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Die Kurzschluss-Reaktion

Foto FB Renzler

Die SVP hat auf Druck der Rechten, der „Dolomiten“ und der Wirtschaft entschieden, nun voll auf Konfrontation mit der Regierung in Rom zu gehen. Das Protokoll einer turbulenten Parteisitzung.

Von Matthias Kofler

Am Ende fiel die Entscheidung der SVP-Leitung einstimmig: „Die römische Regierung hat es auf eine katastrophale Art und Weise versäumt, das Land und somit Millionen von Familien und Unternehmen endlich aufatmen zu lassen. Daher werden wir sofort ein eigenes Landesgesetz für die Gestaltung der Phase 2 auf den Weg bringen. Und wir werden jegliche Zusammenarbeit mit der Regierung aufkündigen, falls unsere Entscheidung nicht akzeptiert wird“, erklärten SVP-Obmann Philipp Achammer und Landeshauptmann Arno Kompatscher am Montagabend.

Die Volkspartei hat dem wachsenden Druck der Rechten, der Tageszeitung „Dolomiten“ und der Wirtschaft nachgegeben und geht nun auf direkte Konfrontation mit der Regierung in Rom. Was von Achammer und Co. als großer Wurf verkauft wird, ist in Wirklichkeit eine Kurzschlussreaktion, ein planloses Manöver, das Südtirol noch teuer zu stehen kommen kann. In der Brennerstraße liegen offensichtlich die Nerven blank, Entscheidungen von dieser Tragweite werden über Nacht getroffen. In der Fraktionssprechersitzung am vergangenen Dienstag teilte Gert Lanz mit, die Mehrheit werde in der Sitzungswoche im Mai auf eigene Anträge verzichten. Von einem eigenen Corona-Landesgesetz war damals noch überhaupt keine Rede. Das war vor einer Woche! Nun soll das Gesetz im Dringlichkeitswege durch das Hohe Haus geboxt werden, sämtliche von der Geschäftsordnung vorgesehenen Fristen werden ausgesetzt, damit es schon am Samstag in einer Woche in Kraft treten kann. Die Opposition wird aufgerufen, den Gesetzgebungsprozess nicht mit (unnötigen) Vorschlägen und Minderheitenberichten zu verzögern. Der LH weiß, dass es sich die meisten anderen Fraktionen im Landtag politisch nicht leisten können, als Bremsklotz wahrgenommen zu werden. Angst hat man nur vor den „Nationalisten“ Diego Nicolini und Alessandro Urzì.

Dabei sah der Plan der SVP-Granden zu Beginn der Sitzung noch ganz anders aus: Wie Parteileitungsmitglieder gegenüber der TAGESZEITUNG berichten, wollte man ursprünglich das jüngste Conte-Dekret vor dem Verfassungsgericht anfechten. Karl Zeller warnte jedoch vor einem solchen Schritt: Erstens seien die Erfolgsaussichten des Landes angesichts des nationalen Notstands und der fehlenden primären Kompetenzen gleich Null, und zweitens sei es inopportun, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, dass man den Staat erzürnen wolle. „Wir haben den Spieß einfach umgedreht: Wir machen ein eigenes Landesgesetz, das – wenn schon – der Staat anfechten muss. Somit sind wir nicht mehr die bösen Buben“, erklärt ein hochrangiger SVP-Vertreter.

Ein weiterer Vorteil eines Landesgesetzes: Der LH müsste nicht mehr mit dem privaten Vermögen haften, sollte es angefochten werden.

Während der rechte Parteiflügel jubilierte, dass man mit dem Beschluss – O-Ton eines Leitungsmitglieds – „das alte Ehepaarl (gemeint sind Karl Zeller und Julia Unterberger) kleingekriegt“ habe, erklärte Zeller, das Ergebnis sei genau das, „was das alte Paarl vorgeschlagen hat“.

