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Stillstehende Busse

Foto: lpa

Der zunehmende Busfahrer-Mangel könnte den Nahverkehr langfristig einschränken. Gewerkschafter bezweifeln, dass es im Herbst wieder normale Fahrpläne geben kann.

von Heinrich Schwarz

Der öffentliche Nahverkehr in Südtirol hat turbulente Jahre hinter sich. Mit dem Einstieg von Ingemar Gatterer in die SAD 2016 begann ein beispielloser Konflikt mit dem Land. Gleichzeitig wurden Kosten eingespart, wo es nur geht. Das ging zu Lasten der Busfahrer, die zunehmend schlechte Arbeitsbedingungen mit langen Dienstspannen und bei geringer Bezahlung beklagten.

Es gab über die letzten Jahre eine große Kündigungswelle von einheimischen Fahrern. Waren früher nahezu alle Busfahrer einheimisch, trifft man inzwischen zumeist auswärtige Chauffeure an. Die Folge: fehlende Sprachkenntnisse und fehlende Ortskunde.

Das Land glaubte, mit der Neuordnung des öffentlichen Nahverkehrs würde alles besser. Auch weil die SAD jetzt keine Busdienste mehr betreibt. Zwar haben die öffentlich ausgetragenen Streitigkeiten aufgehört, aber die Busdienste an sich haben sich nicht verbessert.

Im Gegenteil: Zuletzt mussten sogar die Fahrpläne angepasst und verschiedene Fahrten gestrichen werden. Zuvor fielen zum Ärger der Fahrgäste immer wieder Busse aus.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die SASA, eine Inhouse-Gesellschaft des Landes. War sie früher nur für Stadtbusdienste in Meran, Bozen und Leifers zuständig, betreibt sie heute auch zahlreiche außerstädtische Buslinien, die von den Städten aus in die Landgemeinden führen. Die Dienste der SASA haben sich verdoppelt.

Man sollte meinen, dass eine Landesgesellschaft eine zuverlässigere Arbeit leistet. Doch die Klagen sind groß: Busse, die nicht halten, sich verspäten, gar nicht kommen oder falsche Fahrtzielanzeigen haben.

Ist die SASA mit den zusätzlichen Aufgaben, die auf sie zugekommen sind, überfordert?

Hans Joachim Dalsass glaubt nicht. Der Transportgewerkschafter des ASGB sagt zwar, dass die SASA vielleicht am Beginn der Ausweitung auf die außerstädtischen Busdienste ein paar organisatorische Probleme hatte, mit denen man vorab nicht gerechnet habe. Ansonsten sei die Organisation aber weniger das Problem.

Das Grundproblem sei der Busfahrermangel. Das betont auch Anita Perkmann von der Gewerkschaft AGB-CGIL. Schuld an der Lage seien die schlechten Arbeitsbedingungen und die niedrige Bezahlung.

Dabei scheint das Ganze ein Teufelskreis zu sein: Weil ständig Busfahrer kündigen, müssen die verbliebenen Chauffeure noch längere Dienstspannen auf sich nehmen, um den Dienst aufrechtzuerhalten. Das führt wiederum zu Motivationsverlust und weiteren Kündigungen.

Perkmann und Dalsass unterstreichen, dass das nicht nur die SASA betrifft, sondern alle Busunternehmen im öffentlichen Nahverkehr. Sie berichten auch von ständigem Jobwechsel: Biete eine Busfirma bessere Bedingungen, wechsle ein Busfahrer dorthin. „Das kann es aber auch nicht sein, weil so keine Bindung zu einem Betrieb aufgebaut werden kann“, meint Hans Joachim Dalsass.

Anita Perkmann merkt zudem an: „Finden die Fahrer nirgends gute Bedingungen, kündigen sie halt.“

Damit zusammenhängend verweist die Gewerkschafterin auch auf die Wohnungsnot und die hohen Lebenshaltungskosten. In den letzten Jahren seien Dienste durch auswärtige Busfahrer etwa aus Süditalien abgedeckt worden: „Sie haben ein halbes oder ein Jahr hier gearbeitet, aber weil sie keine erschwinglichen Übernachtungsmöglichkeiten gefunden haben, blieb ihnen kein Geld übrig, das sie ihren Familien schicken können. Also sind viele wieder gegangen.“

Bei der SASA laufen seit einiger Zeit Verhandlungen. Ein Übergangsvertrag mit leichten Verbesserungen wurde bei einer Abstimmung von der Mehrheit der Mitarbeiter abgelehnt. Die Gewerkschaften hoffen, dass die Verhandlungen in Richtung Herbst erfolgreicher sind.

„Wir arbeiten mit viel Mühe an einem Zusatzabkommen mit der SASA, sind aber nicht weit gekommen“, beschreibt Anita Perkmann die Lage.

