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Damit der Vorhang nicht für immer fällt

Neo-Intendantin Christine Lasta: Wir müssen ums Überleben kämpfen. Mehr denn je.

Die Schauspielerin Christine Lasta bildet zusammen mit Jan Gasperi das neue Leitungsteam des Brunecker Stadttheaters. Wie fühlt es sich an, die Hoferbin von Klaus Gasperi zu sein, ist sie ebenso konfliktfreudig wie der Gründer, wird sie selbst wieder auf der Bühne stehen und was muss geschehen, dass der Vorhang nicht für immer fällt?

 Tageszeitung: Frau Lasta, wie fühlt sich der Intendantinnenstuhl an?

Christine Lasta: Weich, Herr Schwazer. Weich! Alt, aber weich.  Der Stuhl ist sogar höhenverstellbar, selbst den Grad der Rückenlehne kann man variieren. Noch sitze ich senkrecht.  Zurücklehnen ist nicht. Ich mag es gerne hoch, aber wenn ich morgens in den Stuhl falle, sitze ich meistens tiefer als am Tag zuvor, so als ob der Gasperi, nächtens, heimlich, seinen ehemaligen Platz einnehmen und weiter künstlerisch aktiv sein würde. Wahrscheinlich liegt die variierende Sitzhöhe an unserer Raumpflegerin, die die gewünschte Höhe ihres Intendanten einstellt, weil sie von der neuen Chefin noch nichts weiß. Abgesehen davon, fühlt sich der Platz gut an.

Und wie fühlt es sich an, die Hoferbin von Klaus Gasperi zu sein?

Sehr gut. In Gedanken, Worten, Werken und auch Taten bin ich seit der Gründung des Stadttheaters – im Jahre 1994 – mit dabei.  Dass ich mich dem Theater verschrieben habe, ist lediglich der Gasperi schuld. Er hat mich damals mit meinen 15 Lenzen engagiert.  Als Schwester seiner damaligen Freundin, lag es auf der Hand, mich für die kleine Rolle in Alan Ayckbourns Stück „Ab Jetzt“ zu besetzen.  Der Gasperi hat nie lange rumgetan und ich habe JA gesagt. Damals wie heute. Durstig nach neuen Erfahrungen. Damals wie heute. Youtube gab es in den 90-er Jahren nicht. Jugendliche wie ich hatten nicht den medialen Rückenwind, sich öffentlich präsentieren zu wollen.  Ich hatte das Glück, dass mich meine Eltern zu einer eigenständigen Person erzogen haben und Klaus mich aus der Not heraus engagiert hat, obwohl ich keine theatralische Erfahrung vorweisen konnte. Ein Lebenslauf kann sich manchmal binnen Minuten entscheiden. Sogar wenn man 15 ist und vom Leben noch gar nichts weiß.

Gasperi hat das Brunecker Stadttheater stets sehr deutlich und ohne Angst vor Konflikten positioniert. Sind Sie auch so konfliktfreudig wie er?

Nein. Ich mag nicht streiten. Ich diskutiere lieber. Ich bin diplomatischer Natur. Welche Strategie langatmiger und erfolgreicher sein wird, wird sich herausstellen. Ich werde mir kein Blatt vor den Mund nehmen, schreien werde ich aber nicht. Vor allem, solange die Sitzhöhe meines neuen, nein, alten Stuhls variiert.

Welches Theater übergibt er Ihnen und was für ein Theater möchten Sie daraus machen?

Klaus übergibt uns (Jan Gasperi und mir) ein sauberes Theater. Dabei geht’s nicht um die Staubkörner in den roten Polstersesseln, sondern um die Durchsicht, die das Stadttheater Bruneck – dank unserer Präsidentin Gertrud Peskoller, – erlangt hat. Wir werden nichts Neues erfinden. Jan und ich wollen den ehemaligen Gedanken der Städtetheater, den Klaus Gasperi jahrelang versucht hat zu verwirklichen, umsetzen. Gerade in diesen Zeiten gilt es zu kooperieren, sich gemeinsam für eine Sache stark zu machen. Mit dem wenigen Geld, das das Südtiroler Kulturbudget hergibt.

Jeder neue Intendant will alles ganz, ganz anders machen als der Vorige. Kehrt im Stadttheater nach dem Patriarchat von Klaus Gasperi ein neuer, weiblicher, Stil ein?

