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Die Anklage

Benno Neumair (Foto: FB)

Die Ermittlung der Staatsanwaltschaft Bozen gegen Benno Neumair wegen des Doppelmordes an seinen Eltern wird in Kürze abgeschlossen, die Verteidigung will ein verkürztes Verfahren beantragen.

von Thomas Vikoler

In diesen Tagen feilen die ermittelnden Staatsanwälte an den letzten Details, in wenigen Tagen soll die Ermittlung zu einem der spektakulärsten Mordfälle der Südtiroler Kriminalgeschichte aber abgeschlossen sein: Der Fall Laura Perselli und Peter Neumair, das Bozner Rentnerehepaar, das Anfang Jänner zunächst als abgängig gemeldet worden war.

Bis sich die Hinweise mehrten, dass es Opfer eines Gewaltverbrechens wurde.

Ende Jänner legte der bald nach dem Verschwinden der Eltern ins Visier der Ermittler geratene Sohn Benno Neumair ein Geständnis ab: Er hat demnach zunächst seinen Vater in der gemeinsamen Wohnung in der Runkelsteinerstraße in Bozen mit einem Kletterseil erwürgt, dann, in erheblichem zeitlichen Abstand, seine heimkehrende Mutter.

Aussagen, welche die Ermittler in den vergangenen Monaten auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft haben, dazu gab es mehrere Beweissicherungsverfahren zur Spurensicherung und der Schuldfähigkeit des Geständigen.

In wenigen Tagen werden Flavio Moccia und Angelo Polo, die Anwälte des in U-Haft im Bozner Gefängnis einsitzenden 30-Jährigen, die formelle Mitteilung über den Abschluss der Ermittlungen zugestellt bekommen. Daraufhin haben sie 20 Tage Zeit etwaige Einwände oder Ergebnisse von Defensivermittlungen vorzubringen.

Doch dies wird angesichts der eindeutigen Beweislage und des Geständnisses nicht der Fall sein.

Der nächste Schritt ist dann die formelle Anklage und die Festlegung einer Vorverhandlung. Wegen der langwierigen Nachermittlungen ist der Termin für ein Sofort-Verfahren vor einem Schwurgericht bereits verstrichen.

Fest steht, dass die Staatsanwaltschaft Benno Neumair einen erschwerten zweifachen Mord, begangen in Tateinheit, sowie Leichenbeseitigung in beiden Fällen vorwerfen wird. Laut der glaubwürdigen Schilderung des Geständigen wurden Laura Perselli und Peter Neumair am Tag des Mordes (4. Jänner 2021) von ihm von der Brücke zur Frizzi Au in die Etsch geworfen. Beide Leichen sind später nach aufwändigen Suchaktionen geborgen worden.

Gemäß Strafprozessordnung steht auf beide Morde eine lebenslängliche Haftstrafe, dies allein aufgrund der Tatsache, dass die Opfer die eigenen Eltern sind. Ein erschwerender Umstand, der sich nicht leugnen lässt.

Anders ist die Sachlage zu einem zweiten potentiellen erschwerenden Umstand, der ebenfalls eine lebenslängliche Haftstrafe mit sich brächte: Der Vorbedacht, also die Planung der Tat.

Die Staatsanwaltschaft wird ihn gegen Neumair voraussichtlich wegen beider Morde geltend machen, die Verteidigung bestreitet in beiden Fällen einen Vorbedacht und spricht von Impulshandlungen.

Ihre Strategie für den weiteren Verlauf des Verfahrens ist aber mehr oder weniger vorgegeben: Bei der Vorverhandlung, die möglicherweise noch in diesem Jahr stattfinden wird, werden Moccia und Polo für ihren Mandanten ein verkürztes Verfahren beantragen. Dies aus dem einfachen Grund, dass bei dessen Zugeständnis durch einen Richter Neumair ein Drittel Strafnachlass sicher wäre.

Peter Neumair und Laura Persella (Foto-Screen: Chi l’ha visto)

Allerdings ist das verkürzte Verfahren bei Morden mit Aussicht auf eine lebenslängliche Haftstrafe nicht (mehr) möglich. Der Aufhänger für den Antrag der Neumair-Verteidigung ist das psychiatrische Gutachten mit dem zwiespältigen Ergebnis: Für die Amtsgutachter war der Mathematik-Aushilfslehrer  beim Mord an dem Vater teilweise unzurechnungsfähig, beim Mord an die Mutter hingegen voll zurechnungsfähig.

Bei einer teilweisen Unzurechnungsfähigkeit kann das Gericht eine Strafreduzierung bis zu einem Drittel zugestehen, was eine nicht lebenslängliche Haftstrafe zumindest zu einem Mord der beiden Morde mit sich brächte.

Ein weiterer Aufhänger: Für die Sachverständigen der Verteidigung war Benno Neumair zum Zeitpunkt beider Morde beschränkt schuldfähig.

Insgesamt eine juristisch komplexe Angelegenheit, um die es bei der Vorverhandlung vornehmlich gehen wird.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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