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Verweigerter Alk-Test

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Aufsehenerregendes Urteil am Landesgericht Belluno: Ein Mann aus dem Gadertal, der nach einem Autounfall den Alkoholtest verweigerte, wurde freigesprochen.

von Thomas Vikoler

Über die strenge italienische Gesetzgebung in Sachen Alkohol und Drogen am Steuer ist bereits heftig diskutiert worden. Aber bisher haben alle Paragraphen des Artikels 186 der Straßenverkehrsordnung einer Prüfung durch das Verfassungsgericht standgehalten. Insbesondere jene Bestimmung, welche die Beschlagnahme des Fahrzeugs vorsieht, wenn dessen Eigentümer mit einem Alkoholspiegel von über 1,5 Promille erwischt wurde.

Genau dies blühte einem 29-Jährigen aus dem Gadertal, der am 8. August 2016 mit seinem Wagen auf einer Almstraße oberhalb von San Vito di Cadore (Provinz Belluno) verunfallte. Sein Fahrzeug kam von der Straße ab und überschlug sich, der Mann zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu (Beckenbruch) und musste von der Feuerwehr mit hydraulischem Rettungsgerät aus dem Unfallauto befreit werden.

Die Carabinieri schreiben später ins Unfallprotokoll, dass sich der Verletzte partout geweigert hatte, sich einem Alkoholtest zu unterziehen.

In diesem Fall folgte, quasi automatisch, eine Strafanzeige wegen Verletzung des Artikels 186, Absatz 7.

Bei einer Weigerung des Fahrers geht das Gesetz davon aus, dass er mit mindestens 1,5 Promille unterwegs war. Das dafür vorgesehene Strafmaß: 1.500 bis 6.000 Euro Geldstrafe und eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zu einem Jahr. Dazu Führerscheinentzug von einem bis zwei Jahren und die erwähnte Beschlagnahme des Fahrzeugs.

Der Staatsanwalt im Prozess vor dem zuständigen Landesgericht Belluno gestand dem angeklagten Gadertaler allgemein mildernde Umstände zu. Sein Strafantrag lautete: 4.000 Euro Geldstrafe, neun Monate Haft und der Entzug des Führerscheins für eineinhalb Jahre.

Einzelrichter Domenico Riposati fällte hingegen ein Urteil, das nicht nur bei Juristen italienweit für Aufsehen sorgen wird: Er sprach den Angeklagten voll frei. Für den Richter hat es die Straftat zwar gegeben, er stufte sie aber nach Artikel 131bis als „geringfügig“ ein. „Tenuità del fatto“, nennt man das in der Fachsprache.

Seit dem Jahre 2000 gibt es eine Bestimmung in der Strafprozessordnung, welche es Richtern ermöglicht, Delikte als strafrechtlich nicht relevant einzustufen. Geschieht das, kommt es zu einem Freispruch. Die Regierung Renzi hat im März 2015 zwecks Entlastung der Gerichte ein Gesetzesdekret erlassen, das die Palette der als geringfügig einzustufenden Delikte erweitert. Fahren unter Alkoholeinfluss scheint dort allerdings nicht auf.

Dennoch ist der Unfalllenker aus dem Gadertal nun freigesprochen und es wird sich zeigen, ob das Urteil Präzedenzcharakter für andere Richter hat.

Selbst der niedergelassene Rechtsanwalt, Avogado Othmar Walde, der den Angeklagten im Prozess vor dem Landesgericht Belluno verteidigte, zeigte sich überrascht über den Freispruch.

Er selbst hatte einen Freispruch beantragt, allerdings aus anderen Gründen: Einmal wandte stellte er die Zurechnungsfähigkeit seines Mandanten zum Zeitpunkt seiner Weigerung in Zweifel. Wegen der schweren Verletzungen und der Schock-Situation nach dem Unfall habe jeglicher Vorsatz gefehlt, eine Straftat zu begehen. Zudem bestehe keine Straftat, weil sich der Unfall auf einer abgeschlossenen Privatstraße (Almweg) ereignet habe, wo die Straßenverkehrsordnung nicht greife. Andere Personen oder Fahrzeuge seien nicht in den Unfall involviert worden.

Einzelrichter Domenico Riposati ließ das alles nicht gelten, sondern sprach den Angeklagten kurzerhand frei. Das handschriftliche Urteil ist gerade eineinhalb Seiten lang.

 

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