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Das Toten-Rätsel

Der Landtag hat am Mittwoch Beschlussanträge von L’Alto Adige nel cuore, Grünen, Team Köllensperger und Freiheitlichen behandelt. Es ging unter anderem um die Corona-Todesfälle.
Im Beschlussantrag Nr. 272/20 , eingebracht von Alessandro Urzì, ging es um den Anstieg der Todesfälle in Südtirol im März 2020 verglichen mit den durchschnittlichen Zahlen aus den Vorjahren.
Der Succus des Antrags:
Der Landtag möge die Landesregierung verpflichten, bis Ende April alle nach Gemeinden aufgeschlüsselten Daten zu den Todesfällen von Februar und März 2020 sowie, bis zum Ende des COVID-19-Notstandes,die Daten des vorhergehenden Monats – jeweils bis zum zehnten Kalendertag des Folgemonats – an den Landtag zu übermitteln, gemeinsam mit einem Bericht des Sanitätsbetriebs zu den aus den Befunden hervorgehenden Todesursachen eines jeden in Südtirol ansässigen Bürgers; aus dem Bericht sollte auch hervorgehen, ob die verstorbene Person positiv auf COVID-19 getestet wurde oder – falls dies nicht der Fall war – worauf der Tod zurückzuführen ist und wo (im Krankenhaus, auf Station, im Pflegeheim, zu Hause, etc.) die Person verstorben ist.
“Die Todesursachen der über 50 Personen, die in Bozen im Monat März dieses Jahres zusätzlich gegenüber den Vorjahren verstorben sind, scheinen nicht bekannt zu sein”, stellte Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia) fest. “Auch wenn ein Anstieg der Todesfälle aufgrund von Herzkreislauferkrankungen, Krebserkrankungen oder anderen schwerwiegenden Krankheiten denkbar wäre, kam es in diesem Zeitraum im Vergleich zu März 2019 durch die Abschottungsmaßnahmen jedoch zu keinen tödlichen Unfällen in den Bergen, auf Skipisten, auf den Straßen oder bei der Arbeit. Da es an Tests und anderen Erhebungen mangelt, ist nicht auszuschließen, dass die etwa 50 zusätzlichen Todesfälle, die es dieses Jahr im Vergleich zum Vorjahr gab, auf außergewöhnliche Umstände, wie etwa die COVID-19-Pandemie, zurückzuführen sind.”
Die offizielle Statistik des Landes rechne für Bozen nur 27 Tote dem Coronavirus zu. Diese Zahlen seien zu klären, auch für Vergleiche mit anderen Regionen. Urzì kündigte eine neue Fassung des Antrags an, der er zusammen mit Gert Lanz formuliert habe.
Franz Ploner (Team K) gab zu bedenken, dass man nur anhand von Autopsien die genaue Todesursache feststellen könne. Im März sei sicher eine Übersterblichkeit festzustellen gewesen, es könnte aber zu einer Abflachung der Zahlen gegen Jahresende kommen. Wichtig wäre auch der Vergleich zwischen Toten und allen Infizierten, aber letztere Zahl habe man nicht.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) kündigte wie Ploner Enthaltung an. Es fehle auch die Unterscheidung zwischen Boznern und in Bozen Verstorbenen. Die Klassifizierung sei jedenfalls immer schwierig, man denke an Covid mit leichtem Verlauf, aber mit einem Herzinfarkt. Eine erhöhte Mortalität sei ein Indiz, aber genaue Daten habe man dadurch nicht. Die geforderte Untersuchung habe daher wenig Mehrwert.
LH Arno Kompatscher kündigte Zustimmung zur neuen Fassung des Antrags an. Allerdings habe ihn das Astat darauf hingewiesen, dass die Daten aus verschiedenen Ländern und Gebieten nicht immer vergleichbar seien. Vergleichbar seien eher Daten über einen längeren Zeitraum. Mit der neuen Fassung des Antrags werde besser auf die Kriterien der Statistik eingegangen. Man werde die Daten jedenfalls liefern.
Die neue Fassung des Antrags wurde einstimmig angenommen.
Im Beschlussantrag Nr. 270/20 ging es um Mobilität in Corona-Phase 2 (eingebracht von den Abg. Foppa, Dello Sbarba und Staffler am 20.04.2020).
Mit dem Antrag wollten die Grünen die Landesregierung verpflichten:
1. unmittelbar der Bevölkerung mitzuteilen, wie die öffentliche Mobilität in der Phase 2 organisiert wird.
2. darauf zu sensibilisieren, dass und wie die Sicherheitsbestimmungen zum Gesundheitsschutz in den öffentlichen Verkehrsmitteln eingehalten werden können.
3. den BürgerInnen die Sicherheit zu geben, dass trotz Abstandsregelungen genügend Verkehrsmittel zur Verfügung gestellt werden.
4. Fuß- Rad- und Elektromobilität besonders zu fördern und zu erwägen, ob der Ankauf von e-Bikes gerade in dieser Phase speziell gefördert werden sollte.
5. auch nach der Coronakrise die Home-Office-Modalität zu forcieren. 6. die Tarifpolitik zu überdenken und PendlerInnen (eventuell auch zeitbegrenzt) zu begünstigen.

