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„Die Opfer zuerst“

Warum die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle die alte Institution Kirche zukunftsfest machen kann.

Ivo Muser redete gleich zu Beginn Tacheles.

Auf die Kirche, so sagte der Bischof gestern bei der Eröffnung der Tagung „Victims first“ im Pastoralzentrum in Bozen, komme beim Thema Missbrauch eine dreifache Aufgabe zu:

„Erstens haben wir zu bekennen, dass auch wir den Missbrauch von Minderjährigen und schutzbedürftigen Erwachsenen unterschätzt, unterbewertet und vertuscht haben. Zweitens sind wir den Betroffenen jene Aufmerksamkeit schuldig, die ihnen zu lange nicht gegeben wurde; auch jede psychologische, medizinische und rechtliche Unterstützung wurde ihnen oft vorenthalten. Jetzt soll ihnen Gerechtigkeit zuteilwerden. Dazu kommt noch eine dritte Aufgabe, nämlich, dass wir uns den Fehlern der Vergangenheit stellen und Verantwortung für deren Folgen übernehmen. Das heißt, dass wir alles in unseren Kräften tun sollen, und uns dabei professionell auch von außen unterstützen lassen, damit die Kirche ein sicherer Raum für Minderjährige und schutzbedürftige Erwachsene ist. Dafür braucht es Schutzkonzepte.“

Der Hintergrund: Bischof Muser hat vor einigen Monaten das Institut für Anthropologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, das von P. Hans Zollner geleitet wird, beauftragt, ein solches Konzept für die Diözese Bozen-Brixen auszuarbeiten.

Grundlinien dieses Konzeptes wurden auf der gestrigen Tagung von  Peter Beer vom internationalen Safeguarding-Institut an der päpstlichen Universität Gregoriana vorgestellt.

Beer betonte, dass es unabdingbar sei, zum einen die Opfer bzw. die von Missbrauch Betroffenen an erste Stelle zu setzen und zum anderen zielorientiert, zeitnah und nachhaltig das Thema Aufarbeitung anzugehen.

„Die Interessen und Anliegen der Betroffenen wiegen entsprechend dem Grundsatz ‚Victims first‘ mehr als das Ansehen der Institution Kirche. Die Sorge um die Rechte der Betroffenen wird prioritär gegenüber jener um die Rechte der Täter wahrgenommen. Dogmatische Grundpositionen wie z. B. jene bezüglich des Beichtgeheimnisses werden als nachrangig gegenüber dem Schutz von durch Missbrauch gefährdeten Personen eingestuft. Anerkennungsleistungen für durch Missbrauch erlittenes Leid und Unrecht stehen vor der finanziellen Vermögens- bzw. Mittelabsicherung der kirchlichen Institution. Die Auseinandersetzung auf breiter kirchlicher Basis mit dem Thema Missbrauch hat Vorrang gegenüber dem gewohnten kirchlichen Regelbetrieb“, erklärte Beer seinen Ansatz.

Peter Beer

Sobald man sich einmal dazu entschieden habe, sich proaktiv dem Thema Missbrauch und seiner Vertuschung zuzuwenden, so Beer weiter, komme es zu Spannungen, Unruhe, Veränderungsdruck.

Beer„Das muss nicht schädlich sein; ja im Gegenteil: es ist Voraussetzung dafür, dass etwas heilt, dass Gerechtigkeit einzieht und eine so alte Institution wie die Kirche zukunftsfest wird.“

Doch man solle sich nichts vormachen. Die Prozesse seien  anstrengend und die Versuchung, sie zu meiden, sei groß.

Beer: „Um genau dieses Vermeiden zu vermeiden, hilft nur, es zu thematisieren, sich offen darüber auszutauschen, Einwände gegen Vorgehensweisen gegen Missbrauch zu diskutieren und möglichst viele einzubeziehen, damit Projekte zum Umgang mit der Missbrauchsthematik auf möglichst vielen Schultern ruhen, die Akzeptanz möglichst groß ist, der Durchhaltewillen möglichst lange anhält.“

 

 

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Kommentare (11)

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  • andreas

    Die Kirche soll sich dieses kontinuierliche ergebnislose Geschwafel sparen, incl. Muser, welcher auch alles ignoriert und vertuscht hat und die Staatsanwaltschaft sollte mal den Vatikan auf den Kopf stellen, da dort Unterlagen zu weltweiten Mißbrauchsfällen liegen.
    Der Schlimmste dieser Heuchler war der Deutsche, welcher vor seiner Zeit als Papst primär für die Aufklärung in den USA verantwortlich war, alle Unterlagen unter Verschluß gestellt und massiv sich für die Vertuschung eingesetzt hat.
    Der Argentinier hat auch über Jahre seinen Kumpel gedeckt.

