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Der Lockdown-Vergleich

Die Bilanz des Corona-Managements der Landesregierung fällt ernüchternd aus: Keine Region Italiens verharrte so lange in der roten Zone und im harten Lockdown wie Südtirol.

Von Matthias Kofler

Das Licht am Ende des Tunnels wird von Tag zu Tag heller: Italienweit gehen die Corona-Neuinfektionen zurück, die Zahl der Todesfälle ist so niedrig wie seit Herbst nicht mehr. Gleichzeitig schreiten die Impfungen im schnellen Tempo voran. Die Verantwortungsträger bekommen also eine Verschnaufpause, in der sie die vergangenen Monate aufarbeiten und eine Zwischenbilanz ziehen können.

Auch die Südtiroler Landesregierung wird sich in den Sommermonaten zusammensetzen und die Entscheidungen und vermeintlichen Fehlentscheidungen des vergangenen Corona-Halbjahrs Revue passieren lassen, um gut gerüstet in den Herbst starten zu können. Dies ist dringend angebracht, denn die Zahlen und Fakten zeichnen ein eher ernüchterndes Bild: Keine Region oder Autonome Provinz des Stiefelstaates verharrte seit Einführung des Ampelsystems am 6. November 2020 länger in der roten Zone als Südtirol: nämlich gute drei Monate. Das heißt: Nirgends war der Lockdown so schleppend und so hart wie hierzulande.

Es zeigt sich, dass die autonomen Entscheidungen von Arno Kompatscher und Co. nicht oder nur in sehr beschränktem Maße dazu beigetragen haben, die Pandemie besser zu managen als Länder mit ähnlichen Voraussetzungen. Weder die öffentliche Infragestellung der römischen Einstufungskriterien noch der Massentest, die Testpflicht in den Sperrgemeinden, die Nasenflügeltests an den Schulen oder der Corona-Pass haben sich in der Nachbetrachtung als erfolgreich genug erwiesen, dass sie von anderen Regionen nachgeahmt worden wären. Einige der Südtiroler Maßnahmen könnten – rückblickend betrachtet – sogar den gegenteiligen Effekt gehabt haben, weil sie den BürgerInnen das Gefühl falscher Sicherheit vermittelt haben. Beispielsweise öffnete die Landesregierung nach den Massentests am 4. Dezember im Hauruckverfahren die Gastronomiebetriebe, obwohl das Land vom Staat noch als orange Zone geführt wurde. Nach den Weihnachtsfeiertagen ging die Exekutive sogar einen Schritt weiter und erklärte sich selbst zur gelben Zone, nachdem Rom die Ampel auf Rot umgeschaltet hatte. Schulen, Geschäfte und Restaurants gingen ohne begleitende Sicherheitsvorkehrungen auf. Binnen kürzester Zeit schlitterte Südtirol in den nächsten Lockdown, der knappe zwei Monate dauern sollte.

Aus Sicht des römischen Gesundheitsministeriums war Südtirol – inklusive der 13 Weihnachtsfeiertage, in denen ganz Italien im Lockdown war – für insgesamt 90 Tage rote Zone. Dort gelten die weitreichendsten Einschränkungen: Der Detailhandel und die Gastronomiebetriebe müssen schließen, die BürgerInnen dürfen ihre Wohnung nur aus triftigen Gründen verlassen. Bei der ersten Einstufung Anfang November schlüpfte Südtirol noch durch und wurde zur gelben Zone erklärt. Die Landesregierung entschied aber ihrerseits, in Südtirol einen Monat lang die Regeln für die rote Zone anzuwenden. Im November wurden auch die Friseursalons und einige Detailhandelsgeschäfte geschlossen, die in den staatlichen roten Zonen hätten weiterarbeiten können.

Im Zeitraum vom 4. November 2020 bis zum 31. Mai 2021 galten in Südtirol (auf Verordnung des LH) für insgesamt 81 Tage die Regeln der roten Zone, sprich: der harte Lockdown.

Zum Vergleich: Am zweithärtesten traf es das Aostatal mit 76 Tagen in der roten Zone, wobei die dortige Regionalregierung über den Jahreswechsel einen Sonderweg fuhr und mehr Öffnungen zuließ. Schlecht abgeschnitten haben auch Kampanien (76 Tage rot) und die Lombardei (71 Tage rot).

Die kürzeste Zeit in der roten Zone verbrachten die Regionen Ligurien und Umbrien, nämlich nur die 13 Tage über Weihnachten. Es folgen die Basilikata, Sizilien und Latium mit jeweils 28 Tagen.

Besser schaut Südtirols Bilanz aus, wenn man ausschließlich die Tage in der gelben Zone betrachtet. Dort dürfen neben den Geschäften auch die Bars und Restaurants offen halten. Auch ist es möglich, ohne nachweislichen Grund die eigene Gemeinde zu verlassen. Aus der Sicht des Staates wies Südtirol 49 Tage lang die Voraussetzungen für die gelbe Zone auf. Das ist der italienweit niedrigste Wert – noch hinter dem Aostatal (63 Tage), den Abruzzen (60 Tage) und Apulien (57 Tage).

Der Sonderweg hatte aber auch seine Sonnenseite: Dank der autonomen Verordnungen des LH kamen die Südtiroler Gastronomiebetriebe weitaus glimpflicher davon – sie durften seit November an exakt 87 Tagen offen halten. Mit diesem Wert landet die Autonome Provinz im Mittelfeld des Rankings. Am längsten gelbe Zone waren Friaul-Julisch Venetien (133 Tage), Latium (132 Tage) und Molise (125). In der Nachbarprovinz Trentino durften die Bars und Restaurants an insgesamt 118 Tagen öffnen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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