Es bestehe die Gefahr, und man habe es in diesen Tagen auch gesehen, dass sich die Bürger wegen der Ansteckungsgefahr vor den öffentlichen Verkehrsmitteln scheuten, warnte Brigitte Foppa (Grüne). Wenn man nicht geeignete Maßnahmen setze, würden sich die Luftwerte wieder dramatisch verschlimmern.

Sven Knoll (STF) kündigte Zustimmung an. Man müsse eine praktische Ticketlösung vor allem für ältere Menschen finden.
Auch Diego Nicolini (5 Sterne Bewegung) sprach sich für den Antrag aus. Etwas ähnliches plane auch die Staatsregierung. Er erinnerte an einen ähnlichen Antrag seinerseits zur Digitalisierung der Fahrscheine.

Es bestehe die Gefahr, dass der öffentliche Verkehr in Krise gerate, meinte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Viele würden wieder aufs Auto umsteigen, daher brauche es ein attraktives Angebot.
Gert Lanz (SVP) kündigte an, die ersten 5 Punkte des Antrags zu unterstützen.

Auch LR Daniel Alfreider unterstützte den Antrag, obwohl vieles davon bereits in Arbeit sei. Auf keinen Fall wolle man den öffentlichen Nahverkehr reduzieren, ab Montag sei wieder der volle Fahrplan in Kraft. Man plane eine App, mit der man die realen Fahrzeiten sehen könne. Was die Senioren betreffe, so sei zunächst das Wichtigste, dass nur jene Personen fahren, die es müssen.

Die Onlinetickets seien notwendig, um den physischen Kontakt zu vermeiden. Der Staat plane weitere Förderungen vor allem für die Städte. Zusammen mit Rom plane man eine Anpassung der Straßenverkehrsordnung, um dem Fahrrad Vorrang zu geben. Mit dem Fahrrad könne man auch die Abstände besser einhalten.
Brigitte Foppa befürchtete, dass es dreimal so viele Busse und Züge brauchen werde, wenn einmal alle Betriebe offen seien und die Abstände eingehalten werden müssen. Auch das Vertrauen in den öffentlichen Nahverkehr müsse ausgebaut werden.

Die ersten 5 Punkte des Antrags wurden einstimmig angenommen, Punkt 6 wurde mit 16 Ja und 18 Nein abgelehnt.

In einem weiteren Beschlussantrag Nr. 274/20, eingebracht vom Team K, ging es um die Einrichtung einer Kontrollgruppe für Covid-Förderungszahlungen.

Laut Antrag sollte die Landesregierung dazu verpflichtet werden:

1) einen regelmäßigen Bericht über die Geldbewegungen zu erstellen und diesen dem Landtag vorzulegen; und das Landtagspräsidium

2) eine Kontrollgruppe für die Förderungsauszahlungen im Rahmen der Covid-19-Pandemie einzurichten, die unter Einhaltung der geltenden Gesetzes- und Privacy-Bestimmungen über die geplante bzw. erfolgte Verwendung der Fördermittel transparent informiert wird;

3) in der ersten Fraktionssprechersitzung nach der Annahme dieses Beschlussantrags, die Vertreter der Kontrollgruppe zu bestimmen – je ein Mitglied pro Landtagsfraktion, mit Vorsitz durch einen Vertreter der Opposition – und die Kontrollgruppe zum ersten Mal spätestens 7 Tage nach der Fraktionssprechersitzung einzuberufen.

Dazu wurde auch ein Antrag des Abg. Staffler vorgelegt (und von den Abg. Lanz und Köllensperger mitunterzeichnet), der ein digitales Ausgabencockpit zur Gewährleistung der Transparenz vorsieht.