Das Landesgesetz soll drei Ziele verfolgen: Zum einen sollen die restriktiven Beschränkungen der Bewegungsfreiheit gelockert werden, das heißt: Anders als im restlichen Staatsgebiet wäre es in Südtirol nicht mehr notwendig, eine Eigenerklärung mitzuführen. Weiters sollen eigene (weniger strenge) Regelungen bei der Kinder- und Kleinbetreuung erarbeitet werden. Und drittens will man mit dem Gesetz von den staatlichen Öffnungsterminen für die Geschäfte, Bars, Restaurants und Hotels abweichen – freilich immer unter rigoroser Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen. Während laut dem Conte-Plan die Geschäfte am 18. Mai und die Friseure und Bars am 1. Juni aufsperren dürfen, soll das in Südtirol möglichst um eine Woche vorgeschoben werden. Der LH unterstrich, dass es in der nächsten Woche noch keine Lockerungen geben werde. Es gehe vielmehr darum, die kommenden Monate eigenständig zu planen.

Die Conte-Kritiker unterm Edelweiß nutzten die Gunst der Stunde, um alte Wunden zu lecken und gegen die italienische Regierung vom Leder zu ziehen. Herbert Dorfmann, Renate Gebhard, Meinhard Durnwalder und Co. erklärten in einem kurzen Wortgefecht, dass es im Sommer 2019 richtig gewesen sei, der Mehrheit nicht das Vertrauen auszusprechen. Die Sprecherin der Autonomiegruppe Julia Unterberger entgegnete, dass die SVP der Regierung zwar nicht das Vertrauen ausgesprochen, sie anschließend aber „fast zum Nulltarif“ unterstützt habe. Unterberger betonte gleichzeitig, dass die zentralistische Vorgehensweise der Regierung Conte falsch sei – diese Einschätzung werde von ihrer gesamten Fraktion geteilt. „Die Politik muss den Mut haben, differenzierte Entscheidungen zu treffen – auch mit einer stärken Einbindung der Regionen und der Sonderautonomien“, so die Senatorin. Dafür will Südtirol den Schulterschluss mit den Provinzen und Regionen Trentino, Friaul-Julisch Venetien und Veneto suchen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (42)

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  • andreas

    Grande Zeller, jetzt verstehe ich, warum der LH gestern bei der Pressekonferenz so souverän war und keinen Zweifel aufkommen ließ, dass er sich rechtlich abgesichert hat. Für das Verfassungsrecht gibt es nun mal keinen Besseren als den alten Fuchs. 🙂

    Die Frage des Moderators gestern, „wer übernimmt die politische Verantwortung“, war etwas eigenartig.
    Wenn der LH sich hinsetzt und das Gesetz vorstellt, liegt es wohl in der Natur der Sache, dass er dafür gerade steht.
    Laimer ist keiner mehr da, welchen man über die Klinge springen lassen könnte und der Parteiobmann macht nur lustige Videos und kündigt Hilfen an, welche nicht ausgezahlt werden.

  • echnaton

    Alles viel zu früh …. wir werden alle die Folgen zu spüren bekommen …. 2. Corona-Welle … dann hilf uns …..

  • insider84

    Endlich wird dem Zentralismus die Stirn geboten. Dieser Staat ruiniert sein Volk, um die Billionen der EU zu erpressen

  • criticus

    Wer ist die Person im Bild rechts unten und die rechts oben, der Herr Achammer, schläft der, oder scheint das nur? Ist ja egal, was mich an der ganzen Sache ärgert ist, nach 2 Monaten haben die Bürger noch nie richtige Richtlinien bezüglich ihrer Rechte mitbekommen. Jede Sicherheitskontrolle (Carabinieri, Polizei, Gemeindepolizei, Finanzwache und Heer) hatten ihr eigenen Regeln und waren der deutschen Sprache kaum oder nicht mächtig. Siamo in Italia! Hinzu kam dann noch die „Kurzschlusshandlung“ mit den Landesförstern, mobilisiert vom LR-Schuler. Ja in Meran hat der Bürgermeister Rösch, der von den Grünen und Team K unterstützt wird, sogar das Heer um Hilfe gebeten. Denunziantentum hatte und hat noch immer Hochsaison! Vergessen werde ich auch nie das kindische Verhalten einer Frau Ladurner Jasmin, am Anfang der Krise. Der Landeshauptmann tut mir leid, mit so einem Haufen tut man sich sehr schwer. Seinen Einsatz gegenüber Rom finde ich richtig! Den Einsatz gegenüber Rom (und bei uns gegen einer Frau Stocker) hätte man zeigen sollen, als die Sanität vor Jahren runtergefahren wurde.

