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Der Tabubruch

Bei der Post in Südtirol wird infolge der erneuerten Vereinbarung mit dem Land eine Zweisprachigkeitszulage ausgezahlt. Für deren Höhe zählt nicht mehr die Sprachkenntnis, sondern der Dienstgrad der Mitarbeiter. Ein Tabubruch.

von Thomas Vikoler

Die Zweisprachigkeit bei öffentlichen Diensten ist eine der Säulen der Autonomie, geregelt mit Gesetz 1165 aus dem Jahr 1961. Seitdem gilt das Prinzip, dass für die jeweilige Einstufung eine bestimmte Zweisprachigkeitsprüfung Voraussetzung ist. Und nach dieser wird die entsprechende Zweisprachigkeitszulage ausgezahlt. Nicht nur in der Landes- oder Gemeindeverwaltung, sondern auch bei Inhouse-Gesellschaften des Landes wie dem Busunternehmen SASA. Dort erhält ein leitender Verwaltungsangestellter mit Zweisprachigkeitsnachweis C1 (ehemals A) eine jährliche Zulage von 3.751,54 Euro, das sind immerhin 312,63 Euro monatlich.

Die Italienische Post ist zwar seit dem Jahre 1998 keine öffentliche Gesellschaft mehr und seit 2015 an der Börse quotiert, sie gehört aber weiterhin zur öffentlichen Sphäre weil mehrheitlich dem Wirtschaftsministerium. Entsprechend zahlt sie auch in Südtirol eine Zweisprachigkeitszulage aus, allerdings allein an jene Angestellte, die vor 2007 (per Wettbewerb) in den Postdienst eingetreten sind. Allerdings wurde die Zulage seit jenem Datum nicht mehr aufgewertet, sodass die am höchsten eingestuften Mitarbeiter 174,11 Euro brutto im Monat erhalten, jene der Besoldungsstufen B, C und D 145,09 Euro und die der Stufe E 116,08 Euro monatlich. Ausgezahlt wurde die Zulage laut Auskunft der Bozner Post-Zentrale Ende 2022 an 457 der rund 900 Angestellten in Südtirol.

Alle Mitarbeiter, die nach 2007 angestellt wurden, müssen zwar die Zweisprachigkeitsprüfung A2 (ehemals D) vorweisen, bekamen bisher aber keine Zweisprachigkeitszulage.

Das hat sich seit Jahresanfang geändert: Alle Postler erhalten auf der Grundlage des am 29. Dezember zwischen dem Land Südtirol und der Italienischen Post verlängerten Abkommens zur Sicherstellung der Postzustellung eine sogenannte Vereinbarungsentschädigung („idennità convenzionale“).

Die Verschlüsselung der Zweisprachigkeitszulage unter einem neuen Namen hat offensichtlich ihren Grund darin, dass hier ein Tabubruch stattfindet. Nämlich: Die Zweisprachigkeitszulage ist nicht mehr wie bisher an den entsprechenden Zweisprachigkeitsnachweis (C1, B2, B1 und A2) gebunden, sondern an den jeweiligen Dienstgrad der Postmitarbeiter. Die Vereinbarungszulage ist eindeutig an die „Förderung der Kenntnis der deutschen und italienischen Sprache“ gebunden, wie es in einem Rundschreiben der Post an die Mitarbeiter in Südtirol heißt.

Landeshauptmann Arno Kompatscher lobte die neue Zweisprachigkeitszulage bei der Vorstellung des Abkommens als eine Maßnahme, um die Attraktivität der Arbeit bei der Post zu erhöhen und entsprechend neue Mitarbeiter anzulocken. Eine Maßnahme, die freilich etwas kostet: Veranschlagt werden jährlich 1,2 Millionen Euro für die neue Vereinbarungsentschädigung, von der das Land höchstens 300.000 Euro übernimmt, die Post die restlichen drei Viertel.

Das Abkommen für den Postdienst kostet dem Land 3,2 Millionen Euro jährlich (die 300.000 Euro für die Zulage nicht mitgerechnet).

Die Gewerkschaften begrüßen zwar, dass nun die Kenntnis der zweiten Sprache nun für alle Postmitarbeiter honoriert wird, haben aber zwei Probleme damit. Erstens, dass sie gänzlich von den Verhandlungen zum Abkommen bzw. der neuen Zulage ausgeschlossen worden sind. Zweitens wegen des oben beschriebenen Tabubruchs, nämlich dass nachgewiesene Zweisprachigkeit nun allein an den Dienstgrad gebunden ist.

