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„Nur die nächsten Wochen überstehen“

Covid-Einsatzleiter Marc Kaufmann zeigt sich zum Verlauf der Omikron-Welle trotz Personalmangels in den Spitälern vorsichtig optimistisch.

Tageszeitung: Herr Kaufmann, haben wir den Höhepunkt der Omikron-Welle bereits erreicht?

Marc Kaufmann: Das ist zumindest die Hoffnung, die ganz Mitteleuropa derzeit teilt. Man muss allerdings berücksichtigen, dass es eine große Dunkelziffer an Positiven bei solch hohen Infektionszahlen gibt. Experten rechnen mit 50 Prozent oder sogar noch mehr. Wir müssen also noch etwas Geduld haben. Die nächsten wenigen Wochen werden Klarheit bringen, ob es tatsächlich der Höhepunkt war oder ob es in dem bisherigen Tempo weiter geht.

In Südtirol hat es trotz der hohen Infektionszahlen keinen Anstieg auf den Intensivstationen gegeben. Müssen wir uns auf einen solchen noch einstellen?

Auch das korreliert sehr gut mit den Informationen, die aus den deutschsprachigen Nachbarländern kommen. Wir hatten erst vor kurzem ein Treffen der internationalen Covid-Expertenkommission, in der unter anderem auch Schweizer und österreichische Fachleute vertreten sind. Die Schweiz ist uns in dieser Welle zeitlich etwas voraus, ähnlich ist es in Österreich. Aus beiden Ländern wurde berichtet, dass der Druck auf den Normalstationen zwar etwas angestiegen ist, auf den Intensivstationen gibt es dagegen eine deutliche Stabilisierung, mit aller Vorsicht könnte man auch von einem rückläufigen Trend sprechen. Südtirols Entwicklung deckt sich mit diesen Beobachtungen. Dennoch würde ich noch warten, da es derzeit einen täglichen Zulauf in den Notaufnahmen und in der Folge auch auf den Normalstationen gibt. In allen vorhergegangenen Wellen war es so, dass mit einer Verzögerung von einigen Wochen der eine oder andere Patient doch intensivmedizinisch behandelt werden musste. Man muss deshalb wirklich abwarten, bevor man eine vorsichtige Entwarnung geben darf.

Auch auf den Normalstationen ist der Höhepunkt also nicht erreicht?

In dieser Omikron-Welle haben wir einen sehr schnellen Wechsel zwischen Aufnahmen und Entlassungen auf den Normalstationen der Krankenhäuser und in den konventionierten Privatkliniken. Viele Patienten, die Covid nur als Nebenbefund haben oder Geimpfte, die aufgrund ihrer Vorerkrankungen trotzdem eine gewisse medizinische Betreuung in Anspruch nehmen müssen, können häufig innerhalb weniger Tage wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden. Der Zustrom und der Ablauf sind also in einem gewissen Gleichgewicht, auch wenn wir in den letzten Tagen einen leichten Trend hin zu einer vermehrten Hospitalisation verzeichnet haben.

Heißt das, dass für die Krankenhäuser unter den derzeitigen Bedingungen keine Gefahr einer Überlastung besteht?

Das darf man so nicht sehen. Aufgrund der Informationen aus der Schweiz und aus Österreich, sowie der eigenen Beobachtungen der letzten Tage, kann man vorsichtig schließen, dass es höchstwahrscheinlich zu keiner Überlastung der Intensivbereiche kommen wird. Dies gilt aber nicht zwangsweise auch für die Normalstationen oder gar Krankenhäuser. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich nichts an der aktuellen Situation der Omikron-Welle ändert. Bei dieser rasenden Verbreitung des Virus besteht nämlich immer ein gewisses Potenzial, dass es zu einer neuen Mutation kommt, die unter Umständen einen Selektionsvorteil hat. Dann wäre wieder alles offen. Bei allem Optimismus gibt es also auch berechtigte Sorgen.

Zu sicher sollte man sich also nicht sein?

Nein, auf keinen Fall. Ich denke, wir müssen – wie die gesamte Pandemie über – Schritt für Schritt gehen. Momentan gibt es Hinweise dafür, dass die Welle günstiger verläuft, als ursprünglich prognostiziert, aber die vermutlich fehlende Intensivüberlastung bedeutet noch lange nicht, dass die Krankenhäuser nicht extrem belastet sind. Man darf nicht vergessen, dass derzeit fast 200 Personen in Privatkliniken oder Krankenhäusern untergebracht sind. Das ist eine immense medizinische Leistung, die erbracht werden muss und hat zur Folge, dass andere medizinische Leistungen an Nicht-Covid-Patienten, wie nicht dringliche Fachvisiten, Vorsorgeuntersuchungen oder elektive operative Eingriffe, nicht jeder Zeit durchgeführt werden können.