    • george

      ‚criticus‘, du hast wohl die Zuhilfenahme des Heeres nicht verstanden! Bei anderen Katastrophen schreit ihr auch immer um Hilfe und diesmal sollte diese Hilfe draußen bleiben.

      • andreas

        Du verstehst aber den Unterschied zwischen Murren beseitigen und überzogene Ausgangssperren, wie die 200 m Regel, zu überwachen?

        Man könnte fast meinen du warst vorgestern auf dem Schlern und es hat dir ins Hirn reingeschneit.

        • george

          Und dein Gehirn ist gerade wieder halbwegs aufgefroren, wenn du das so meinst, schreiben zu müssen. Du bleibst wohl immer wieder nur bei einer meiner Wortwurzeln hängen ohne weiter zu lesen oder tiefer einzutauchen und meinst damit dich drüber stellen zu können. Aber das zeugt nur von Arroganz, Frechheit und Einseitigkeit.

    • hubertt

      criticus genau so ist es. Wir haben mal wieder sehen können, wer die wahren Idioten sind. Aus etwas Schlimmen noch etwas Schlimmeres machen. Ich schlage mal vor, das Einkommen dieser Herren an die Wirtschaftsleistung und an das Durchschnittseinkommen der arbeitenden Bevölkerung zu koppeln.

  • asterix

    @criticus, hundert Likes von mir.

  • stanislaus

    Zuerst auf Druck der Rechten, der Dolomiten (Ebner ruft noch zum Schifahren in Schnals auf) und der Wirtschaft alles offen lassen hätte uns fast den Kragen gekostet… bzw. hat sicher ein paar Leute mehr eine Infektion (mit Folgen) gekostet…

    Jetzt wieder dem Druck der selben Clique nachzugeben erscheint daher nicht besonders zielführend….

  • carlotta

    I finds traurig, dass wieder amol olls lai für die Lobbies getun werd und für die Arbeiter??? Kennen ummen gleichen Geholt weiterpuggeln.. Frauen kündigen, weil sie nit wissen wohin mit die Kinder.. corona hot gor nix verändert, eher isch die Gier no grösser geworden..

  • heinz

    Nicht nachvollziehbare, populistische Aktion der SVP.
    Die Volkspartei mausert sich immer mehr zum artigen Befehlsausführer der Anweisungen der beiden christlichen Brüder vom Weinbergweg.
    Ganz nach dem Motto, wir Südtiroler sind die Besten der Welt. Und wenn wirs mal nicht sind, liegt die Schuld bei Rom.

    • tiroler

      Klein Heinzi hat Angst. Wie Conte

      • heinz

        Wenn ich deine Kommentare lese, tiroler, so fällt mir unweigerlich Heinrich Heine ein. Dieser äußerte sich schon im 19. Jahrhundert über die Tiroler:
        „Die Tiroler sind schön, heiter, ehrlich, brav, und von unergründlicher Geistesbeschränktheit. Sie sind eine gesunde Menschenrasse, vielleicht weil sie zu dumm sind, um krank sein zu können.“
        Wahrscheinlich gab es damals schon welche von deiner Sorte.

  • leser

    Hier geht es nicht um die paar tage früher aufmachen oder ob die sanität heruntergefahren wurde
    Hier geht es einfach darum dass der einfluss der ebners nicht wahrgenommen wird und offensichtlich nichteinmal ansätze da sind dieses geschwür zurückzudrängen
    Die schwäche der opposition ist derart gross diese sich sogar noch für die interessen aus dem weinbergweg bentzen lässt
    Wir sind wahrlich die dümmste provinz

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