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„Geklautes Familiensilber“

Die renommierte „Frankfurter Allgemeine“ lobt SVP-Senatorin Julia Unterberger für ihren „nüchternen Umgang“ mit dem Europäischen Rettungsfonds.

Von Matthias Kofler

Die „Frankfurter Allgemeine“ spricht von einer „Sternstunde antieuropäischer und antideutscher Rhetorik“, die das italienische Parlament am Mittwoch bei der Debatte zum europäischen Staatenrettungsfonds ESM erlebt habe. Sowohl Oppositionsführer Matteo Salvini als auch die Regierungspartei Movimento 5 Stelle hatten den ESM zum „Teufelszeug“ erklärt und ihn als Provokation mit den Reformauflagen für Griechenland in Verbindung gebracht. Damit sei es künftig leichter, die Zahlungsfähigkeit Italiens anzuzweifeln und eine Umschuldung zu verlangen, lautete der Tenor im Parlament.

Giorgia Meloni, Chefin der Rechtsaußenpartei Fratell d’Italia witterte gar eine internationale Verschwörung unter der Führung der Deutschen. Nach ihren Worten stellen der versprochene Aufbaufonds und vor allem die Reform des ESM ein europäisches Erpressungs- und Betrugsmanöver dar. „Es geht tragischerweise um die Verwirklichung des deutschen Traums, dass Italiens Staatsschulden mit privaten italienischen Ersparnissen bezahlt werden.“ Bei der Reform gehe es nur darum, Geld umzuleiten für die Rettung deutscher Banken, randvoll mit Derivaten. „Klar ist, dass man in Europa denkt, wir verschwenden unser Geld, und dass uns fähigere Leute fehlen, die uns beim Regieren helfen, wie Deutsche oder Franzosen, doch die bewahren uns nicht nur von unseren Lastern, sondern klauen auch noch unser Familiensilber“, wetterte Meloni.

Laut „FAZ“ stach „neben eher allgemein klingenden, europäisch gesinnten Appellen“ aus dem PD die „kurze nüchterne Rede“ von Julia Unterberger hervor. Die SVP-Senatorin fand es absurd, wenn behauptet werde, mit der Reform des ESM sollten deutsche Banken unterstützt werden. „Eventuell ist es der italienische Staat und nicht der deutsche, der im Falle einer Bankenkrise Unterstützung braucht.” Die Corona-Krise habe gezeigt, dass sich niemand alleine retten könne, betonte Unterberger. „Der Gedanke, dass man andere mit seinem Geld retten müsse muss ersetzt werden durch die Logik, dass man andere rettet, um sich selbst zu retten.”

Julia Unterberger

Die Autonomiefraktion stimmte am Mittwoch geschlossen für den ESM. „Es freut mich, dass zumindest innerhalb der Mehrheit ein Kompromiss möglich war: Es wäre nicht nachvollziehbar gewesen, die gesamte Eurozone wegen einer nur marginalen Vertragsänderung zu blockieren“, erklärte Fraktionssprecherin Unterberger. Sie erinnerte in ihrer Rede daran, dass Italien „der größte Nutznießer“ der europäischen Hilfestellungen in Zusammenhang mit Covid-19 sei. Ein Nein zur Reform des ESM würde bedeuten, der neuen europäischen Solidarität einen harten Schlag zu versetzen, und wäre Wasser auf die Mühlen jener, die Italien nur ungern so großzugig unterstützen wollen.

Die SVP-Politikerin kritisierte die Qualität einer Debatte, in der die Reform des bisherigen Stabilitätsmechanismus mit der Aktivierung eines solchen Mechanismus im Gesundheitsbereich verwechselt werde. Dies sorge bei den Italienern für große Verwirrung, während es im Ausland, wo der Stabilitätsmechanismus kein Thema sei, überhaupt nicht nachvollzogen werden könne. „In Wahrheit geht es darum, dass die Euro-Skeptiker den ESM zu ihrem Schlachtfeld gemacht haben, um das Rad der Geschichte zurückzudrehen: Um weiterhin die Vorstellung von der ‚bösen Stiefmutter Europa’ zu nähren. Aber Covid-19 hat bereits gezeigt, dass sich mit Egoismus und mit Nationalismus niemand retten kann. Was wir stattdessen brauchen, ist ein starkes und solidarisches Europa, das den in den vergangenen Monaten eingeschlagenen Weg weiter beschreitet“, forderte Unterberger.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (7)

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  • andreas

    Deutsche Banken kaufen also italienische Staatstitel da sie davon ausgehen, dass sich Italien irgendwie durchwurstelt.

    Durch Covid wird das Durchwursteln schwierig bis unmöglich und die EU beschließt, stark betroffenen Staaten in einem gemeinsamen Kraftakt zu helfen.

    Nun meinen also diese Nichtsnutze Salvini, Meloni und M5S in Rom, dass Deutschland nur deshalb die Milliarden zur Verfügung stellt, um die paar Milliarden an Investitionen der deutschen Banken zu sichern, obwohl die Hilfen ein Vielfaches ausmachen. Zusätzlich kann sich Italien durch die Solidarität zu passablen Konditionen finanzieren.

    Natürlich handelt so gut wie kein Staat uneigennützig, doch eher geht es darum, dass Deutschland ein Problem hätte, wenn die Nachbarländer die Importe deutscher Güter reduzieren würden, da es dann auch z.B. ihre momentan sowieso geschwächte Autoindustrie stark treffen würde.

    Der größte Egoist Europas ist momentan der Wastl in Wien, zuerst im Sommer die Grenzen nach Süden geschlossen, da es ja zu gefährlich gewesen wäre, in Italien oder Kroatien Urlaub zu machen und nun wo sie mit ihrem Wintertourismus selbst betroffen sind, wollte er auf Biegen und Brechen alles offen lassen, obwohl die Zahlen schlechter sind.
    Auch hat der Wunderwuzzi sich mit seiner Koalition der „Sparsamen 4“ außenpolitisch ins Abseits geschossen.

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