    Dieses spielen auf Zeit, da die Fälle verjähren oder die Beiteligten sterben, ist eine zusätzliche Verhöhnung der Opfer.

    Wenn man das Verhalten des Argentiniers im Fall Wölki in Köln sieht, er will die Pfeife trotz massiven Austritten von Gläubigen aus der Kirche nicht entfernen, sieht man, dass diese alten weißen Männer jeglichen Bezug zur Realität verloren haben und in einer eigenen Welt leben.

    Jedenfalls haben diese katholischen Fundamentalisten jeglichen Anspruch verloren, über Moral oder Anstand zu predigen.
    Mir ist es ein Rätsel, wie jemand diese „ehrenwerte“ Gesellschaft überhaupt noch ernst nehmen kann.

    • gerhard

      Mensch, Andreas, sei doch nicht so grob zum Muser.

      Der macht doch auch nichs Anderes als sein ehemaliger Capo in Rom,
      der Papst der Schande, Benedikt16.
      Und der ist Papst und unfehlbar. BASTA.

      Mauern, Vertuschen, Lügen, Betrügen, Bagatellisieren.
      Eben gelebte Christlichkeit und Menschlichkeit in ihrer Urform.

      Und im Übrigen, es waren die teuflischen Kinder, die die Herren Pfarrer verführt haben.
      Die Hochwürden sind unschuldig. Teufelswerk, Opfer sind die Pfarrer, nicht Nichten Täter.
      Und es war nur zum Besten der teuflischen Kinder, wenn Sie von Nonnen blutig geschlagen wurden.
      Bitte verdreh hier also nicht die Tatsachen, lieber Andreas

      Und wenn Du den Wölki noch einmal als Pfeife bezeichnest, dann zeige ich Dich an. (wegen Wahrsagerei!)

      Deinen Schlusssatz mit den Fundamentalisten finde ich genial.

  • brutus

    …die italienische Staatsanwaltschaft stellt im Vatikan, einem souveränen Staat, gar nichts auf den Kopf!

  • frechdachs

    Aufarbeitung, dass ich nicht lache: das Wort Schadenersatz kommt nicht vor. Das Blut an den Händen dieser Organisation, von Eroberungskriegen bis Hexenverbrennungen, bleibt.

    • gerhard

      Da muss ich Dir widersprechen, Frechdachs.
      Das Blut an deren Händen ist schon lange mit Weihwasser abgewaschen.
      Das einzige, was zählt ist das Blut Christi.
      Wo kommen wir denn da hin, wenn Du die heilige Kirche kritisierst
      Also halt inne, frechdachs, schäm Dich Deiner Worte und tue Buße..
      Setz Dich hin und formuliere eine weiteren, so treffenden Kommentar.

  • dn

    Das ist sicher der Skandal, der zur Zeit die katholische Kirche bis ins Fundament erschüttert. Zum Glück gibt es die Trennung von Staat und Kirche. Mir tun jene Pfarrer und Patres leid, die bisher im guten Glauben und zur Hilfe ihrer Schäfchen gewirkt haben (und das schreibe ich ohne jeglichen Sarkasmus).

  • exodus

    Diese herrschsüchtige, nach Luxus lechzende,diebische, respektlose Geistlichkeit! Weihwasser predigen aber lieber Wein trinken. Wie viele unbestrafte Beispiele gibt es. Schade um die überzeugten und ehrlichen Geistlichen, die von diesen Egoisten in den Dreck gezogen werden. Auch die Klosterfrauen haben sich in Internaten nicht besser mit den ihnen Anvertrauten verhalten und benommen.

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