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Nudeln für die Welt

Die 46 MitarbeiterInnen der Südtiroler Weltläden haben in Ferrara die Fair-Trade-Kooperative „altraQualità“ besucht, die seit 2002 Kunsthandwerk und Lebensmittel nach Italien importiert.

Interessiert, informiert und sensibilisiert sind die 46 Ehrenamtlichen, Freiwilligen und beruflichen Mitarbeiter*innen der Weltläden Latsch, Lana, Bozen, Kastelruth, Gröden, Brixen, Sand in Taufers, Sterzing und vom Netzwerk der Südtiroler Weltläden von der Lehrfahrt in die Emilia Romagna und in die Marken zurückgekommen.

Sie haben in Ferrara die Fair-Trade-Kooperative „altraQualità“ besucht, die seit 2002 Kunsthandwerk und Lebensmittel aus dem Globalen Süden nach Italien importiert. In Isola del Piano in der Provinz Pesaro und Urbino in den Marken haben sie außerdem die Kooperative Girolomoni besucht, die in Zusammenarbeit mit 400 Mitgliedsbetrieben Bio-Weizen anbaut, diesen in der betriebseigenen Mühle mahlt, zu Nudeln verarbeitet und in die ganze Welt verkauft. Girolomoni wurde als erste Genossenschaft Italiens mit dem WFTO-Siegel zertifiziert.

Die World Fair Trade Organization WFTO zeichnet Unternehmen und Genossenschaften mit dem WFTO-Siegel aus, die sich für eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Produzent:innen in Ländern des Globalen Südens einsetzen. Die WFTO besiegelt damit, dass Mitgliedsunternehmen sich an den zehn Prinzipien des Fairen Handels ausrichten. Dazu gehören die Schaffung von Chancen für wirtschaftlich benachteiligte Produzent:innen, Transparenz und Rechenschaftspflicht, faire Handelspraktiken, faire Bezahlung, keine ausbeuterische Kinderarbeit und keine Zwangsarbeit, gute Arbeitsbedingungen, Aus- und Weiterbildung der Mitgliedsbetriebe und Schutz der Umwelt. Dass auch eine italienische Genossenschaft dieses Siegel erhält, ist laut Brigitte Gritsch, der Koordinatorin der Südtiroler Weltläden, die mit auf Lehrfahrt war, ein sichtbares Zeichen dafür, dass auch in Italien längst nicht überall faire Produktionsbedingungen herrschen. Die seltene Zertifizierung durch WFTO zeuge davon, dass Domestic fair trade (Fairer Handel im Inland) genauso notwendig sei wie jener im Globalen Süden.

Der geerntete Weizen der Kooperative Girolomoni stammt aus der Region Marken und Umgebung. Gemahlen wird der Weizen in der Mühle auf dem Hügel von Montebello bei Urbino. Der Weizengrieß wird in der angrenzenden Nudelfabrik mit Wasser aus den lokalen Hügeln gemischt und zu den bekannten Girolomoni-Bio-Nudeln verarbeitet, die in die ganze Welt exportiert werden. Die Kooperative produziert auch andere Getreidesorten, Hülsenfrüchte, Reis, Saucen, Tomatenpüree, Olivenöl und Couscous. Bei allen Produkten, die unter der Marke Girolomoni vermarktet werden, handelt es sich ausschließlich um biologische Qualität.

Der Gründer Gino Girolomoni ist 2012 gestorben.

Häufig war Alexander Langer bei ihm zu Gast. Unvergessen bleibt die Aktion von Gino Girolomoni, als er vor mehr als 20 Jahren seine Vollkornnudeln als Nudeln deklarierte und dafür verklagt wurde. Er kochte aus Protest auf einem öffentlichen Platz in Rom seine Nudeln und gab sie an Vorbeieilende aus. Gar einige Jahre durfte er seine Produkte nicht als Nudeln bezeichnen – bis das Gesetz geändert wurde und Vollkornnudeln auch als Nudeln bezeichnet werden durften.

