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„Man muss mitmachen“

Hubert Dorigatti

Warum Hubert Dorigatti, als international angesehener Bluesmusiker, Streaming-Dienste wie Spotify kritisiert und wie die Musiklandschaft immer mehr zum Zahlenspiel wird.

Tageszeitung: Herr Dorigatti, welche Rolle spielt Spotify und dergleichen für Musiker heutzutage?

Hubert Dorigatti: Leider Gottes sind Spotify und sämtliche Streaming-Anbieter sehr wichtig in der Musikszene geworden. Es ist die einzige effiziente Möglichkeit noch Musik zu verbreiten. Ausgenommen man spielt Live und kann dabei, wie es ein Herbert Pixner zu tun pflegt, noch CDs oder Schallplatten verkaufen. Aber das Publikum stirbt aus, die Streams zählen. Die Nutzung dieser Anbieter ist unumgänglich. Man kann aber die Musik auch so schnell wie noch nie unters Volk bringen, das muss angerechnet werden.

Wie steht es um die Vergütung der Musiker?

Um auf Spotify veröffentlichen zu können muss in erster Linie ein sogenannter Distributor in Anspruch genommen werden, welcher auch um die zehn Prozent der Einnahmen einstreicht. Die Vergütung ist schlussendlich minimal, ich kann mir im Jahr von den Streams vielleicht etwas mehr als eine Pizza kaufen.

Was hat es mit der neuen Regelung auf sich, welche Spotify einführen will?

Im Grunde sieht diese vor, dass Songs von Künstlern unter 1.000 Streams nicht mehr für Auszahlungen berücksichtigt werden. Das Geld, das dabei generiert wird, wird auf die restlichen Musiker verteilt. Das ist brutal. Man muss sagen, dass die Rendite bei unter 1.000 Streams wahrlich gering sind, aber diese an andere Musiker weiterzugebend ist krass, besonders wenn man bedenkt, wie viele Musiker auf dieser Plattform unter diesem Richtwert sind.

Sie selbst sind leidenschaftlicher Blues-Musiker und waren erst kürzlich selbst in Nashville, der Wiege der Country-Musik. Wie wird Spotify in solch traditionsreichen Musikgenres wahrgenommen?

Mittlerweile nicht mehr viel anders, wie bei den restlichen Genres. Man muss mitmachen. Wenn man nicht gerade einen großen Namen, wie Neil Young hat, welcher aus Protest ausgestiegen ist, muss man mitspielen. Welche andere Möglichkeit bleibt uns denn.

Algorithmen spielen bei Spotify ebenso eine signifikante Rolle, wie auf Plattformen sozialer Medien. Es zählt kontinuierlich und viel zu veröffentlichen, was macht das mit der künstlerischen Freiheit und Kreativität?

Ich war wie gesagt erst in Nashville, ging dort zu den Produzenten und wollte ein Album machen. Mir wurde dann gleich zu verstehen gegeben, dass das heutzutage nicht mehr aktuell ist und ich einzelne Songs produzieren solle, um mehrmals veröffentlichen zu können oder zumindest vom Album einzelne Songs vorab oder anschließend zu veröffentlichen. Dabei muss man bemerken, dass es hier ja um Blues-Musik geht, einer wahrlichen Traditionsmusik. Darüber hinaus muss man noch auf die Songlänge achten, denn zu lange Lieder kommen sowieso nicht in Frage. Ich bin in dieser Hinsicht vom alten Schlag und das wirkte schon alles etwas eigenartig für mich.  Es beeinflusst klar die Kreativität und die Art Musik zu schaffen.

Mittlerweile haben Streams eine wesentlich größere Aussagekraft, wie nur über den Verdients eines Musikers, wie schätzen Sie das ein?

Ich habe am eigenen Leib erfahren, wie wichtig Streams für die allgemeine Wahrnehmung eines Musikers sind. Ich plane gerade meine Tour für nächsten Oktober, in welcher ich meine Musik, die ich in Nashville produziert habe, vorstelle. Von einem Veranstalter wurde mir, ohne meine Musik zuerst anzuhören gleich gesagt, dass es nicht passe, weil die Zahlen nicht stimmen würden. Damit meinte er die Zuhörerzahlen auf Spotify. Man wird meiner Meinung nach noch wesentlich mehr auf Zahlen reduziert, wie zu Zeiten in denen es nur physische Tonträgerverkäufe als einen vergleichbaren Richtwert gab.

Interview: Christian Frank

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