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„Wir brauchen Planbarkeit“

Wie geht es in Südtirols Hallenbädern weiter? Drohen nach Innichen und Sand in Taufers weitere Schließungen? Alfred Valentin über die Explosion der Energieosten, den übergemeindlichen Charakter von Bädern und ihre soziale Funktion.

TAGESZEITUNG: Herr Valentin, das Acquafun in Innichen ist bereits geschlossen, bald folgt die Cascade in Sand in Taufers. Was bedeutet dies für das Cron4 in Reischach?

Alfred Valentin: Südtirol hat mit den 14 öffentlichen Hallenbädern und Saunaanlagen ein ausgewogenes flächendeckendes, für jeden erreichbares und leistbares Angebot an Wasserspaß und Wellness. Für mich steht die Nützlichkeit für Jung und Alt außer Frage. Jede Unterstützung von Sport, Bewegung, aber auch Saunieren ist Teil einer guttuenden körperlichen, geistigen und gesellschaftlichen Entwicklung unserer Besucher und Bestandteil der gesundheitlichen Prävention. Wir müssen doch alle Anstrengungen unternehmen und Angebote schaffen, um die Bildschirmzeit auf Handy und Computer der Kinder und Jugendlichen, aber auch von uns Erwachsenen mit allen gefährlichen Auswirkungen zu reduzieren. Mit der Schließung einzelner Bäder wird der Zugang zu diesen Einrichtungen für viele Familien erschwert, nicht alle haben die Möglichkeit oder die Mittel, auszuweichen. Sollte es dabei bleiben, werden wir gemäß unseren Möglichkeiten das Angebot im Cron4 entsprechend anpassen.

Das Corn4 profitiert also auch von der Schließung der Konkurrenz…

Ja, ich könnte sagen: Gut so, bestens, wir sind ausgelastet. Darum geht es nicht, es geht nicht um den Kirchturm. Es geht darum, dass auch die Bevölkerung in den Tälern oder, wenn Sie so wollen, in der Peripherie, einen Anspruch auf leistbare und erreichbare Sport- und Freizeiteinrichtungen haben. Es ist für mich kaum zumutbar, dass eine Mutter regelmäßig mit ihrem Baby und ihren Kindern vom Oberpustertal oder aus dem hinterem Ahrntal nach Reischach zum Babyschwimmen fahren muss. Auch das sollte unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit gesehen werden.

Haben Sie in den vergangenen Wochen und Monaten auch schon einmal über eine Schließung des Cron4 nachgedacht?

Die Schließung von Cron4 stand nie zur Diskussion, weil wir vom Landeshauptmann ein klares Signal der Unterstützung verspürt haben und darauf vertrauen. Er hat von Anfang an klargestellt, dass die Unterstützung über den Weg der Gemeindenfinanzierung erfolgen wird. Alle Gemeinden wissen, dass die Gemeindenfinanzierung von Land und Gemeindenverband jedes Jahr im November oder Dezember auf den Weg gebracht wird. Durch die Einbindung in die Gemeindenfinanzierung haben wir den Vorteil, dass erstmals der gemeindeübergreifende Charakter der Hallenbäder zementiert wird, alle 116 Gemeinden solidarisch mitzahlen und die Standortgemeinden nicht mehr alleine dastehen.

Lassen sich die Mehrkosten durch die Teuerung für die Anlage in Reischach beziffern?

Die Mehrkosten an Energie betragen circa 600.000 Euro im Jahr 2022. Für das Jahr 2023 rechnen wir mit Mehrkosten von 800.000 Euro, die durch die aktuell fallenden Energiepreise und durch die laufenden Energie-Optimierungsmaßnahmen hoffentlich nach unten korrigiert werden können. Die Höhe der Förderung wird, so denke und hoffe ich, ausreichen.

Wie haben Sie diese Mehrkosten in den Griff bekommen?

Der Betrieb ist aufgrund der Rückendeckung der Gemeinde und der Stadtwerke für die Wintermonate und darüber hinaus gesichert. Natürlich ist die Betriebsleitung gefordert, das zur Verfügung stehende Budget einzuhalten. Wir betrachten die schwierige Situation als Auftrag, vieles in Frage zu stellen, nichts als gegeben zu betrachten und das Bewusstsein der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schärfen, dass sie mit öffentlichem Geld arbeiten. Wir diskutieren wöchentlich über Kosten, Optimierungen und Übergangslösungen. Wir dürfen dabei aber die Qualität und die Betriebsphilosophie nicht außen vor lassen. Eine Schließung kommt für uns dann sehr wohl in Frage, wenn alle anderen Optionen nicht ausreichen.

Gibt es einen neidischen Blick nach Meran?

Natürlich werden immer wieder auch Vergleiche mit der Therme Meran angestellt, die sich gerne im Hochglanz, stolz und in all ihrer Pracht präsentiert. Die Therme gehört zu einer landeseigenen Gesellschaft und ist deshalb gut gepolstert. Auf der anderen Seite haben wir Beispiele von kommunalen Bädern, die sich die Ersetzung eines defekten Klodeckels überlegen müssen. Das finde ich nicht in Ordnung. Wenn anerkannt ist, dass die Hallenbäder einen öffentlichen Dienst verrichten, muss es zumindest annähernd für alle eine Gleichbehandlung geben.