Ich trage liebend gerne Kleider. Im Sommer lackiere ich mir sogar die Fingernägel rot. Das ist die Frau, die in mir steckt. Das heißt aber nicht, dass ab nun feministische Stücke in Auftrag gegeben werden, oder Stücke mit ausschließlich weiblichen Rollen auf dem Spielplan stehen.  Ich werde mich meinen neuen Aufgaben stellen, so wie ich mich bisher meinem Leben gestellt habe. Mit Biss. Der mood fühlt sich gut an und hat unvermeidlich weibliche Strategien.

Intendanten sind gerne absolutistische Alleinherrscher, Sie teilen sich die Aufgabe mit Jan Gasperi. Kann das gutgehen?

Das geht gut. Jan ist technischer Natur, ich bin die künstlerische Visionärin und Sabine Renzler – die dritte im Bunde- holt uns technisch und künstlerisch auf den Boden der Tatsachen zurück. Ein Trio, das einen klaren Weg gehen wird, daran zweifle ich keine Sekunde.

Wer macht was, wer ist für was zuständig? Gibt es eine klare Aufgabenteilung?

Die Aufgabenverteilung haben wir durch eine externe Person geregelt. Wir haben Excel Tabellen, aus denen klar hervorgeht, wer für was die Verantwortung trägt. Klarheit in einem künstlerischen Gewerbe ist das Um und AUF.  Wir sind gewappnet.

Eigentlich kennt man Sie als hemmungs- und bedingungslos die Schauspielerei Liebende. Wird man Sie noch auf der Bühne des Stadttheaters oder auf anderen Bühnen sehen oder ist das unvereinbar mit Ihrer neuen Funktion?

Ich habe schon mit einer Rolle in der nächsten Spielsaison geliebäugelt. Ich werde sie nicht spielen. Die wird eine von den tollen Südtiroler Schauspielerinnen verkörpern. Ich habe erstmals seit 15 Jahren eine feste Anstellung, bin ordentlich versichert und will meinen Kolleginnen nicht den Job wegnehmen. Aber ich werde wieder spielen. Mit Sicherheit. Wenn ich gerade nicht im weichen Stuhl sitze, bin ich Gastwirtin am Kronplatz, stärke meinem Mann den Rücken, schreibe Bücher, moderiere Veranstaltungen und verbringe Zeit mit meinen zwei wunderbaren Kindern. Im Moment habe ich genug am Hut.

Im Moment sind alle Theater von der Corona-Krise zum Stillstand verurteilt. Es geht nur mehr um Abstand auf der Bühne, Abstand im Zuschauerraum. Wie soll das in einem kleinen Saal wie dem Stadttheater überhaupt funktionieren?

Wir spielen. Wir spielen in unserem Theater, wir weichen auch nicht aus.  Aus heutiger Sicht empfangen wir 30 statt 70 Zuschauer. Jeder einzelne ist es wert, dass wir spielen. Wer weiß, was im Oktober sein wird! Vielleicht dürfen wir dann das, was die Fluglinien schon lange tun. Alle Plätze belegen.  Wir haben zum x-ten Mal unseren Spielplan geändert und versucht, uns an den immer wieder neuen Verordnungen zu orientieren.  Liebe Politiker*Innen und Unternehmer*Innen, auch wenn wir mit Landes – bzw. Gemeindegeldern und Sponsorengeldern haushalten, wir müssen ums Überleben kämpfen. Mehr denn je.

 Landesrat Philipp Achammer hat Hilfen für die Theater angekündigt. Reichen die oder sind sie zum Leben zu wenig und zum Sterben zuviel?

 Wenn ich nur wüsste, hinter welcher Opera er sie versteckt hat.

 Klaus Gasperi hat sich alljährlich verlässlich mit den Politikern über die prekäre Finanzierung des Stadttheaters angelegt. Werden Sie diese Tradition fortsetzen?

Ja. Vor allem seit ich weiß, dass  Nordtirol mit 80.000 Euro, die Stadt Innsbruck mit 60.000 Euro und der Tourismusverband Innsbruck  mit weiteren 20.000 Euro den neu gegründeten Theaterverein „Volkskantine“ finanziert und das Go für eine Sommerproduktion mit über 40 Schauspielern gegeben hat, rollt es mir die rotlackierten Fingernägel auf. Die hiesige politische Liga muss begreifen, dass Kultur ein Lebensmittel ist, das ordentlich gefördert gehört. Damit retten sie nicht nur die Existenzen der Theaterhäuser und der Kulturtreibenden im Land, sondern auch die Südtiroler*Innen vor einer kulturellen Unbildung. Sehr verehrte Damen und Herren, Jan und ich sorgen dafür, dass der Vorhang nicht für immer fällt.

Interview: Heinrich Schwazer

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