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Status Quo in Gröden

Status Quo in St. Ulrich: Mehrere Trucks aus Großbritannien rollten an und Techniker besichtigten mit einem fragenden Blick das Eisstadion: „Da sollen wir spielen?“

Vor 40 Jahren haben Franz Heel, Ewald Brunner und Walter Eschgfäller als blutige Anfänger im Konzertzirkus Ungeheuerliches gewagt und die englische Rockgruppe Status Quo nach Gröden gebracht und damit eine über 40 Jahre dauernde Karriere als Veranstalter eingeleitet. 6000 Rockfans aus allen Landesteilen erlebten ein Mega-Spektakel in St. Ulrich.

22. April 1981

Es war ein schöner, aber nach dem Kälteeinbruch über Ostern ein recht kühler Tag. Ab Osterdienstag, also einen Tag vor dem Konzert, war im Eisstadion von St. Ulrich die Hölle los. Mehrere Trucks aus Großbritannien rollten an und Techniker besichtigten mit einem fragenden Blick das Eisstadion: „Da sollen wir spielen?“

Die gesamte Eisfläche war bereits mit Plastikfolien und Holzpanelen aus der Sporthalle Brixen abgedeckt, denn die Hockeysaison des Hockeyclubs Gröden war noch im vollen Gange und man wollte die Leute nicht auf der Eisfläche „erfrieren“ lassen.

In der Folge wurden die aus Oberitalien angelieferten Podeste für die Bühne aufgestellt. Eine extrem mühsame Arbeit damals. Heute ginge das wesentlich schneller und weniger anstrengend vor sich. Generell haben sich die Aufbauarbeiten heute für ein Konzert, im Vergleich zu damals, vereinfacht, obwohl heute viel mehr Technik im Spiel ist.

Status Quo: Der Band genügten für ihre jahrzehntelang währende Karriere „ganze drei Akkorde“.

Mittwoch, 22. April 1981: der Konzerttag. Um 7 Uhr früh übernahmen die Techniker von Status Quo die Kontrolle bzw. die Arbeit im Stadion.

Walter Eschgfäller und Giorgio Moroder

Die „Stagehands“, wie man die örtlichen Mitarbeiter bei Veranstaltungen bezeichnet, waren damit beschäftigt, die technischen Geräte, Boxen, Verstärker, Scheinwerfer und Mischpulte aus den beiden aus England gekommenen Trucks auszuladen und in die eiskalte Halle bzw. auf die ca. zwei Meter hohe Bühne zu schieben. Eine Knochenarbeit und das gleich nach dem Frühstück mit Cappuccino und Brioche. Übernachtet haben die meisten der 30 Mitarbeiter im Schlafsack in den Umkleidekabinen der Gästemannschaften, in die sie sich auch für kurze Verschnaufpausen (einige leider zu oft) zurückziehen konnten. Bis dann wieder die Techniker auftauchten und die Veranstalter aufforderten, die „Stagehands“ schnellstmöglich zur Bühne zu bringen.

Die Garderobe der Heimmannschaft, dem Hockey Club Gröden, wurde hingegen für Status Quo, ihrem Management bzw. dem Tour-Management „aufgemöbelt“. Sofas, Stühle und Tische mussten angeliefert werden, damit sich die Musiker in den Betonwänden des Stadions heimelig fühlten. Die sonst eher „kalten und einfachen Umkleidekabinen“ wurden zu einem Wohnzimmer für die Rockstars aus England.

Pfadfinder Lana, in der Mitte Franz Heel.

Die Band selbst und einige wenige Tourbegleiter waren im Hotel Oswald in Wolkenstein untergebracht. Zu dieser Zeit war dieses Hotel das neueste und komfortabelste in Gröden. Heute hätte man jede Menge 4 und 5-Sterne Hotels in St. Ulrich zur Auswahl.

Neben den Arbeiten im Stadion war eine andere Truppe der freiwilligen Helfer damit beschäftigt, vor dem Stadion den Zugangsbereich und die Einlass-Schleußen aufbauen.

Bereits ab 14 Uhr standen die ersten Fans vor der Halle und warteten geduldig auf den Einlass ins Stadion. Die Masse der Zuschauer kam ab ca. 17 Uhr nach St. Ulrich. Gegen 19 Uhr ging in St. Ulrich gar nichts mehr: ein Megastau und die Busse mit den Besuchern blieben schon weit vor St. Ulrich stecken; aber letztendlich kamen alle rechtzeitig ins Stadion.