Das Land hat eine Geldspritze für Sportanlagen wie Hallenbäder zugesichert. Reicht dieses Geld?

Ich habe bereits im Februar im Namen des Cron4 den Landeshauptmann auf die sich zuspitzende Situation in den Hallenbädern aufmerksam gemacht. Es war mir von Anfang an klar, dass eine Förderung nur über eine befriedigende Lösung für alle Hallenbäder Südtirols in Frage kommt. Die folgenden Gespräche mit dem Landeshauptmann und dem Präsidenten des Südtiroler Gemeindenverbandes sind von Anfang an sehr positiv verlaufen. Ich bin gebeten worden, einen Vorschlag auszuarbeiten, den ich auch eingereicht habe. Die Förderung kommt. So wie es aussieht, wird sie unbürokratisch, nachvollziehbar und mehrjährig sein. Ob das Geld reicht, muss dann jede Gemeinde für sich entscheiden.

Zudem soll über die Ortstaxe ein zusätzlicher Teil der Finanzierung für die Hallenbäder gestemmt werden. Ist das die Lösung für die Zukunft?

Die örtlich zuständigen Tourismusorganisationen werden auf Wunsch des Landeshauptmanns in die Pflicht genommen. Das ist für mich nachvollziehbar.

Kommen diese finanziellen Zugeständnisse zu spät? Hat die Politik zu zögerlich reagiert?

Wir brauchen Planbarkeit, deshalb habe ich auf eine schnellere Lösung gedrängt. Die Energiekrise und die Explosion der Kosten haben viele Aspekte und Auswirkungen. Entsprechend war das Land anfänglich etwas zögerlich und wollte die weiteren Entwicklungen noch beobachten. Das Land musste wohl andere Prioritäten setzen und die staatlichen Hilfspakete prüfen. Es ist spät, ja, aber gerade noch rechtzeitig.

War es nicht möglich, in Absprache mit den anderen Hallenbadgemeinden eine Lösung zu finden, um Schließungen grundsätzlich zu vermeiden?

Jedes Hallenbad wusste und weiß, dass eine Landesförderung bevorsteht. Für die Beschaffung von Informationen gibt es für die Gemeinden und Betreiber auch eine Holschuld.

Können Sie nachvollziehen, dass Innichen und Sand in Taufers zusperren?

Vielleicht war die Schließung etwas voreilig, vielleicht hat die überraschende Schnelligkeit auch andere Gründe. Ich weiß es nicht. Wie gesagt: Ich finde die Schließung besonders schade, weil sie zwei wunderbare Strukturen betrifft. Die Hallenbäder haben in erster Linie einen öffentlichen, gemeindeübergreifenden und sozialen Auftrag für die örtliche Bevölkerung und in zweiter Linie auch einen wirtschaftlich, touristischen. Das sollte bei jeder Entscheidung der Leitfaden sein, für die Standortgemeinde, für die Tourismusorganisationen, für den Südtiroler Gemeindenverband und für das Land Südtirol. Wir sehen nun Land in Sicht. Die lange Diskussion über Sein oder nicht Sein sollte alle Bäder anspornen, noch besser zu werden und diesen öffentlichen Auftrag noch stärker zu erfüllen.

Interview: Silke Hinterwaldner

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (5)

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  • romy1988

    Sehr bedauerlich für viele ist die Schließung der Cascade von Sand in Taufers. Ich war bereits einige Male dort und habe immer ein sehr stark besuchtes Hallenbad vorgefunden, ebenso den Saunabereich. Ich hoffe für die Gemeinde auf eine Lösung im kommenden Frühjahr, denn eine so schöne und gleichzeitig wertvolle Struktur darf nicht für immer geschlossen bleiben.

  • andreas

    Als wäre es ein Problem für die Tourismusbetriebe, welche von diesen Strukturen profitieren, einen Beitrag zur Erhaltung zu leisten.
    Die paar Euros welche fehlen, haben sie in diesem Sommer um ein Vielfaches erwirtschaftet oder sonst sollen sie halt die Coronahilfen nehmen, welche so gut wie kein Betrieb eigentlich benötigt hat.

  • brutus

    Es ist nicht nur eine Frage der Hallenbäder oder der Sportstrukturen! Es ist eine Frage der laufenden Kosten von allen Gemeindestrukturen!! Diee sind sind in den letzten Jahren (Schulen, Kindergärten, Vereinshäuser, Feuerwehrhallen usw.) derart gestiegen, das fast kein Geld für neue Investitionen übrigbleibt.
    Es muss ein Umdenken stattfinden:
    Die bestehenden Strukturen sind energetisch anzupassen und nicht neue dazu bauen, die wiederum Kosten verursachen!

  • huggy

    Cron4 ohne Solepool ist nicht viel wert.
    Der wird dann wohl erst wieder geöffnet wenn die zahlenden Touristen kommen.
    Die Bürger mit Zeit-, Punktekarten sind nicht so wichtig .

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