Du befindest dich hier: Home » News » Das Reförmchen

Das Reförmchen

Koalitionsverhandlungen im Landtag

Von wegen Vollautonomie oder Freistaat: Fratelli d’Italia und Lega haben in den Verhandlungen deutlich gemacht, dass ein Autonomie-Ausbau über die „Zusagen“ von Giorgia Meloni hinaus für sie nicht in Frage kommt.

von Matthias Kofler

Das Autonomiekapitel ist das erste und damit augenscheinlich auch das wichtigste im Programm der Fünf-Parteien-Koalition aus SVP, Freiheitlichen, Fratelli d’Italia, Lega und Civica. Zugleich ist es aber auch eines der am wenigsten konkreten. Statt eines Arbeitsprogramms mit Maßnahmen und Zeitplan, wie von den Freiheitlichen versprochen, gibt es nur einen Verweis auf die Regierungserklärung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und auf den Verfassungsgesetzsentwurf, den Landeshauptmann Arno Kompatscher im Oktober letzten Jahres gemeinsam mit den anderen Sonderautonomien der Regierungschefin vorgelegt hat. Im Koalitionsprogramm werden auch die Antwort Melonis auf eine parlamentarische Anfrage der SVP-Senatorin Julia Unterberger und das jüngste Treffen zwischen Regionenminister Roberto Calderoli und dem LH erwähnt. Aus dem Papier geht jedoch nicht hervor, wie sich die fünf Partner die Autonomie Südtirols in Zukunft vorstellen. Vor fünf Jahren, als die SVP eine Regierungszusammenarbeit mit der Lega einging, war das noch ganz anders. Damals wurden auf einer ganzen Seite alle Kompetenzen aufgelistet, die Rom Südtirol übertragen sollte: von der Umwelt bis zum Arbeitsschutz, von der Digitalisierung bis zum Wolfs- und Bärenmanagement. SVP und Lega wollten auch die umstrittene Ortsnamenregelung lösen. Darüber findet sich im neuen Papier kein Wort.

Dass das Programm der Rechts-Koalition in dieser Hinsicht eher enttäuschend ist, hat einen einfachen Grund: Es gibt noch immer keinen wirklichen Konsens über die Ausweitung der Autonomie, weder zwischen Südtirol und Rom noch innerhalb der Südtiroler Mehrheitsparteien. Uneins ist man sich auch darüber, welche Rolle die Region künftig spielen soll. Klar ist nur, dass die „Vollautonomie“, die die SVP in den letzten Jahrzehnten als ihr großes Ziel proklamiert hat, in dieser Koalition nicht verwirklicht werden kann. Selbst die Freiheitlichen haben ihr Konzept eines Freistaates als – in den Worten von Otto Mahlknecht – „schöne Utopie“ bezeichnet.

Die Verhandlungsführer der Fratelli d’Italia und der Lega haben bei den Verhandlungen unmissverständlich klargestellt, dass sie nicht für eine Ausweitung der autonomen Kompetenzen sind, die über die von Meloni in Aussicht gestellte Wiederherstellung der Standards von 1992 hinausgeht. Außerdem sollte jeder Schritt in diesem Verfahren nur mit der ausdrücklichen Zustimmung Roms erfolgen. Dass Marco Galateo und Co. dies ernst nehmen, zeigte sich auch während der Verhandlungen, als Vertreter der italienischen Rechtsparteien immer wieder zum Handy griffen, um sich mit ihren Mutterparteien in Mailand und Rom zu beraten. Ein Delegationsmitglied der Freiheitlichen zeigte sich verwundert über die Staatstreue der rechten Partner: „Heißt das, wenn einer unserer Landesräte nach Rom fährt und Meloni vom Freistaat überzeugt, dann seid ihr plötzlich alle für den Freistaat?“, fragte das F-Mitglied in die Runde. Die deutschen Parteien behaupten, es sei ihnen gelungen, Passagen in das Programm aufzunehmen, die tatsächlich eine weitreichende Stärkung der Südtiroler Autonomie vorsehen.

Die Rechtsparteien bestreiten dies und verweisen auf wiederholte Verweise auf staatliche Kompetenzen, etwa im Bereich der Sicherheit. Außerdem geht es den Fratelli nach eigener Auskunft nicht so sehr um eine „Ausweitung“ der Autonomie, sondern um deren „Verbesserung“. Sie sind der festen Überzeugung, dass die Autonomie allen BürgerInnen, unabhängig von ihrer Sprachgruppe, Chancen bieten sollte, was bislang nicht der Fall sei.

Freiheitlichen-Obmann Otto Mahlknecht erklärt, dass er das ein Seiten starke Kapitel zur Autonomie im Koalitionsprogramm für „sehr konkret“ halte – obwohl es innerhalb der Mehrheit „natürlich jede Menge Wünsche“ zur Ausweitung der Autonomie gebe. Das Koalitionsprogramm verweise auf den Kompatscher-Entwurf, den er, Mahlknecht, nach sorgfältiger Überprüfung für „sehr gut“ erachte. Der LH-Entwurf sieht eine Novellierung der Sonderstatute – mit Ausnahme Siziliens – vor und zielt darauf ab, die Kompetenzen der autonomen Regionen und Provinzen, die das Verfassungsgericht mit seiner Rechtsprechung nach der Verfassungsreform 2001 ausgehöhlt hat, auf gesetzlichem Wege zurückzugewinnen. Die Grenzen der Südtiroler Landesgesetzgebung sollen laut Mahlknecht nicht mehr die Wirtschafts- und Sozialreformen des Staates sein, sondern europäische und internationale Rechtsgrundsätze. Ein wichtiger Aspekt des Vorschlags ist das vorgesehene Einvernehmensprinzip: Änderungen des Autonomiestatuts sollen künftig der Zustimmung des Regionalrats und des Landtags bedürfen, statt einer einfachen Stellungnahme.

Laut Mahlknecht sieht der Entwurf auch die Übertragung der Umweltkompetenzen auf die Regionen als Neuerung vor, genau wie der Vorschlag des Lega-Ministers Calderoli zur „differenzierten Autonomie“. SVP-Senatorin Unterberger erklärte im November 2023 im Parlament, dass man konkretere Antworten Melonis in Bezug auf die Zeiten der Umsetzung erwarte. „Den Worten müssen endlich Taten folgen. Der Text muss zügig dem Ministerrat vorgelegt werden, da eine Verfassungsreform lange Umsetzungszeiten hat“, so Unterberger damals. Aus der Autonomiegruppe verlautet, dass der LH in ständigem Austausch mit der Regierung in Rom stehe. Außerdem sei bereits vereinbart worden, dass ein bilateraler Arbeitstisch bis Juni einen gemeinsamen Vorschlag verfassen soll, der dann der Ministerpräsidentin überreicht werden kann.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (37)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.

2025 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen