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„Extrem aufwändig“

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Die jüngste Reform des italienischen Scheidungsgesetzes soll Geld- und Zeitersparnis versprechen, doch die Scheidungsanwältin Ulrike Oberhammer befürchtet das Gegenteil.

von Christian Frank

Das Prädikat historisch wird dem jüngsten Beschluss des italienischen Kassationsgerichtes aus den Reihen der italienischen Anwaltschaft aufgedrückt. Diesem Beschluss zufolge wird der schnelle Scheidungsprozess nämlich Realität Zuvor hatte es diverse Auslegungen der Reform gegeben.

Bewerkstelligt wird das, indem Trennung und Scheidung zusammengelegt werden. Zuvor mussten für beide Instanzen getrennte Anträge gestellt werden, mit einem dazwischen zu verstreichenden Zeitraum von sechs Monaten. Der Beschluss wurde im Kontext der sogenannten Cartabia-Reform gefasst und in dieser Verfahrensweise bereits von Gerichten in beispielsweise Mailand oder Genua gehandhabt. Der Präsident der Vereinigung der Anwälte des Familienrechtes in Italien, Ettore Maria Gassani, spricht von einem Geld-, Zeit- und Energieersparnis für die sich scheidenden Parteien, denn durch diesen nun zusammengelegten, einmaligen Antrag von Trennung und Scheidung müssten sich die Parteien dementsprechend nur einmal treffen und auch die Anwaltskosten minimieren.

Die Präsidentin des Südtiroler Landesbeirates für Chancengleichheit für Frauen und Scheidungsanwältin Ulrike Oberhammer kann diese Euphorie nur bedingt teilen.

„Ich muss grundsätzlich sagen, dass es für mich nicht nachvollziehbar ist, warum diese Unterteilung in Trennung und Scheidung immer noch notwendig ist. Wenn schon von einer Vereinfachung die Rede ist, wäre es meines Erachtens sinnvoller gewesen einzuführen, dass es nur mehr die Scheidung allein gibt, so wie es in Deutschland der Fall ist. Es ist aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung“, merkt Oberhammer an.

Sie gibt zu bedenken, dass der Antrag auf Trennung und Scheidung nun zwar gemeinsam gestellt werden kann, es jedoch trotzdem zwei verschiedene Verfahren sind: „Es wird dennoch zuerst über die Trennung entschieden, das heißt vorerst ist nur dieses Verfahren im Gange und erst nach ungefähr acht Monaten wird das Verfahren zur Scheidung festgelegt. Dieses wird zwar durch diese Vereinfachung automatisch vom Gericht eingeleitet, aber es bedingt dennoch dieser längeren Zeitspanne und geschieht nicht in wenigen Monaten, wie man meinen möchte.“

Oberhammer erkennt zwar eine Vereinfachung im Falle einer einvernehmlichen Scheidung an, gibt jedoch ein vernichtendes Urteil im Falle einer nicht einvernehmlichen: „Wenn sowohl das Trennungsverfahren als auch das Scheidungsverfahren einvernehmlich geschehen, dann geht es nun natürlich wesentlich schneller. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, bin ich der Meinung, dass es vorher besser war. Es ist viel mehr Aufwand eine Trennung zu vollziehen wie zuvor. Die Cartabia-Reform ist im Familienrecht extrem aufwändig.“

Dies sei der Rechtsanwältin zufolge der neuen Handhabung geschuldet, welche im Falle nicht einvernehmlicher Scheidungen eine potentiell wesentlich höhere Anzahl an Schriftsätzen beziehungsweise anwaltlich verfassten Erklärungen mit sich bringen kann.

„Davor machte eine von beiden Parteien einen Rekurs, die andere Partei erklärte ihre Position und es kam zu Verhandlung.

Wenn dort keine Einigung erzielt wurde, traf der Richter eine provisorische Entscheidung und das Verfahren wurde fortgesetzt. Der Richter entschied dann über die Zulassung von Beweisen und Schriftsätzen“, erinnert sich Oberhammer.

Dieser Sachverhalt habe sich nun jedoch geändert: „ Es gibt viel mehr Zwischenschritte, wenn eine Partei einen Rekurs einreicht, müssen beide Parteien wieder Schriftsätze schreiben und auch die Zeugen müssen bereits zu diesem Zeitpunkt angegeben werden. Es ist nun also viel aufwändiger und es gibt viel mehr Streit bis es überhaupt zu der ersten Verhandlung kommt und man endlich an den Richter gelangt und von dem dann möglicherweise gesagt bekommt, dass gewisse Forderungen der sich streitenden Parteien nicht umsetzbar sind. Das heißt alles in allem gibt es mehr Schriftsätze, mehr Arbeiten und mehr Kosten.“

Demnach kann es bei nicht einvernehmlichen Trennungen laut Oberhammer anstelle von finanziellen und zeitlichen Erleichterungen zum exakt gegenteiligen Effekt kommen.

Wie es sich konkret zutragen wird, kann man den Prognosen Ulrike Oberhammers zufolge frühestens bei Verhandlungen im Januar oder Februar beobachten.

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