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„Die Zeche zahlt der Kleine“

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Wenn Rom die Flat Tax einführt, muss sich das Land auf Mindereinnahmen von 300 Millionen Euro einstellen. Die Steuererleichterungen kommen vor allem den Reichen zugute.

von Matthias Kofler

Die Spinnen, die Römer“, sagt Stefan Perini. Das Arbeitsförderungsinstitut AFI hat die Flat Tax, die derzeit auf römischer Ebene diskutiert wird, genauer unter die Lupe genommen. Die drei zentralen Erkenntnisse von Perini und Co.: Erstens vergrößert die Flat Tax die Ungleichheit zwischen Arm und Reich, zweitens reißt sie große Löcher in den Landeshaushalt und drittens führt sie unmittelbar zu einem Haushalt-Defizitverfahren der EU gegen Italien – und damit unweigerlich zu einem Anstieg der Mehrwertsteuer.

Das aktuelle italienische Steuersystem gleiche Einkommensunterschiede deutlich aus, erklärt Perini. Der Hebel sind die progressiv ansteigenden Steuersätze, aber auch die Abzugs- und Freibeträge und die „No-Tax-Area“. Ohne jede Entlastung hätten die Südtiroler Steuerpflichtigen für das Steuerjahr 2017 über 2,6 Milliarden Euro an den Fiskus entrichten müssen. Unterm Strich sind es 2 Milliarden Euro netto geworden, eingezahlt von genau 330.476 Südtirolern.

Diesem ausgleichenden System droht nun Gefahr durch die „Flat Tax“. Wenn es nach der Regierungspartei Lega geht, soll für Einkommen von Familien unter 50.000 Euro künftig ein Steuersatz von 15 Prozent gelten. „Wird das entstehende Steuerloch durch die höhere Steuermoral und einsetzenden Wirtschaftsaufschwung überkompensiert werden, wie von der Regierung erwartet? Oder entpuppt sich die Flat Tax als umgekehrte Robin-Hood-Steuer, die den Reichen gibt und den Armen nimmt, wie Kritiker befürchten?“, fragt sich Perini.

Hintergrundinformationen dazu liefert eine Auswertung der Einkommenssteuerdaten des Wirtschaftsministeriums. Aus den Daten geht hervor, dass von den 423.272 Steuerpflichtigen im Steuerjahr 2017 nur 330.476 tatsächlich Steuerbeträge entrichtet haben. Die anderen konnten ihre Einkommen mit Steuerabsetz- und Steuerfreibeträgen verrechnen oder sie lagen in der so genannten „No-Tax-Area“. Insgesamt haben die Südtiroler Einkommenssteuerpflichtigen knapp 10,1 Milliarden Euro erklärt, aber dank der verschiedenen Steuerbefreiungen nur 2 Milliarden Euro netto an Einkommenssteuern entrichtet (durchschnittlich 6.110 € pro Kopf).

Im Steuerjahr 2017 kam jeder fünfte Südtiroler Steuerpflichtig in den Genuss von Freibeträgen im Gesamtwert von 420 Millionen Euro, was durchschnittlich 4.803 Euro pro Steuerzahler ausmacht. Die Freibeträge betrafen zu 79,0 Prozent Ausgaben für Vor- und Fürsorge und zu 16,7 Prozent die Zusatzrente. Einen bemerkenswerten Anteil von 5,8 Prozent an der Gesamtsumme der Freibeträge machen die Abzugsmöglichkeiten für den Erstwohnsitz aus – insgesamt 26,0 Millionen Euro. Davon profitierten 41.021 Steuerpflichtige. Fast alle Südtiroler Steuerpflichtigen (97,2 Prozent oder 411.390 Personen) konnten gesetzlich festgelegte Aufwendungen absetzen, was den Brutto-Steuer-Ertrag für den Fiskus um 732,4 Millionen Euro minderte. Die hauptsächlichen Abzugsposten betreffen zu 57,9 Prozent Einkommen aus unselbständiger Arbeit und Rente, zu 13,9 Prozent die zu Lasten lebenden Familienmitglieder.

