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Der vierte Stich

Foto: Sabes/ 123RF.com

In Südtirol soll ab März die vierte Corona-Impfung verteilt werden. Impfkoordinator Patrick Franzoni erklärt, wer Anrecht darauf hat. 

Tageszeitung: Herr Franzoni, in Italien wird ab 1. März die vierte Coronadosis verimpft. Wie wird Südtirol damit umgehen?

Patrick Franzoni: Die italienische Arzneimittelbehörde hat bereits am Samstag diese Entscheidung getroffen. Am Montag ist der Sonderkommissar Francesco Paolo Figliuolo der Empfehlung gefolgt und hat mit der Planung für die Verteilung der vierten Dosis begonnen. Südtirol ist startbereit. Die vierte Impfung ist aber nur für die Gruppe der sogenannten „Ultrafragili“ vorgesehen. Das heißt, es handelt sich um Personen mit sehr schweren Krankheitsbildern, die beispielsweise immunsuppressive Medikamente einnehmen oder an Autoimmunkrankheiten leiden. Das sind in Südtirol rund 4.000 Patienten. Sie waren die ersten, die die dritte Dosis bekommen haben. Bei ihnen war es aber nicht die Booster-, sondern eine Zusatz-Impfung, um den Impfzyklus zu komplettieren.

Warum wird die vierte Impfung zunächst nur den Hochrisikopatienten empfohlen?

Seitdem diese Personen ihre dritte Impfung bekommen haben, sind bereits sechs Monate vergangen. Diese Personen waren sozusagen nur mit einem Grundimpfzyklus geschützt, sie haben bisher keinen richtigen Booster bekommen. Es hat sich nun also die Frage gestellt, wie man weitermacht, denn sie haben ein fragiles Immunsystem und müssen besonders geschützt werden. Daher ist die Empfehlung nur für die Hochrisikopatienten erfolgt.

Wann wird in Südtirol mit der Verteilung der vierten Impfung begonnen?

Das werden wir in den kommenden Tagen detailliert entscheiden. Wir sind aber bereit und werden uns wahrscheinlich an den 1. März halten, auch wenn wir bereits jetzt beginnen könnten. Während die Hochrisikopatienten die ersten drei Impfungen mit demselben Impfstoff machen mussten, können sie nun kreuzen. Das heißt, sie können nach drei Pfizer-Impfungen auch den Impfstoff von Moderna nehmen oder umgekehrt. Die Personen wissen, dass sie zu der jeweiligen Gruppe gehören und werden natürlich kontaktiert.

Sonderkommissar Figliuolo hat in Aussicht gestellt, dass die vierte Impfung im Herbst für die gesamte Bevölkerung freigegeben wird…

Figliuolo hat natürlich eine gute Arbeit geleistet, das ist allerdings eine Entscheidung, die nicht er fällen kann. Es gibt noch viele wissenschaftliche Fragezeichen. Der US-amerikanische Immunologe Anthony Fauci hat beispielsweise gesagt, dass für den Großteil der Bevölkerung eine zweite Booster-Impfung nicht nötig ist. Es gibt zwei Arten der Immunität. Zum einen die Antikörper, zum anderen die T-Zellen. Der Antikörperstatus, aber auch der Schutz, der durch die T-Zellen nach einer Booster-impfung erreicht wurde, ist sehr gut und sollte mindestens ein Jahr lang halten. Sicher gibt es die Möglichkeit, dass die vierte Impfung für ältere Personen oder Risikopatienten in Frage kommt, das ist aber noch nicht geklärt. Besonders für gesunde Personen gibt es noch keine Daten, dass diese eine vierte Impfdosis brauchen.

Derzeit gehen viele Länder unterschiedlich mit der vierten Impfung um. Israel hat damit bereits begonnen, in Deutschland wurde sie unter anderem für Krankenhausmitarbeiter oder ältere Patienten empfohlen. Warum gibt es derzeit noch keine einheitliche Linie dazu?

Weil derzeit noch Daten fehlen. In Deutschland handelt es sich um eine Empfehlung der ständigen Impfkommission. Es handelt sich nicht um eine Pflicht. Was richtig ist und was falsch, kann man im Moment nicht sagen, alles was man sagt, ist falsch, denn es gibt viele Fragezeichen. In Israel hat man gesehen, dass der Antikörperspiegel bei gesunden Personen zwar gestiegen ist, die T-Zellen allerdings nicht oder nur begrenzt.

Sind Personen mit einer Booster-Impfung also sicher?

Ja, jene die bereits den Booster gemacht haben, haben jetzt eine Zeit lang Ruhe. So schnell ändert sich das auch nicht. Selbst Figliuolo spricht ja erst vom Herbst. Die Geboosterten werden aber jetzt für einige Monate auf jeden Fall sicher sein und werden sich zunächst nicht nochmal impfen lassen müssen.

Ebenso bestätigt wurde die Lieferung der Novavax-Impfstoffe. Wann kommen diese in Südtirol an?

Ich habe leider noch keinen Lieferbrief erhalten, aber die Impfstoffe sollten Ende dieser Woche (Das Interview wurde am Mittwoch veröffentlicht, Anm. d. Red.) kommen. Sobald der Impfstoff eintrifft, werden wir gezielte Impfaktionen in unseren Zentren starten. Der Impfstoff von Novavax ist vor allem deshalb wichtig, weil er einige Impfskeptiker überzeugen könnte. Es handelt sich nämlich um einen Impfstoff, der auf konventioneller Basis hergestellt wurde. Es gibt solche Impfstoffe schon lange, es gibt also jetzt keine Ausreden mehr. Ich weiß von Leuten, die genau darauf gewartet haben, nun aber sagen, dass es ohnehin zu spät ist, weil ja alle Maßnahmen auslaufen. Sie wollen sich lieber im Herbst impfen lassen.

Wie werden diese Impfaktionen ausschauen?

Wir werden eigene Impflinien aufbauen, denn der Novavax-Impfstoff darf nicht mit einem mRNA-Impfstoff vermischt werden. Auch für den Booster darf man nicht den Novavax-Impfstoff verwenden, man muss dafür einen mRNA-Impfstoff verwenden. Ansonsten lauft das Prozedere aber gleich ab wie bei den anderen Impfstoffen. Man bekommt zwei Dosen, die intramuskulär verabreicht werden.

Interview: Markus Rufin

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