Du befindest dich hier: Home » News » „Hat es das wirklich gebraucht?“

„Hat es das wirklich gebraucht?“

Foto: 123rf

Nach Wochen der Schockstarre ist auch in Südtirol die Stimmung gekippt. In Bozen und Meran gehen die Corona-Wutbürger auf die Straße. Kommt es auch bei uns zur toxischen Umarmung von besorgten Bürgern und Verschwörungstheoretikern?

von Artur Oberhofer

Die „Demo für Freiheit“ soll am heutigen Samstag stattfinden. Ab 10.00 Uhr auf dem Magnagoplatz in Bozen.

Das Motto der Kundgebung lautet: „Nie wieder!“

Nach vielen Wochen der Schockstarre, der Verunsicherung und des Ausharrens ist auch in Südtirol die Stimmung gekippt. „Für viele Menschen“, sagt die Grundschullehrerin Karin Kerschbaumer, eine der Mitorganisatorinnen der Samstag-Demo, „waren die Maßnahmen und Freiheitsbeschränkungen völlig übertrieben.“ Fliegt jetzt der Topf vom Deckel?

Das Dilemma der Politik: Der Erfolg und die Fallzahlen geben den Regierenden zwar Recht, er macht sie aber zugleich auch angreifbar. Denn immer mehr Menschen , auch in Südtirol, fragen sich: „Hätte es das wirklich gebraucht?“ „War die Corona-Sache vielleicht doch nicht so schlimm?“ „Waren die Maßnahmen schlimmer als die Krankheit selbst?“

Vor allem in Deutschland waren die Zweifel vieler Menschen und deren kritische, aber durchaus berechtigten Reflexionen über Sinn und Unsinn des Lockdowns der Auslöser einer gefährlichen Welle.

Wenn man sieht, was sich beispielsweise in der Bundesrepublik zusammenbraut, wird einem angst und bange: Da marschieren jetzt Rechtsextremisten, Antisemiten und Holocaust-Leugner, antikapitalistische Linke, durch Fake-News aufgegeilte Verschwörungstheoretiker, Esoteriker, Pegida-Nostalgiker, Populisten, C-Promis, verwirrte Reichsbürger, Wissenschaftsskeptiker und linksalternativ geprägte Impfgegner Hand in Hand und grölen und brüllen gegen eine angebliche Virus- oder Hygiene-Diktatur.

Der gemeinsame Nenner dieser neuen Wutbürger ist der Hass auf eine angeblich korrupte Machtelite, auf die „Corona-Diktatur“.

Besteht jetzt die Gefahr, dass diese toxische Umarmung zwischen biederen und besorgten, teilweise auch nur konfusen Bürgern mit skrupellosen rechtsextremen Trittbetrettfahrern und Berufszündlern auch Nachahmer in Südtirol findet? Schwappt diese Welle des Hasses jetzt auch auf unser Land über?

Karin Kerschbaumer sieht diese Gefahr nicht und grenzt sich klar von der bundesdeutschen „Hygienedemo-Philosophie“ ab: „Wir sind keine Verschwörungstheoretiker, wir haben mit unserer Art von Impfkritik beweisen, dass wir uns auf einer seriösen Ebene bewegen.“

Karin Kerschbaumer war auch seinerzeit Mitorganisatorin der Südtiroler Impfproteste, zusammen mit Andreas Pöder, der auch jetzt wieder im Hintergrund mitmischt, wie er der TAGESZEITUNG gegenüber bestätigte.

Die Demo vor dem Südtiroler Landtag am Samstag ist regulär angemeldet worden. Allerdings fehlt noch das Okay der Behörden. „Sollten uns die Genehmigung verwehrt werden“, sagt Karin Kerschbaumer, „haben wir einen Plan B.“ Wie dieser Plan B aussieht, verrät sie wohlweislich nicht.

Grundsätzlich sagt die Lehrerin zur Stoßrichtung ihrer Protest-Aktion: Sie sei nicht prinzipiell gegen den Lockdown gewesen. „Ich sage nicht, dass wir den Lockdown nicht gebraucht hätten, aber auf keinen Fall so extrem und über einen so langen Zeitraum.“

Sie persönlich tendiert mehr zum niederländischen und zum schwedischen Modell. „Ich würde mehr auf Eigenverantwortung setzen“, so Karin Kerschbaumer.

Ihr selbst gehe es um „menschenwürdigere Maßnahmen“, sagt die Bozner Grundschullehrerin. „Ich merke, dass es vielen Kindern nicht gut geht, weil der Lockdown viel zu lange gedauert hat, den Kindern fehlt die Schule, Kinder brauchen sozialen Austausch.“

Karin Kerschbaumer

Auch in Meran „brodelt“ es. Dort hat eine Gruppe um die Wellnesstrainerin Sarah Maria Lechner für 30. Mai eine Demo angemeldet. Das Motto: „Wir fordern Beweise!“

Für Sarah Maria Lechner besteht das Grundproblem darin, dass „zu wenig Transparenz“ herrsche.

Mit anderen Worten: Einer der Folgeschäden der Coronakrise seien grundsätzliche Zweifel an der Politik bzw. an der Demokratie.