Punkt 20:30 erlischt in der Eishalle von St. Ulrich das Licht und vier Musiker huschen im Dunkeln auf die Bühne. Kleine Taschenlampen der Techniker weisen ihnen den Weg zu ihren Instrumenten und schon beim ersten Gitarrenriff von Rick Parfitt schreit die Menge auf und als dann Francis Rossi mit seiner grünen Fender Telecaster (er hat sie vor einiger Zeit bei einer Auktion um ca. 140.000 Euro verkauft), sind die rund 6.000 Südtiroler Rockfans nicht mehr zu halten. Es war der Wahnsinn, sowas hatte es in Südtirol zuvor noch nie gegeben.

Ewald Brunner – Keyboarder der Gruppe The Firestones

Es war tatsächlich das erste große Rockspektakel, das bis dato in Südtirol stattgefunden hat. Die kühlen Temperaturen der Eishalle waren plötzlich weg. Es folgte ein Hit nach dem anderen – von „Roll Over Lay Down“, „Don’t Drive My Car“, „Whatever You Want“, „Rockin‘ All Over the World“ war alles dabei, was man von den Platten und Kassetten her von der Gruppe kannte.

Mit dem Doors-Klassiker „Roadhouse Blues“ schloss die Band die Show ab und verschwand für einige Minuten hinter die Bühne, um für die vier Zugaben noch mal Kraft zu sammeln.

Mit „Rain, Down, Down“, ein superlanges Drum-Solo von John Coughlan und einem nicht enden wollenden Medley von Chuck Berry Songs „Bye Bye Johnny / Carol / Bye Bye Johnny“ verabschiedete sich die Band dann tatsächlich von den Fans und relaxten anschließend bis in die frühen Morgenstunden im Backstage-Bereich. Es schien, als fühlten sie sich wohl.

Insgesamt waren es mehr als zwei Stunden vom feinsten Boogie/Rock n Roll, den Status Quo ihren Fans dargeboten haben.Die überglücklichen Fans trotteten zu den Bussen, die sie heil wieder nach Hause zurückbrachten. Der eine oder andere hat sicher ein Ohrensausen mit nach Hause genommen. Aber sie hatten was Besonderes und Einmaliges erleben dürfen: das ERSTE ROCK-SPEKTAKEL SÜDTIROL.

Für die Stagehands und die Techniker begann der Abbau sofort nach dem letzten Akkord (oder, wie die FAZ 2007 schrieb, genügten Status Quo für ihre jahrzehntelang währende Karriere „ganze drei Akkorde“, während die WELT im selben Jahr titelte: „Unerhört! Status Quo in Search of the Fourth Chord“ – Auf der Suche nach dem Vierten Akkord).

Nachdem alle technischen Teile wieder im Lkw verstaut waren, brausten die Techniker weiter zum nächsten Auftrittsort, dem Palasport in Bologna. Dort war es sicher wärmer und zudem fand das Konzert in einer geschlossenen Halle statt.

Die Band verließ das Hotel gegen 11 Uhr vormittags, noch leicht schlaftrunken und im Hotel hinterließ sie – wie bei Rockstars üblich – einige kleinere Schäden, die der Veranstalter berappen musste, da das Management bzw. der italienische Tourleiter schon „verschwunden“ waren…

 

Die Veranstalter

Veranstalter des Status Quo-Konzertes in St. Ulrich waren offiziell die Georgs-Pfadfinder von Lana mit dem rührigen Stammesleiter und der treibende Kraft Franz Heel, Ewald Brunner (Keyboarder der Meraner Gruppe THE FIRESTONES und Walter Eschgfäller (damals FF-Musikredakteur und als Konzertveranstalter tätig). Alle drei zeichneten in den darauffolgenden Jahren für sehr viele Veranstaltungen im ganzen Land verantwortlich.

Franz Heel organisierte einige Monate später noch das Konzert von Barclay James Harvest, ebenfalls im Eisstadion in St. Ulrich in Gröden. Tina Turner im Drususstadion und Vasco Rossi auf dem VIVES-Gelände in Bozen waren sicherlich zwei der größten Konzerte überhaupt in Südtirol (veranstaltet von „heel concert“, gegründet 1983).

Ewald Brunner holte als Direktor des Tourismusbüros von Naturns ebenfalls zahlreiche Veranstaltungen ins Land.

Walter Eschgfäller blieb der Musikszene ebenfalls treu. Er übernahm das Management der Gruppe Skanners, gründete die Liederszene Südtirol, später den Rocknet Live Award, die Rocknet Academy und betrieb nebenbei noch das Schallplattengeschäft Disco New. Als Veranstalter organisierte er Peter Maffay (St. Ulrich), Reinhard Fendrich (Bozen und Meran, Bill Wyman (Rolling Stones), Steve Lukather und viele andere mehr.

Status Quo sind in veränderter Besetzung noch zwei Mal nach Südtirol gekommen: Sie gastierten am 4. Mai 1986 in der Neubesetzung im alten Eisstadion am Bahnhof in Meran und am 7. August 2012 im Rahmen der Kalterer Seespiele auf der Seebühne am Kalterer See.

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