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Im Kreuzfeuer

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Mit Hängen und Würgen und unter Protest unter anderem der italienischen Schulführungskräfte und Gewerkschaften ist am Montag die Notbetreuung zumindest in den deutschen Schulen und Kindergärten angelaufen. Spätestens jetzt steht der gute Ruf des Bildungspersonals auf dem Spiel.

von Silke Hinterwaldner

Auch wenn die Maßnahmen zum Schutz gegen die Ausbreitung des Coronavirus für alle Südtiroler gleichermaßen gelten, so sind die Auswirkungen auf die einzelnen doch sehr unterschiedlich. Als Anfang März Schulen und Kindergärten geschlossen wurden, mussten auch die Lehrer und Kindergärtnerinnen zu Hause bleiben. Sie waren gegenüber anderen Berufsgruppen klar im Vorteil: Sie müssen nicht um ihren Job bangen, sie bekommen ihr Gehalt weiter ausbezahlt und sie haben im besten Fall genügend Zeit, sich um ihre Kinder und das Homeschooling zu kümmern.

Das alles hat die Neid-Debatte in den sozialen Medien bereits in den vergangenen zwei Monaten befeuert, aber jetzt erreicht die Diskussion einen Höhepunkt. Denn: Mit Hängen und Würgen ist es gelungen, am Montag einen Notdienst für die Betreuung einiger weniger Kinder in Schulen und Kindergärten zu organisieren. Dort wird nun ein Bruchteil der Kinder unter strengen Sicherheitsvorkehrungen einige Stunden am Vormittag betreut.

Eines vorweg: Zahlreiche Lehrer und Kindergärtnerinnen haben sich freiwillig für den Betreuungsdienst gemeldet. Ihnen ist der gute Ruf ihrer Berufsgruppe wichtig, sie wehren sich dagegen, dass nun über sie gemault wird.  Sie haben sich auch darüber gefreut, einige Kinder wiederzusehen und den berufstätigen Eltern mit diesem Notdienst in dieser außergewöhnlichen Zeit eine Stütze sein zu können – auch wenn der Großteil der Eltern gar keinen Zugang zu diesem Dienst bekam.

Letzteres hat wohl auch mit dem Widerstand aus unterschiedlichen Richtungen zu tun. In den Strukturen des italienischen Schulamtes spitzte sich das soweit zu, dass der Notdienst an ihren Kindergärten und Schulen gar nicht gestartet ist. Direktoren und Gewerkschaftsvertreter haben sich gegen diesen Notdienst gewehrt: Sie beklagen, dass die Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten werden können, dass die vorgeschriebenen Abstände nicht realistisch sind oder dass die Sicherheitsprotokolle widersprüchlich seien. Und freilich: Die Schule ist vordergründig keine Kinderbetreuungsstruktur, sondern eine Bildungseinrichtung. „Ich war stets eine Kämpferin für Gewerkschaftsrechte“, sagt eine Lehrerin hinter vorgehaltener Hand, „aber jetzt schäme ich mich, wenn manche Gewerkschaftsvertreter zum Streik aufrufen. Wir Lehrer sollten vielmehr auch einen Beitrag leisten, um die schwierige Situation gut zu meistern und uns nicht auf derlei Diskussionen einlassen.“

Ganz besonders wütend aber sind viele Eltern, die nun wieder arbeiten müssen und dürfen, gleichzeitig aber diese Diskussionen um die Notbetreuung in Kindergarten und Schule und den Widerstand dagegen medial verfolgen. Sie zeigen wenig Verständnis für fehlende Sicherheitsprotokolle, vor allem wenn sie selbst seit Wochen in einem Altenheim oder im Krankenhaus ihren Dienst verrichten – und sicherlich mitunter auch Angst vor einer Ansteckung haben.

Welch absurde Ausmaße der Streit um die Betreuung der Kinder annehmen kann, zeigt sich etwa in St. Lorenzen, wo die Gemeinde den Bedarf aller Familien zu decken versucht. Ein Beispiel: Seit Montag werden dort im Kindergarten-Notdienst des Landes zwei Gruppen von insgesamt vier Kindergärtnerinnen betreut. Im selben Gebäude untergebracht sind auch noch zwei weitere Kindergarten-Gruppen. Denn: Die Gemeinde St. Lorenzen hat auch für all jene Eltern einen Betreuungsdienst geschaffen, die keinen Zugang zum Notprogramm des Landes erhalten, weil die Kriterien dort so streng sind – etwa wenn die Mutter im Homeoffice arbeitet. Diese beiden Kindergartengruppen werden von vier privaten Betreuern beaufsichtigt, für deren Personalkosten kommt bis zum Schulende die Gemeinde auf. Dies obwohl andere Kindergärtnerinnen noch zu Hause sind.

 

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