Wie würden Sie die Situation in den Krankenhäusern derzeit beschreiben?

Es ist auf jeden Fall eine schwierige Situation. Auf der einen Seite müssen wir rund 200 Covid-Patienten betreuen, auf der anderen Seite müssen wir einen Normalbetrieb weitestgehend gewährleisten. Zudem spiegeln sich die hohen Infektionszahlen auch bei den Mitarbeitern in den Krankenhäusern wider. Derzeit sind rund 350 Mitarbeiter in den Krankenhäusern in Quarantäne, alleine am Zentralkrankenhaus in Bozen sind es etwa 100. Das ist zwar gerade noch verkraftbar, mit dem zusätzlichen Aufwand für Covid-Patienten, den Suspendierten und nun den vielen Personen in Quarantäne, kommt für die Mitarbeiter sehr viel zusammen. Es ist wirklich außerordentlich, was derzeit geleistet wird.

Einige Experten sprechen dennoch bereits von einer endemischen Phase, auf die wir zugehen. Ist das in Südtirol nicht der Fall?

Endemisch heißt ja nicht zwangsläufig gut. Endemisch heißt nur, dass das Virus dauerhaft hier sein wird. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass es das Virus für lange Zeit oder sogar immer geben wird. Mit Beginn der Pandemie gab es immer wieder Aussagen, dass z.B. nach dem Winter oder nach der Impfung die Pandemie vorbei sein wird. Das wird aber leider nicht der Fall sein. Das Virus wird also endemisch werden, aber das alleine ist noch kein Garant für eine gute Situation. Die Bevölkerung muss genauso wie die Mitarbeiter in den Krankenhäusern lernen, mit dem Virus zu leben. Man wird sich bereits jetzt überlegen müssen, welche Vorbereitungen für den kommenden Winter getroffen werden müssen, denn auch dann wird es wieder Corona-Infektionen geben. Es ist eine trügerische Hoffnung, wenn man meint, mit der Endemie wird uns das Virus nicht mehr beschäftigen. Sehr positiv ist allerdings, dass ein Großteil der Bevölkerung in Mitteleuropa durch die Impfung oder durch eine Infektion mittlerweile eine Immunisierung erreicht hat.

Sehen Sie die Möglichkeit gegeben, in den kommenden Wochen die Maßnahmen zu lockern?

Ich denke, es hängt alles davon ab, wie sich die Situation in den nächsten zwei bis vier Wochen entwickeln wird. Wenn sich herausstellt, dass die Welle durch das Land gezogen ist und sehr viele infiziert worden sind, sich in den Krankenhäusern aber trotzdem eine gewisse Stabilität einstellt, dann glaube ich, dass wir grundsätzlich positiv Richtung Frühling schauen können. Voraussetzung dafür bleibt aber, dass es keine Wende im Spiel gibt.

Interview: Markus Rufin

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (35)

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  • nochasupergscheiter

    Ja nichts lockern weil sonst verlieren die impfärzte, die auf ihren hypokratischen Eid pfeifen die 10000 Euro extra im Monat, gleich wie Kaufmann seine fette Prämie….

  • sigo70

    „mit dem zusätzlichen Aufwand für Covid-Patienten, den Suspendierten und nun den vielen Personen in Quarantäne“ diese Probleme sind hausgemacht und beruhen auf politischen Entscheidungen.
    Probleme in der Sanität gab es bereits vor der Pandemie und wenn wir jetzt warten bis diese jetzt auch ganz verschwinden, wird in 10 Jahren kein Ende in Sicht sein.

    • esmeralda

      @sigo70, natürlich passieren Fehler, aber im Großen und Ganzen können wir froh sein, so ein gutes Sanitätssystem zu haben. Sie können ja gern einmal in die angelsächsischen Länder blicken. Dort muss man eine sehr dicke Brieftasche haben. Doch das ist Ihnen einfach gar nicht bewusst.

  • nochasupergscheiter

    Das hat nichts mit Neid zu tun das ist eine ethisch nicht korrekte Entwicklung…. Den Neid und die Missgunst haben wohl eher sie!

  • tirolersepp

    Weniger mailen, alle wieder zurück zur Arbeit !!!

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