Es war dem Visionär ein Anliegen, die Umgebung und Landwirtschaft auf den Hügeln von Montebello aufzuwerten, den Menschen eine würdevolle Arbeit zu geben, die Wirtschaftskreisläufe lokal zu schließen und damit Landflucht zu unterbinden. Nach seinem Tod trugen die Söhne Girolomonis, seine Wirtschaftspartner*innen und Mitarbeiter*innen die Vision mit Leidenschaft weiter: „Gebt dem Land seine Würde zurück!“ ist ihr Motto.

Sie bewahren die Fruchtbarkeit des Bodens, respektieren die Artenvielfalt und die Menschen, gestalten die ländliche und bäuerliche Welt lebendig, fördern eine gerechte und bodengebundene Wirtschaft. Sie arbeiten dabei mit erneuerbaren Energien, zahlen für die Tätigkeit der Landwirt*innen eines fairen Preis, garantieren den Verbraucher*innen Produkte aus biologischen italienischen Rohstoffen. Das alte Kloster, das Gino Girolomoni vor vielen Jahren als Ruine übernommen hat, wurde inzwischen zu einem Gasthof und Lehrbauernhof umgestaltet. Die Kooperative beliefert u.a. auch Rapunzel, den führenden deutschen Bio-Hersteller aus Augsburg.

Sophie Baumgartner, seit einem Monat Zivildienerin beim Netzwerk der Südtiroler Weltladen, ist begeistert von Girolomoni und vom Angebot des GranoTurismo, der sich rund um die Genossenschaft entwickelt hat: „Zu Gast bei GranoTurismo zu sein bedeutet, die Versorgungskette von der Saat über das Feld bis auf dem Teller in der Gaststätte zu erleben. Wir haben bei diesen engagierten Menschen erfahren, was alles hinter Bio steht.“

Sie habe viel gelernt, Neues entdeckt und einen persönlichen Bezug zu den Menschen und Geschichten hinter den fair gehandelten Produkten bekommen. Das sei das Ziel dieser Lehrfahrt gewesen, erklärt Brigitte Gritsch, Koordinatorin der Südtiroler Weltläden. Sie will solche Lehrfahrten weiterhin jährlich anbieten.

Auch das Kennenlernen der Import- Fair-Trade-Kooperative „altraQualità“ in Ferrara ist für die 46 Reisenden wichtig gewesen.

Es sei wichtig, mit eigenen Augen zu sehen und zu verstehen, wie die Produkte aus dem Gobalen Süden nach Italien kommen sowie die Geschichten der Produzenten kennenzulernen, sagt Brigitte Gritsch. „altraQualità“ arbeitet mit 30 Partnerproduzent*innen in Asien, Afrika und Lateinamerika, außerdem mit 15 Sozialgenossenschaften und einer fairen Ethik verbundenen Unternehmen in Italien und Europa zusammen. Alle Produkte von „altraQualità“ werden im Rahmen einer transparenten und garantierten Lieferkette ohne Ausbeutung von Arbeitskräften importiert.

Man habe sich in seinem Leitbild vor Jahren für Nachhaltigkeit entschieden, erklärten die Verantwortlichen von „altraQualità“. Es sei möglich, als Betrieb langsam zu wachsen und dabei ein ethisch geprägtes Wirtschaftsmodell zu verfolgen. Fairer Handel sei eine lohnende Alternative zum herkömmlichen Handel.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (2)

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  • andreas1234567

    Hallo zum Abend,

    und morgen ketten oder kleben die gleichen geistigen Pechvögel dann auf Strassen und Flughäfen fest um den Planeten zu retten.
    Preisfrage für angestrengte Denker: Wie, ja wie nur bekommt man das tolle fair produzierte Zeugs aus dem globalen Süden denn nun nach Südtirol? Und die so tollen Nudeln die „weltweit“ verkauft werden, wie genau kommen die weltweit zu den unten? Braucht der hippe US-Ameriakner in New York oder der Hobbykoch in Sydney das jetzt echt?

    Scheinheiligkeit und Blödheit tanzen lachend Hand in Hand über die Blumenwiesen der Träume..

    Applaudieren sie diesen Aktivisten bitte weiter, hier gibt es nichts zum Nachdenken..

    Auf Wiedersehen auf einem Südtiroler Hofladen, da wird lokalnah produziert und von der Theke in die Tasche exportiert

  • pingoballino1955

    Könnte es sein dass R.Theiner sein Gewissen beruhigen muss ??????

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