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Strafanzeige wegen Video?

Die hiesige Strafkammer erwägt, wegen der Veröffentlichung des Übergabe-Videos zum Korruptionsfall Marco Facchini Strafanzeige zu erstatten. Wegen Verletzung des Ermittlungsgeheimnisses.

Von Thomas Vikoler

Der Korruptionsfall, der Anfang der Woche mit der Verhaftung des Sanitätsbeamten Marco Facchini für nationale Aufmerksamkeit sorgte, verlagert sich auf eine neue Ebene. Auf einen möglichen Konflikt zwischen Strafkammer und Staatsanwaltschaft Bozen.

Wie berichtet, hat Giancarlo Massari, Facchinis Anwalt, am Rande des Garantieverhörs am Mittwoch am Landesgericht die Veröffentlichung eines Videos kritisiert, auf dem die vermeintliche Übergabe von Schmiergeld zu sehen ist. Sie stelle eine Verletzung des Untersuchungsgeheimnisses dar, ist der Verteidiger überzeugt. Und kündigte eine Meldung an die Strafkammer an.

Gestern Nachmittag tagte die hiesige Strafkammer, die Vereinigung der Strafanwälte. Dabei stand die Video-Veröffentlichung auf der Tagesordnung, auch wenn Strafkammer-Präsident Paolo Fava betont, dass bisher keine Meldung Massaris eingegangen sei.

Fest steht aber, dass sich die Strafkammer am Donnerstaggachmittag eingehend mit dem Fall befasst hat. Auch mit der Frage, ob wegen der Veröffentlichung des Videos Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet werden soll. Wegen Verstoßes gegen Strafrechtsartikel 329, Verletzung des Ermittlungsgeheimnisses.

Obwohl bereits ein Entwurf für eine Anzeige ausgearbeitet worden ist, gaben sich die Mitglieder der Strafkammer nach der gestrigen Sitzung zurückhaltend.

„Wir prüfen die Sachlage“, erklärte der Vorsitzende Paolo Fava.

Die Strafkammer will sich zudem mit den Anwälten der elf Tatverdächtigen in dieser Causa beraten. Neben Facchini, der weiter im Hausarrest bleiben muss, wird auch gegen sechs Unternehmer ermittelt. Sie sollen den damaligen amtsführenden Direktor des Amtes für Bauwesen im Sanitätsbezirk Bozen mit Sachleistungen bestochen haben. Um dafür Klein-Aufträge zu erhalten. Das Überwachungsvideo, auf dem ein Mann u.a. beim Zählen von 50-Euro-Scheinen zu sehen ist, gilt als stärkstes Beweismittel.

Eine Strafanzeige wegen Verletzung des Ermittlungsgeheimnisses, sollte sie am Ende zustande kommen, wäre auf jedem Fall für hiesige Verhältnisse ein Novum. Dass Ermittler vor Abschluss der strafrechtlichen Untersuchungen Belastungsmaterial veröffentlichen, ist hingegen nicht neu. So wurde etwa in der Penisring-Ermittlung gegen die freiheitliche Landtagsfraktion der Kassabon für den Einkauf im Beate-Uhse-Shop in Umlauf gebracht.

Diesmal geht es offenbar um mehr und die Strafkammer wird es sich gut überlegen, bevor sie sich auf einen Konflikt mit der Staatsanwaltschaft einlässt. Denn die Veröffentlichung der Pressemitteilung samt Video zum Fall Facchini ist vom Leitenden Oberstaatsanwalt Giancarlo Bramante am Montag ausdrücklich autorisiert worden.

Das Video mit der Geldübergabe wurde von der Finanzwache, unterlegt mit Disco-Musik, auf der nationalen Homepage veröffentlich und ist dort weiterhin abrufbar. Einige Journalisten haben sich die Datei mit den Aufnahmen am Sitz der Finanzwache in der Bahnhofsallee abgeholt.

Für den Sanitätsbetrieb war das große mediale Aufsehen, das das Video auslöste, einer der Gründe, Facchini am Dienstag zu entlassen. Wegen des damit ausgelösten Imageschadens. Am Tag zuvor war der Beamte suspendiert worden. Der Verteidiger des früheren leitenden Beamten erwägt, die Entlassung deswegen anzufechten.

 

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