Für Hans Joachim Dalsass wäre es besser, sich inklusive dem Land mit allen Busunternehmen an einen Tisch zu setzen, um einen gescheiten Landestarifvertrag auszuhandeln, der für alle gilt.

Zentral seien deutlich höhere Löhne, um den Beruf wieder attraktiver zu machen. Nur mit mehr Personal lasse sich das Problem der langen Dienstspannen lösen. „Solange die Betriebe unterbesetzt sind, sind keine Verbesserungen bei den Turnussen möglich. Derzeit arbeitet man mit Überstunden, wobei zusätzliche freie Tage oder ein Ausgleich der Überstunden nicht möglich sind“, schildert Perkmann die problematische Lage.

Sie fordert auch günstige Wohnungen oder Arbeiterheime für auswärtige Busfahrer. Und wenn man wieder einheimisches Personal finden will, müsse man über eine 5-Tage-Woche nachdenken sowie den Führerschein bezahlen. „Ein junger Mensch investiert nicht 3.000 bis 4.000 Euro, um dann sechs Tage in der Woche, ohne freie Wochenenden, bei langen Dienstspannen und niedriger Entlohnung zu arbeiten“, betont Perkmann.

Hans Joachim Dalsass sagt, dass man primär nicht nach auswärtigen Busfahrern suchen soll, sondern die Bedingungen so gestalten, dass Einheimische wieder Interesse daran haben, Busfahrer zu werden. Nur so löse sich das Problem der Sprachkenntnisse und Ortskunde.

Beide Gewerkschafter halten es für unrealistisch, dass die Fahrpläne im Herbst wieder normalisiert werden können, wie es Land und SASA vermittelt haben. Man werde kaum eine größere Anzahl an Busfahrern finden. Zudem stehen mit September wieder die zahlreichen Schülerfahrten an.

Anita Perkmanns grundlegende Analyse: „Man hat den richtigen Zeitpunkt verpasst, um die aktuelle Situation zu verhindern. Man hätte handeln müssen, als die Kündigungen von einheimischen Chauffeuren begannen. Aber die Kündigungen kamen den Busunternehmen damals sogar entgegen, weil sie daran verdient haben, neue Busfahrer in niedrigeren Gehaltskategorien anzustellen.“

Auffallend ist derzeit auch, dass in den Bussen kaum noch die Tickets kontrolliert werden. „Es wundert mich nicht, dass auch Kontrolleure fehlen. Denn primär braucht es Busfahrer“, meint Hans Joachim Dalsass.

Er schlägt grundsätzlich vor, dass derjenige die Kontrollen übernehmen soll, der auch die Ticketeinnahmen kassiert. Also das Land anstelle der Betreiber der Buslinien.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (12)

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  • hoihoi

    Monche Fohrer müssen sich mit gefeakten Fohrscheinen bzw. keinen und nur kassieren , + bissl an Diesel a zu Brot verdienen , bei de longen Turnuse konsch kuner zweiten Orbeit noch gihn , wenn Wohnung zu zohln und Familie erholten muß !!

  • tirolersepp

    Endlich werden Busse eingesetzt wo sie wirklich gebraucht werden !!!

    Das umhergegondle für die Kotz muss aufhören!!!

    • hallihallo

      da kann ich dir nur recht geben. das in jedes viertel leere , bzw busse mit 2 personen fahren müssen und die politik meint, etwas nachhaltiges zu machen, daß kann es nicht sein. die meisten citybusse sind reine geldverschwendung und die busse die stündlich nach lüsen , usw fahren auch.

  • hallihallo

    bin kein freund gatterers, aber anscheinend war er doch nicht so schlecht 🙂
    auf jeden fall ist der busdienst seit heuer wesentlich schlechter und wir sollen den gästen sagen , sie sollen die busse nutzen, äh , an der bushaltestelle auf den bus warten.

  • tirolersepp

    Arbeitnehmer/innen wehrt euch, Löhne unter 2000 Euro im Monat sind Hungerlöhne !!

    Gute Arbeit guter Lohn !

    Passt der Lohn nicht, sofort kündigen – Arbeit gibt’s wie Sand am Meer !

  • exodus

    @tirolersepp Leider sind in Südtirol Großteil der Löhne unter 2.000,00€,
    natürlich NETTO! Nachdem es laut Ihrer Aussage Arbeit wie Sand am Meer gibt, fragt sich aber welche, würde ich Sie fragen, welche Arbeit über 2.000,00€ Sie anzubieten haben?………

  • tirolersepp

    Frag mal deinen Arbeitgeber, höherer Lohn, Mittagessen und Dienstauto inklusive und Vereinbarkeit von Familie und Beruf !

    Du wirst staunen – bloß fragen musst du schon selbst !

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