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Aufs falsche Pferd gesetzt

Im Bauernbund-Sonderheft „Der Wolf” finden sich allerlei schaurige Bilder von Wolfsrissen. Der „Lebenslauf” eines dieser Horror-Bilder belegt, dass der Südtiroler Bauernbund mit Fake-Bildern Propaganda gegen das Großraubwild macht.

von Martin W. Angler *

Wer am vorvergangenen Samstag das den „Dolomiten“ beigelegte Sonderheft „Der Wolf” aufschlug, bekam wohl erstmal einen Schrecken wegen der ganzen zerfleischten Schafe, Ziegen und Pferde.

Die SBB-Beilage in den „Dolomiten“

Als Journalist stört mich aber noch einiges andere.

Es gäbe vieles an diesem Beiheft zu beanstanden: Da wäre die einseitige, befangene „Berichterstattung”, bei der nur Wolfsgegner zu Wort kommen. Oder die Tatsache, dass von von dem 32-Seiten-Pamphlet 17 seitenfüllende Bilder von aufgeplatzten Pansen und herausquillenden Gedärmen enthalten.

Ob man das so explizit darstellen muss, sei dahingestellt.

Die Grenze des guten Geschmacks ist für mich damit unterschritten.

Es scheint, als ob der Herausgeber, der Südtiroler Bauernbund, damit bloß auf den Schockfaktor in der Bevölkerung setzt.

Das ist nicht neu: Genauso dasselbe passiert auch in der Facebook-Gruppe „Für ein wolffreies Land Südtirol”.

Und genau hier wird es interessant.

Denn viele der Bilder aus der Facebook-Wolfsgruppe finden sich eben auch in dem „Wolf“-Sonderheft des Bauernbundes in der Tageszeitung „Dolomiten“ wieder.

Eines davon ist besonders auffällig und gleich auf Seite sieben zu finden.

Das Fake-Foto im SBB-Heft auf Seite 7

Es zeigt ein liegendes Pferd mit scheinbar von Wölfen angefressenem linken Schenkel.

Die Bildunterschrift dazu lautet:

„März 2018: Dieses junge Pferd fiel in Fassa dem Wolf zum Opfer. Es lebte noch, als man es fand”.

Ein trauriges Bild, ja. Nur: Die Zuordnung ist falsch!

Der Bauernbund ist wohl der unüberprüften Propaganda einer erhitzten Wolfsdebatte aufgesessen.

Tatsächlich wurde das Bild des Pferdes mit dem angefressenen Schenkel gleich mehrfach missbraucht und aus dem Kontext gerissen.

Die Fakten:

Der Politiker Claudio Civettini hat das Bild für eine Anfrage beim Trentiner Landtag verwendet, mit der Bitte, den Wolfsbestand zu regulieren. Teil der Anfrage: genau dasselbe Pferdebild mit der Suggestion, das Bild stamme aus dem Val Duron. Das tut es nicht!

Die Webseite Wolf-Info.eu hat das Bild ebenfalls in einem Bericht verwendet, ganz ohne Interpretation.

Der Bericht mit dem Bild stammt vom 25. Juli 2018, entstand also nach dem vermeintlichen Wolfsriss im Fassatal.

Der „Lebenslauf“ dieses Fotos hat es in sich:

Das Pferdefoto lässt sich nämlich noch weiter zurückverfolgen.

Seinen frühesten Internet-Auftritt hatte das arme Huftier nachweislich in einem Blogbeitrag vom 28. September 2017. Verfasst hat diesen Beitrag ein spanischer Bienenzüchterverband.

In dem Beitrag geht es um Hornissen, die eine klaffende Wunde eines angeblich in Galicien von Wölfen zerfleischten Pferdes noch weiter ausfressen. Aber auch in diesem ersten Beitrag fehlt ein Nachweis, woher das Bild denn nun wirklich stammt.

Mehr als eine Behauptung ist die Bildunterschrift dort auch nicht.

Belegen lässt sich also nur eines: Das Pferd wurde definitiv nicht im März 2018 in Fassa gerissen, wie in dem Bauernbund-Sonderheft „Der Wolf” behauptet wird.

Es wäre Aufgabe des Herausgebers gewesen, alle Bilder auf ihre Herkunft zu überprüfen. Hat er stattdessen vielleicht einfach das Material übernommen, das ihm von Interessensgruppen zugespielt wurde?

Ob ein Bild im Netz schon einmal verwendet wurde, lässt sich übrigens mit einer „Reverse Image”-Suche (beispielsweise über Google Images oder TinEye.com) leicht überprüfen. Besonders viel Schläue braucht es dafür nicht. Nur etwas Liebe zur Wahrheit.

Das ist aber noch nicht alles. Im Beiheft steht, dass die Bilder (bis auf die üblichen Agenturbilder) aus den eigenen Archiven stammen: „Alle Bilder, sofern nicht anders angegeben: ‚Dolomiten”-Archiv und Archiv L’Adige‘”.

Zumindest im Fall des verunglückten Pferdes dürfte die Originalquelle wohl nicht das „Dolomiten“-Archiv sein.

Besonders sorgfältig ist dieses Vorgehen nicht. Präzise Bildquellen, Nachweise und Zuordnungen fehlen beim Großteil der Bilder der Rubrik „Wolfsrisse”.

Martin W. Angler

Wurden die anderen Bilder auf Wahrheitsgehalt verifiziert? Oder wurde hier genauso schlampig gearbeitet wie beim Pferdebild?

Als Leser kann man es nicht wissen. Im Klartext heißt das: Die Bilder könnten von irgendwoher stammen. Aus irgendeinem Land und völlig aus dem Zusammenhang gerissen.

Es ist schlimm genug, dass jeder in den sozialen Medien virale Bilder und Geschichten verbreiten kann, die einer Überprüfung nicht standhalten.

Dass Interessengruppen das machen, ist klar.

Richtig schlimm wird es aber dann, wenn Journalisten und Publizisten gutgläubig genug sind, den Querulanten auf den Leim zu gehen. Damit machen sie eine ausgeglichene, demokratische Diskussion über echte Probleme unmöglich, und sie erweisen der Gesellschaft einen Bärendienst. Oder sollte ich Wolfsdienst sagen?

Bei so viel medialer Ausschlachtung wird sich das tote Pferd im Grabe umdrehen. Falls es denn tot ist. Und wo immer es auch sein mag.

* Martin W. Angler ist freier Wissenschaftsjournalist (NZZ, SPIEGEL Online, bild der
wissenschaft, etc.) und arbeitet an der Eurac Bozen.

 

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (29)

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  • morgenstern

    Die sprichwörtliche Bauernschläue stößt hier offensichtlich an ihre Grenzen.

  • andreas

    Die Südtiroler Presse ist, mit Ausnahme der SWZ, sowieso nicht wirklich ernst zu nehmen.
    Verlassen kann man sich eigentlich auf keinen.

  • bettina75

    Was mich interessieren würde:
    Wieviel kostet diese Wolfsbroschüre des Bauernbundes dem Steuerzahler?
    Wie hoch ist der Beitrag den die Südtiroler Landesregierung für diese Broschüre bereitgestellt hat?
    Finanzierung aus dem Topf der EU-Gelder?

  • sepp

    Die wölfe in südtirol sein woll die politiker schauts enk die bilder in stol on va welcher partei woas man woll do gibs um sonst zu essen und trinken für dei hungerleider wolf do verdreiben dei olle koan und von ihren gesetz dräumen dei olle lei wert ischs o.oo nix lei plappern dase die wahlschafe wieder wählen

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