Sarah Maria Lechner: „Die Politik hat zu uns einfach nur gesagt: ,Ihr macht, was wir euch sagen!’ Das Warum wird uns nicht erklärt.“

Die Politik habe nur geschaut, was die Asiaten machen. „Die Maßnahmen, die die Asiaten getroffen haben, sind dann einfach auf uns drübergestülpt worden“, so die Wellnesstrainerin, die ebenfalls für einen Weg der Eigenverantwortlichkeit plädiert.

Sarah Maria Lechner

Als Wellnesstrainerin gehört Sarah Maria Lechner selbst zu den wirtschaftlichen Corona-Opfern. Sie ist (wie die Saunawarte und die Fitnesstrainer) zum Nichtstun verurteilt. „Dabei“, sagt sie, „soll mir bitteschön ein Politiker erklären, was passieren soll, wenn ich sechs Leute auf einem Fußballplatz trainiere.“

Auch Sarah Maria Lechner will sich gegenüber der den Verschwörungstheoretikern und den Corona-Leugnern abgrenzen. „Bei uns zählen nur Fakten und persönliche Erfahrungsberichte“, so die aus Österreich stammende Wellnesstrainerin, die verstehen kann, dass viele Menschen durch den Lockdown traumatisiert sind. „Viele fangen erst jetzt an, darüber nachzudenken, was passiert ist“, sagst sie.

Sarah Maria Lechner, die das Masken-Tragen als Nötigung empfindet, wundert sich eh, dass die SüdtirolerInnen so lange so brav waren. „Die SüdtirolerInnen waren vorbildhaft, demütig und brav“, sagt sie, um dann einen Tipp nachzuschieben: „Vielleicht sollten die SüdtirolerInnen manchmal etwas mutiger sein, ich habe das Gefühl, sie sind oft schnell meinungstot.“

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (86)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • andreas

    Rechtsextremisten, Antisemiten, Holocaust-Leugner, durch Fake-News aufgegeilte Verschwörungstheoretiker, Esoteriker, Pegida-Nostalgiker, Populisten, C-Promis, verwirrte Reichsbürger, Wissenschaftsskeptiker und linksalternativ geprägte Impfgegner Hand in Hand und grölen und brüllen gegen eine angebliche Virus- oder Hygiene-Diktatur.

    Ist das die Beschreibung von ca. 80% derer, die hier im Forum schreiben?

  • sorgenfrei

    Das schwedische modell, frau kerschbaumer, bestand darin, die alten leute zu „opfern“… die todesraten gehören mit zu den höchsten im europa, die „durchseuchunfg“ iegt bis jetzt unter 10 %, also von herdenimmunität weit entfernt… dies ine einem land mit sehr geringer bevölkerungsdichte, einem der besten gesundheitssysteme der welt und mit einer selbstdisziplin, die ich, ohne sen italienern nahe treten zu wollen, ganz anders einschätze als jene der italiener….

  • vogelweider

    „Wir fordern Beweise?“ Geht auf die Friedhöfe, da liegen sie!

  • vagabund

    Gewissen Leuten würde man echt wünschen, dass bei ihnen kein Lockdown gewesen wäre….
    …. wäre dann z.B. ein 50-jähriger naher Verwandter an Covid verstorben, hätten sie durchgedreht weil man keine Massnahmen im Vorfeld getroffen hätte!

    Leider ist vielen nicht bewusst, dass man viele viele Todesopfer mit diesen Massnahmen verhindert hat!

    Und als Krönung setzen auch diese beiden Damen auf EIGENVERANTWORTUNG!!!!

    Der blanke Hohn wenn man sieht wieviele Leute sich nicht daran halten!!!

    Der Südtiroler ist nämlich TAMISCH, nicht eigenverantwortlich!!!

  • exodus

    Gott sei es gedankt habe ich keine Schulkinder, bei solch einer verantwortungslosen Lehrerin würde ich gezwungenerweise Schule wechseln, um mein Kind nicht ganz zu verblöden…….

  • tirolersepp

    Schon Goethe hat gesagt, es gibt zwei Dinge die sind unendlich, das Weltall und die Dummheit des Menschen !!!

  • sorgenfrei

    Man bedenke auch – und damit meine ich auch n.g. – dass auf die schnelle die intensivbetten verdoppelt werden konnten… trotzdem mussten einige südtirol – samt lockdown – im ausland behandelt werden… es ging beim lockdown ja auch eigrntlich vor allem darum, zeit zu gewinnen und den peak zu verschieben, damit nicht zuviele zugleich krank werden… ach und übrigens: es war (und ist es meines wissens immer noch) verboten, patienten aus den altersheimen ins krankenhaus einzuliefern, weil die kapazitäten ausgeschöpft waren…. so schauts aus… außerdem setzten wir das sanitätspersonal einer erhöhten gefahr aus… dafür, dass sie sich für andere einsetzen…. es war auch moralisch richtig, diesen weg zu gehen….

  • brutus

    Intelligente suchen nach Lösungen!
    Idioten nach Schuldigen!

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen