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„Keiner Schuld bewusst“

Der Oberste Richterrat CSM hat den stellvertretenden Staatsanwalt von Mailand, Cuno Tarfusser, gerügt. Der Betroffene reagiert gelassen.

von Artur Oberhofer

Cuno Tarfusser befindet sich am Bahnhof in Rom, als ihn die TAGESZEITUNG am Dienstagabend telefonisch erreicht.

Wenige Stunden zuvor hatte der Oberste Richterrat den stellvertretenden Staatsanwalt von Mailand gerügt, weil dieser gegen die Leitlinien verstoßen habe.

Es geht um einen spektakulären Fall, der die ganze Nation seit Wochen in Atem hält: das Blutbad von Erba.

Im Jahre 2006 waren Olindo Romano und Rosa Bazzi wegen vierfachen Mordes und wegen versuchten Mordes zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden. Der Fall ging als „Strage di Erba“ in die italienische Kriminalgeschichte in.

Im Oktober vergangenen Jahres hatte Cuno Tarfusser in seiner Eigenschaft als stellvertretender Generalstaatsanwalt einen Revisionsantrag gestellt, weil er nach dem Studium der Akten zu der Überzeugung gelangt war, dass Olindo Romano und Rosa Bozzi nicht als Täter in Frage kommen. „Hätte ich diesen Revisionsantrag nicht gestellt, hätte ich nicht mehr schlafen können“, erklärte Tarfusser damals.

Es war in der Folge Cuno Tarfussers Vorgesetzte, die Leitende Generalstaatsanwältin von Mailand, Francesca Nanni, die ein Disziplinarverfahren gegen den Südtiroler Staatsanwalt beantragte. Die Chefstaatsanwältin fühlte sich übergangen.

Später, nachdem das Gericht in Brescia (überraschend) den Revisionsantrag zugelassen hatte, erklärte Nanni, sie sei auch dafür, dass der Fall noch einmal aufgerollt werde.

Nichtsdestotrotz zog sie den Antrag auf ein Disziplinarverfahren gegen Tarfusser vor dem Höchsten Richterrat nicht zurück.

Der Fall wurde am Dienstag verhandelt. Und er endete, wie eingangs erwähnt, mit einer Rüge für Tarfusser.

Der ehemalige Chefstaatsanwalt von Bozen und Richter am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, nahm die Rüge gelassen entgegen. Tarfusser erklärte gegenüber der TAGESZEITUNG: „Ich würde alles noch einmal und gleich machen, ich bin mir keiner Schuld bewusst.“

Er habe, fuhr Tarfusser fort, nur seine Arbeit gemacht. Und weiter in aller Schärfe: „Man muss in diesem System offenbar ein Lakaie sein, in jedem Fall ist es nicht mehr die Gerichtsbarkeit, in die ich eingetreten bin und der ich jahrzehntelang gedient habe.“

Der Oberste Richterrat sei – immer laut Cuno Tarfusser – zu einer „bürokratisch-salomonisch-opportunistischen Entscheidung“ gelangt. „Mir tut eine Rüge nicht weh, weil damit nur gesagt wird: Tu das bitte nicht wieder, wenn es aber zu einem Freispruch gekommen wäre, wäre das ein Desaster für die Generalstaatsanwaltschaft gewesen.“

Übrigens: Der Revisionsantrag wird am Freitag in Brescia verhandelt.

 

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