Ein leitender Angestellter der Post (Besoldungsstufen A1 und A2) erhält seit Jänner und bis zum Auslaufen der Vereinbarung am 31. Dezember 2026 im Monat 174,11 Euro brutto an Vereinbarungsentschädigung, auch wenn er allein den Zweisprachigkeitsnachweis C1 vorweisen kann. Für die Besoldungsstufen B,C und D gibt es 145,09 Euro monatlich, für die Besoldungsstufe E 116,8 Euro, für Stufe F 104,47 Euro.

Die Fachgewerkschaft für das Kommunikationswesen von AGB/CGIL, die ihre Eingeschriebenen vergangene Woche schriftlich über die Neuerung informiert hat, sieht in der neuen Zweisprachigkeitszulage eine Ungleichbehandlung der Mitarbeiter – und einen Rückschritt in Sachen Garantie eines zweisprachigen Dienstes.

Bei einem Gutteil der nach 2007 angestellten Mitarbeiter der Post handelt es sich um Italienischsprachige von außerhalb der Provinz, die den notwendigen Zweisprachigkeitsnacheis A2 (Ex-D) nicht in Südtirol erworben haben, sondern in einer gleichgestellten Sprachschule. Nachdem die Zulage nun an den Dienstgrad gebunden ist, besteht kein Anreiz, die Sprachkenntnisse zu verbessern, um etwaig mehr Zulage zu erhalten.

Ein Schalterbeamter in einem Postamt, der täglich mit Kunden zu tun hat und leidlich Deutsch spricht, bekommt dafür immerhin 145,09 Euro brutto monatlich, ohne dass er verpflichtet ist, diesen eine Auskunft in ihrer Sprache zu garantieren. Schließlich genügt ihm der Zweisprachigkeitsnachweis A2 für seine Einstufung. Ein vor 2007 angestellter Kollege bekommt gleich viel, musste aber die Zweisprachigkeitsprüfung B2 (Ex-B) absolvieren.

Die Gewerkschaft AGB/CGIL hatte das Land und die Post im Laufe des vergangenen Jahres mehrmals auf die Ungereimtheit hingewiesen. „Unsere Forderung, dass der effektive Grad des Zweisprachigkeitsnachweises die Grundlage für die Auszahlung der Zulage sein sollte, wurde aber nicht berücksichtigt“, heißt es in der Mitteilung an das Postpersonal.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (8)

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  • unglaublich

    1. Wenn die Zweisprachigkeitszulage nicht an den Zweisprachigkeitsnachweis gebunden ist, dann ist diese Zulage keine Zweisprachigkeitszulage.
    2. Dieses Instrument wurde „erfunden“ um die Motivation zur Zweisprachigkeit zu erhöhen. Das tut diese Zulage jetzt nicht mehr.
    3. Die Post funktioniert schlecht.. Wieso unterstützten wir diesen eigentlich wichtigen Dienst mit hinausgeschleuderten Geldern, oder meint jemand wirklich, dass mit dieser missbrauchten Zulage, die Post besser funktioniert.
    4. Was sagen die Freiheitlichen dazu? Sie hätten das wohl als Ni htregierungspartei verteufelt.

  • pingoballino1955

    Die Freiheitlichen sagen NICHTS wie üblich wenn es um heikle Tthemen geht!

  • genuaischgenua

    Und das für die Bozner Postämter, wo sehr viele absolut nicht zweisprachig sind. Die SVP schluckt in der Zwischenzeit ja jede Kröte, sogar die Regierungsbildung wird von Rom aus diktiert. Einfach nur zum Schämen.

  • brutus

    Ich fordere Gleichstellung!
    …die Schützen sollten dem Beispiel folgen, und für höhere Dienstgrade auch die Zulage auszahlen!

  • andreas69

    Olls lei Polemik, Hut von gestern. Die Fakten sprechen für sich. In Bozen wird italienisch gesprochen, und das schon sehr lange……… Da kann sich jeder aufregen wie er will. Die Italuener zählen nun mal 80% von 100.000. Alles klar?

    • vinschgermarille

      In Bozen waren sich viele Italiener immer schon zu fein , auch deutsch zu sprechen.Selbst in Geschäften wo eigentlich die “ Lingua del cliente “ anzuwenden wäre.Und 80% hin oder her, in Ordnung ist das nicht. Aber man hat es ja am Siegesplatz gesehen,welche Leute da das Sagen hatten.

      • andreas69

        Da hast du wohl recht. Müssen sie auch nicht, wo sowieso alles Italienisch spricht. In Triest wird auch nicht Slowenisch geredet, oder? Es ist viel nicht in Ordnung a7f der Welt, und das ist noch das kleinste Problem für diese Leute.

  • dn

    Und wieso schläft die Opposition zu diesem Thema?

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