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Der Rebellen-Paragraph

Um sich bei der Wahl des Landeshauptmanns und der Landesregierung gegen parteiinterne Heckenschützen abzusichern, hat die SVP klammheimlich eine Gesetzesänderung vorgenommen.

von Matthias Kofler 

Die Geschäftsordnung des Hohen Hauses spricht eine klare Sprache: Der Landeshauptmann und die Landesregierung werden vom Landtag aus seiner Mitte in geheimer Abstimmung gewählt. So die Theorie laut den Artikeln 27 und 28 der Geschäftsordnung. Alle bisherigen Regierungschefs in Südtirol, auch Arno Kompatscher, wurden geheim gewählt. Gleiches gilt für die Landesräte.

Künftig wird die Praxis aber anders aussehen. Der Grund: Die SVP hat gegen Ende der vergangenen Legislaturperiode – von der Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt – eine Gesetzesänderung vorgenommen, mit der die Wahl des Kabinetts Kompatscher II nicht mehr geheim zu erfolgen hat. Da ein Gesetz rechtlich über der Geschäftsordnung steht, muss sich das Hohe Haus an die neuen Bestimmungen halten.

Die Edelweißpartei will mit der Novelle auf Nummer sicher gehen. 2008 hat LH Luis Durnwalder seine Wahl nur mit Ach und Krach bestanden – dank tatkräftiger Mithilfe des Oppositionellen Mauro Minniti. Obwohl die SVP damals noch eine satte Mehrheit von 20 Stimmen hatte, kam Durnwalder nur auf magere 18 Stimmen – eine über den Strich. Die parteiinternen Rebellen Sepp Noggler und Arnold Schuler hatten gegen ihren Chef gestimmt.

Mittlerweile ist die SVP auf 15 Mandate geschrumpft. Mit der Lega kommt man auf 19 Stimmen. Kompatscher und Co. wissen, dass sie sich höchstens einen ausscherenden Kollegen leisten können. Allerdings besteht die Gefahr, dass jene Mandatare, die bei der Verteilung der Regierungsposten leer ausgehen, versuchen wollen, der Führung einen Denkzettel zu verpassen. Schon bei der Wahl des Landtagsvizepräsidenten hielten sich vier Edelweißler nicht an die Vorgaben: Sie stimmten nicht für Daniel Alfreider, sondern für dessen ladinischen Widersacher Manfred Vallazza.

Mit dem neuen Artikel, der klammheimlich in das Landes-Wahlgesetz von 2017 gepackt wurde, will sich die SVP vor möglichen Heckenschützen absichern. Demnach werden der LH und die Assessoren erstmals namentlich gewählt. Unter Artikel 66 und 67 heißt es wörtlich: „Der Landtag wählt aus seiner Mitte in einer mit Namensaufruf durchgeführten Abstimmung und mit absoluter Mehrheit seiner Mitglieder den Landeshauptmann. Auf Vorschlag des Landeshauptmannes wählt der Landtag die Landesräte in einer einzigen namentlichen Abstimmung mit der absoluten Mehrheit der Abgeordneten.“

Im Landtag stieß die von der SVP angestrebte Wahlreform kaum auf Gegenwehr. Einzig Andreas Pöder von der BürgerUnion warnte davor, die geheime Wahl abzuschaffen: „Ich glaube schon, dass es im Landtag üblich sein sollte, Personenwahlen geheim durchzuführen. So viel Schneid muss man schon haben, wenn man LH von Südtirol werden will. Es ist eine feige Aktion, wenn man sich einer namentlichen Abstimmung stellen will, um ja zu schauen, dass niemand dagegen stimmt oder ausschert, um ja zu kontrollieren, wer alles zustimmt, dass, wenn möglicherweise jemand nicht zustimmt, man ihn danach bestrafen kann, weil er nicht ein Pöstchen bekommt. So viel Vertrauen muss man eigentlich schon auch in die eigenen Leute mitbringen, dass man ihnen zutraut, dass sie in einer Geheimabstimmung einem Vorschlag aus den eigenen Reihen zustimmen. In jeder Klasse wird der Schulsprecher geheim gewählt und der LH hat nicht die Schneid, sich im Landtag geheim wählen zu lassen. Das ist schon eigenartig. Das ist erbärmlich muss ich sagen.“

Mit der Gesetzesnovelle passt sich der Landtag an die italienischen Gepflogenheiten an: Die Vertrauensabstimmung im römischen Parlament, der sich jeder neue Ministerpräsident zu Beginn seiner Amtszeit stellen muss, erfolgt in einer offenen Wahl.

 

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