„Auch wenn das italienische Steuersystem bei weitem nicht perfekt ist, wirkt es doch sozial ausgleichend. Die Flat-Tax wird die soziale Ungerechtigkeit enorm verschärfen. Weniger Steuern klingt zwar toll, doch wirkliche Vorteile werden nur die Reichen haben. Die Zeche zahlt am Ende der Normalverdiener“, sagt AFI-Präsident Dieter Mayr.

Ein Millionär zahlt derzeit Steuern von 350.000 Euro im Jahr. Mit einer 15-prozentigen Flat Tax würde er nur mehr 150.000 Euro an den Fiskus abgeben. Es sei nicht sicher, ob das gesparte Geld direkt in die Wirtschaft fließe, warnt Perini. Die Reichen könnten ihren „Gewinn“ genauso gut in die Schweiz transferieren.

Das Land hofft, sich mittels einer Neutralitätsklausel vor den Auswirkungen der Flat Tax schützen zu können. Allerdings wurde diese jüngst aus dem Wachstumsdekret der Regierung gestrichen. Ob die Klausel kommt, ist unklar. Da die genauen Parameter für die Flat Tax noch nicht vorlegen, gibt es auch keine detaillierten Berechnungen zu den Mindereinnahmen.

Lega-Chef Matteo Salvini erklärte jüngst, dass die Flat Tax den Staat 30 Milliarden Euro kosten würde. Südtirol macht etwa einen Prozent der italienischen Steuerzahler aus. Somit muss sich das Land, grob geschätzt, auf Mindereinnahmen von 300 Millionen Euro einstellen. Diese Löcher müssen freilich gestopft werden, und zwar durch Einsparungen in den großen Haushaltskapiteln wie Sanität, Bildung, Soziales. Dies belastet wiederum die unteren Schichten.

Gleiches gilt für den automatischen Anstieg der Mehrwertsteuer auf 25 Prozent in Folge des Haushalt-Defizitverfahrens. Zwar will die Regierung mit den Steuererleichterungen die Wirtschaft ankurbeln. Eine höhere Konsumsteuer würde jedoch den gegenteiligen Effekt haben.

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Kommentare (16)

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  • andreas

    Es ist allgemein bekannt, außer anscheinend in Rom, dass Steuererleichterungen nur bei den niedrigen Einkommen in den Konsum fließen und bei höheren Einkommen dies so gut wie keine Auswirkung auf das Konsumverhalten hat.
    Wer monatlich zusätzlich zu den 1.000 Euro noch 150 Euro mehr zur Verfügung hat, kauft sich des öfteren ein neues Paar Schuhe, Kleidung oder bessere Lebensmittel.
    Wer 4.000 Euro zur Verfügung hat, hat sich immer schon das gekauft, was er braucht bzw. möchte.

  • prof

    paulus, egal welcher Artikel,immer kommt er mit den gleichen Argument Chancengleichheit für die Gemeindeangestellten.
    Er selbst möchte eine Nebentätigkeit ausüben,ist er bei seiner Arbeit nicht ausgelastet? Er soll einen gemeinnützigen Verein beitreten ,dort ist er willkommen und darf arbeiten.

    • asterix

      @prof, ich kenne den Herrn ziemlich gut. Was er schreibt stimmt ja garnicht. Es gibt in der Gemeinde Brixen mindesten 10 – 15 Angestellte mit genehmigten Nebentätigkeiten. Ihm genehmigt man die Nebentätigkeit nicht. Anscheinend hat er sich mit den falschen Leuten angelegt. Er würde ja sooo gerne nebenher Bus fahren. Und weil die Tageszeitung sein Problem nicht veröffendlichen will, müllt er hier jeden Beitrag mit seinem Käse zu.

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