Der Landtag habe große Summen genehmigt, um Betrieben und Bürgern aus der Krise zu helfen, bemerkte Paul Köllensperger (Team K). Auch in so schwierigen Zeiten braucht es jedoch Transparenz und Klarheit – insbesondere, wenn es sich um so hohe Summen handelt. Insbesondere gilt es zu garantieren, dass der Landtag auch zu diesen Zeiten seiner Kontrollfunktion vollumfänglich nachkommen kann. Der Tiroler Landtag habe eine solche Kontrollstelle eingerichtet.
Außergewöhnliche Zeiten erforderten außergewöhnliche Maßnahmen, meinte auch Hanspeter Staffler (Grüne). Aber diese Ausgaben müssten auch öffentlich kontrollierbar sein.

LH Arno Kompatscher kündigte Zustimmung zum geänderten Antrag an. Es sei selbstverständlich, dass man den Landtag und die Bürger über die Maßnahmen informieren werde.

Punkt 1 (geändert durch den Antrag von Staffler) wurde einstimmig angenommen, die Punkte 2 und 3 wurden abgelehnt.

Im Beschlussantrag Nr. 275/20 der Freiheitlichen ging es um die autonome öffentliche Kinderbetreuung bis zum Herbst 2020

Die Landesregierung sollte gemäß Antrag zu verpflichtet werden:

1. sämtliche rechtliche und verwaltungstechnische Schritte in die Wege zu leiten, um bis zur Wiederaufnahme des Kindergarten-und Schulbetriebes im Herbst 2020 eine ausreichende und öffentlich finanzierte Betreuung für 3 bis 14-Jährige zu ermöglichen und garantieren zu können;

2. die Betreuungsaktivität möglichst auf Gemeinde- bzw. Sprengelebene und unter Einbindung der jeweiligen Gemeindeverwaltung und Direktionen zu organisieren und dafür öffentliche Räumlichkeiten zu nutzen, wobei sich besonders die leerstehenden Kindergärten und Schulen hierzu eignen;

3.die Planung in enger Absprache mit den entsprechenden Ämtern, den Schul- und Kindergartenorganisationen sowie dem zur Mithilfe bereitstehenden Bildungspersonal und den entsprechenden Gewerkschaften vorzunehmen;

4. aufbauend auf bereits etablierte private und öffentliche Anbieter von Sommerbetreuung auch Oberschüler, Studenten und freiwillige Erwachsene als zusätzliche Kapazitäten in den Dienst einzubauen;

5. nach Möglichkeit örtliche öffentliche Sport-und Freizeitstätten zur zusätzlichen Nutzung zur Verfügung zu stellen;

6. die Pandemievorsorge und medizinische Begleitung sowie die Sicherheitsmaßnahmen der verschiedenen Sommerbetreuungsangebote über Sanitätsbetrieb und andere öffentliche Dienste zu garantieren;

7. bei Bedarf Projekte für Ferienaufenthalte auf dem Berg (Hotels, Almhütten) zu unterstützen, um Ersatz für die bisherigen Sommerkolonien auf dem Meer zu finden und die Betreuung in den Gemeinden zu entlasten;

8.die bisherigen zahlreichen Hüttenlager und Sommercamps von Jungschar, AVS, Ministranten, Jugendkapellen und anderer ehrenamtlicher Vereine durch eine gezielte Unterstützung und Pandemievorsorge von Seiten des Landes auch in diesem Sommer zu ermöglichen oder diesen Organisationen auf freiwilliger Basis ein Mitwirken an der Sommerbetreuung in den Gemeinden zu ermöglichen.

Die Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeiten stelle die Eltern vor große Herausforderungen, bemerkte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche). Wer wieder zur Arbeit müsse, aber auch, wer daheim arbeite, brauche Betreuung für die Kinder. Südtirol könne leider nicht selbst über die Öffnung der Schulen entscheiden. In anderen Staaten würden die Schulen in diesen Tagen wieder geöffnet. Südtirol müsse selbst aktiv werden, um den Kindern der arbeitenden Eltern Betreuung zu bieten, möglichst in kleinen Gruppen, um die Sicherheitsbestimmungen einhalten zu können. Diese Betreuung sollte möglichst dezentral organisiert werden, durch Gemeinden und Sprengel.

Der Antrag greife ein wichtiges Thema auf, meinte Riccardo Dello Sbarba (Grüne), aber dieses Thema werde morgen mit dem Gesetzentwurf konkret angegangen. Leiter Reber sollte daher die Punkte seines Antrags in Änderungsanträge zum Gesetz umformulieren. Der Antrag setze auf die Mithilfe der Gewerkschaften, aber diese seien Verhandlungspartner, nicht ein langer Arm des Landes oder des Landtags.

