte entscheiden, umso mehr Chancen haben wir auf ein gerechteres und nachhaltigeres Wirtschaftssystem, von dem alle profitieren“, betonte sie

Verena Gschnell von der oew in Brixen resümiert: „Wir müssen im Gespräch bleiben und nicht den fairen gegen den traditionellen Handel ausspielen.“ Dabei würden sich Mauern bilden, die eine Veränderung im Denken und Handeln unmöglich machten. „Wir werden weiterhin informieren, diskutieren und an einer veränderten Denkweise arbeiten.“Sie betont: „Die Produkte aus dem Fairen Handel sind nicht nur qualitativ hochwertig, sondern unterstützen in verstärktem Maß jene Menschen, die im herkömmlichen Wirtschaftsmodell systematisch und bewusst ausgebeutet werden.“ Ein solches Handeln könne nicht Teil einer modernen und weitblickenden Gesellschaft sein.

Die Fachtagung zum globalen Handel wurde vom Amt für Weiterbildung unterstützt.

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