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Auf Distanz

Im Streit um die Abstandsregelung muss Wirtschaftslandesrat Philipp Achammer einen Meter zurückweichen. Wie hinter den Kulissen gestritten wird.

Von Matthias Kofler

In Südtirol gilt weiterhin: Zwei Meter Abstand halten oder Maske tragen! Darauf verständigte sich die Landesregierung in ihrer Sitzung am Dienstag.

Der Hintergrund: Während das seit anderthalb Wochen geltende Südtiroler Landesgesetz beim Aufenthalt im Freien sowie in Lokalen einen zwischenmenschlichen Mindestabstand von zwei Metern vorschreibt, ist man im restlichen Stiefelstaat deutlich großzügiger: Dort kann man sich, auch ohne Maske, auf bis zu einem Meter einer anderen Person nähern. Die Wirtschaftstreibenden (und die Opposition) rufen nun lautstark nach einer Angleichung der Südtiroler Regelung an jene des Staates. Sie sind davon überzeugt, dass Bars und Restaurants aufgrund des 2-Meter-Abstands in große Schwierigkeiten geraten könnten.

Auch Wirtschaftslandesrat Philipp Achammer stellte sich frühzeitig auf die Seite der Gastronomen. Am Wochenende erklärte der SVP-Obmann gegenüber TAGESZEITUNG Online: „Vereinbart ist, dass alle Lockerung über Verordnungen bei uns aufgenommen werden – also gehe ich davon aus, dass die Reduzierung des Mindestabstands von zwei auf einen Meter heute oder morgen vorgenommen wird. Das Landesgesetz zum Sonderweg sieht ja vor, dass Lockerungen gemacht werden können, sobald sich die Voraussetzungen ändern.“

Das Problem: Achammers Vorpreschen in Sachen Meterregelung war mit den Kollegen in der Landesregierung nicht abgesprochen. Vor allem Landeshauptmann Arno Kompatscher und dessen Stellvertreter Arnold Schuler waren über den Alleingang des SVP-Obmanns verärgert. Kompatscher und Schuler sind nach wie vor von der 2-Meter-Regelung überzeugt. Zum einen aus gesundheitspolitischen Gründen: Ein größerer Abstand bedeutet auch ein geringeres Infektionsrisiko. Zum anderen aus wirtschaftspolitischen Gründen: Es ist leichter, die strengen Regeln sukzessive zu lockern, als wieder einen Lockdown vornehmen zu müssen. Mit Verweis auf seine Regeln, die restriktiver sind als jene des Staates, kann Südtirol im (deutschsprachigen) Ausland auch Touristen anlocken, die sich ansonsten nicht nach Italien trauen würden.

Vor allem aber bekäme die Landesregierung ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn sie zuerst wochenlang in Rom für den eigenständigen Südtirol Weg kämpft, um dann – nach nur einer Woche – die hausgemachten Regeln über Bord zu werfen und dem Staat nachzulaufen. Zahlreiche Gastronomiebetriebe in Südtirol haben bereits Plexiglas eingekauft, um die Bestimmungen im Landesgesetz besser einhalten zu können. Die Investitionskosten belaufen sich auf mehrere Tausend Euro. Die Betriebe stünden nun wie der Ochse vor dem Berg, wenn das Land nach nur einer Woche hergeht und sagt: Das hättet ihr gar nicht gebraucht, jetzt gelten ohnehin die Staatsgesetze!

Im Vorfeld der gestrigen Regierungssitzung gab es ein Telefongespräch zwischen dem LH und dem Parteiobmann, in dem Kompatscher die ständigen Alleingänge seines Landesrats (der auch in Sachen Fitnessstudios ohne Absprache vorgeprescht war) gerügt hat.

In der anschließenden Sitzung der Landesregierung herrschte dann eine vergleichsweise harmonische Stimmung. Wie Teilnehmer berichten, gab es in puncto Meterabstand keine großen Diskussionen. Selbst die Variante, wonach man im Freien die zwei Meter beibehält, in Bars und Restaurants aber auf einen Meter zurückgeht, war schnell vom Tisch. „Das wäre widersprüchlich gewesen“, erklärt Lega-Landesrat Massimo Bessone, dessen Partei auch schon im Landtag vehement für die zwei Meter gekämpft hatte.

Achammer selbst will sich zur Debatte um die Abstandsregelungen nicht äußern. Aus seinem Umfeld ist zu vernehmen, dass er sich keineswegs als Verlierer sieht. Die Landesregierung hat nämlich vereinbart, dass Lockerungen dann kommen sollen, wenn die ersten Ergebnisse des autonomen Südtiroler Weges sichtbar sind. Das soll Ende der kommenden Woche der Fall sein. Das heißt: Bleiben die epidemiologischen Zahlen weiterhin auf niedrigem Niveau, wird man auch in Südtirol auf einen Meter zurückgehen. Das sei sozusagen der „Kompromiss“ gewesen.

Die Landtagsopposition beobachtet den Streit um die Abstandregelung – im wahrsten Sinne des Wortes – aus der Distanz. „Wir haben das Spiel schon durchschaut“, verweist Oppositionsführer Paul Köllensperger auf den hinter den Kulissen tobenden „Machtkampf“ zwischen Parteiobmann Achammer und Landeshauptmann Kompatscher. Die Grüne Brigitte Foppa kommentiert: „Es geht hier weniger um die Sache, als vielmehr darum zu zeigen, wer die Hosen anhat.“ Ein anderer Abgeordneter, der namentlich nicht genannt werden will, ist überzeugt: Kompatscher sei von den beiden „der ängstlichere Typ“. In den letzten Wochen hätten sich LH und Obmann, was die Kommunikation nach außen betrifft, „gegenseitig aufgegeilt – der eine fordert A, weshalb der andere B fordern muss“. Daher täten sich die beiden Spitzenpolitiker nun so schwer, von der eigenen Position abzuweichen und Kompromisse einzugehen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (30)

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  • andreas

    Der „Superlandesrat“ hat seine Ressorts nicht annähernd in Griff, möchte aber LH spielen.
    Warum gibt jemand, der offensichtlich komplett überfordert ist wie Achammer, nicht einen Teil ab?

  • sepp

    Dei herrn hoben longe schun a glaubwürdigkeits problem

  • bernhart

    Es ist schon traurig genug , wenn LH und LR ihre persönlich Konflifte auf kosten der Bürger austragen. Lh und LR wollen regieren, doch beide haben versagt, am ende regiert Rom.
    Das die regeln zu streng sind wissen wir alle,sie werden beibehalten sonst sind LH un LR unglaubwürdig. Die ganzen Presseberichte gehen mir sied 70 Tage auf den Sack, denn es ist immer das selbe. immer und immer wieder GHEHIRNWÄSCHE.

  • ostern

    Was tun wir mit so manchen Personen in der Politik.
    Von Tuten und Blasen nichts verstehen nur am
    Monatsende kassieren. Solche gibt es genug in der Landesregierung.

  • george

    Was streitet ihr euch über 1 Meter oder 2 Meter und weist euch die unterschwelligsten Charakterzüge zu? Ihr seber denkt hier am Wesentlichen ja völlig vorbei, wenn ihr überhaupt denkt. Das Wesentliche ist die Gefahr der Kontamination des Virus und die Wirksamkeit dagegen. Einzig dazu solltet ihr Überlegungen anstellen und Maßnahmen festhalten. Alles andere ist verlorenes Zeug. Euer Durcheinanderreden und – schreiben hier bringt gar nichts hervor außer böses Blut.

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