Maria Elisabeth Rieder (Team K) teilte die Einwände. Über das Thema sei man sich einig, darüber habe sie bereits vieles gesagt. Was man von den Gewerkschaften wolle, müsse man mit ihnen verhandeln, nicht in ein Gesetz schreiben. Die anderen Punkte gehörten in das Gesetz, dann würde sie dem zustimmen.

Die Sommerbetreuung sei in Südtirol nicht optimal, kritisierte Brigitte Foppa (Grüne). Die Kinder hätten von einem Angebot zum anderen hüpfen müssen. Und mit dieser Krise gehe nun vieles nicht mehr, das werde zu einem Krieg unter Armen.
Myriam Atz Tammerle (STF) kündigte Zustimmung an, auch weil man noch nicht wisse, wie das anstehende Gesetz am Ende ausfalle bzw. ob es angefochten werde. Man würde damit den Eltern Hilfe und Planungssicherheit geben. Ein großes Thema bei der Sommerbetreuung sei die Leistbarkeit, hier sollte das Land seinen Beitrag leisten.

Magdalena Amhof (SVP) bestätigte, dass viele Familien nun am Ende ihrer Kräfte seien. Viele hätten nun ihren Sonderurlaub aufgebraucht. LR Deeg habe intensiv mit der Familienministerin in dieser Frage verhandelt, und davon sei vieles in den Gesetzentwurf eingeflossen. Man werde für die Sommerbetreuung viele Betreuer brauchen, weil eben viele Kleingruppen zu betreuen seien. Bis zum Ende des Schuljahres setze man auf das Personal, das in den Präsenzdienst zurückgeholt werde. Sie werde dem Antrag nicht zustimmen, da diese Forderungen bereits im Gesetzentwurf enthalten seien.

Hanspeter Staffler (Grüne) betonte, dass es um Bildung gehe, nicht um Betreuung. Es sei aber klar, dass es eine Unterstützung der Eltern brauche, und dafür werde es auch Verhandlungen mit den Gewerkschaften brauchen. Man sollte auch nicht in die Zuständigkeiten der Gemeinden eingreifen.

LR Waltraud Deeg freute sich über den Grundkonsens zur Kinderbetreuung. Die Sommerbetreuung zähle rund 150.000 Einschreibungen. Sie werde von Organisationen geleistet, die sehr professionell arbeiten. Man sollte die Sache auch von der Seite der Kinder sehen, die nicht 365 Tage im Jahr Schule möchten. In Italien habe man bei der Phase 2 die Kinder nicht mitbedacht. Jetzt tue sich aber etwas, man arbeite an einem Plan für die Kinder. In Südtirol peile man den 18. Mai an, aber es sei nicht so einfach. Kinder seien ein Kombipaket, man könne nicht so einfach zwischen Bildung und Betreuung unterscheiden. Deeg sprach sich schließlich gegen den Antrag aus. Ein Beschlussantrag habe rechtlich keine Wirkung. Wenn man Wirkung wolle, müsse man Gesetze schreiben.

Andreas Leiter Reber erinnerte daran, dass er am 20. April die Landesregierung aufgefordert habe, ein Gesetz vorzulegen. Damals habe diese noch nicht gewusst, dass es ein Gesetz brauche. Er könne seine Forderungen aber gerne auch zum Gesetz einreichen, dann werde sie die Landesregierung halt wieder ablehnen. Er wolle niemanden zur Sommerbetreuung verpflichten, sondern den Freiwilligen eine rechtliche Grundlage bieten. Viele Eltern machten sich Sorgen, dass ihre Kinder bis zum Herbst gut aufgehoben seien. Zum Teil würden sie es bereits privat organisieren. Er sei enttäuscht über einige Aussagen in dieser Debatte.

Der Antrag wurde in mehreren Teilabstimmungen mehrheitlich abgelehnt.

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Kommentare (4)

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  • hallihallo

    habe vor 4 jahren der gemeinde vorgeschlagen, jedem bürger bei kauf eines e-bikes einen beitrag von euro 500,00 zu gewähren. eventuell dafür 1 jahre etwas weniger asfaltieren. die antwort war, daß das geld für die asfaltierungsarbeiten aufgestockt werden muß. allerdings ist zu sagen , daß in der kleingemeinde 2-3 millionen liquide mittel zur verfügung standen ( und immer noch da sind).
    in den sonntagsreden heißt es aber immer noch alle sollen zu fuß gehen und das auto stehen lassen.
    das land sollte den randgemeinden endlich genug geld für die radwege zur verfügung stellen, dann fahren mehr leute rad.

  • asterix

    Bei der Gelegenheit können die Scheintoten im Landtag auch gleich gezählt werden.

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