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„Das ist unsportlich“

Hans Kammerlander erklomm mit Reinhold Messner (fast) den Gipfel des Annapurna. Wie die Pusterer Bergsteiger-Legende mit den „Pseudo-Alpinisten“ und „Erbsenzählern“ abrechnet.

von Christian Frank

Es war der 16. Oktober 1986, als die Berichterstattung über Reinhold Messner die Einschaltquoten des Südtiroler Regionalfernsehens in bis dato nicht erreichte Höhen katapultierte und er selbst Alpingeschichte schrieb. Zusammen mit Hans Kammerlander erklomm er den Gipfel des im Himalaya gelegenen Achttausenders Lhotse und verewigte seine über 15 Jahre lang andauernden Leistungen mit einem Weltrekord. Er war der vermeintlich erste Mensch, welcher alle 14 Achttausender bestiegen hatte. Obendrein tat er dies völlig ohne Sauerstoffhilfe.

Nun wird ihm dieser Titel streitig gemacht, denn Messner habe den Gipfel des Achttausenders Annapurna, der zehnthöchsten Erhebung der Welt, nie erreicht.

Das wirft ihm eine Hand voll Bergsteigexperten, allen voran der Himalaya-Chronist Eberhard Jurgalski, vor und sorgten bereits dafür, dass das Guinness Buch der Rekorde Messner den Weltrekord aberkannte.

Der US-Amerikaner Edmund Viesturs wird nun an seiner Stelle als Rekordhalter angegeben. „Völliger Blödsinn“, sagt Hans Kammerlander. Der 66-Jährige bestieg mit Messner sieben der 14 Achttausender und vollführte mit ihm auch die erste Achttausender-Doppelüberquerung.

Ebenso war er bei der Besteigung des in Frage stehenden Annapurna an Messners Seite.

„Man muss sich diese Lächerlichkeit mal vorstellen. Diese Leistung wurde ja nicht nur Reinhold aberkannt, sondern auch dem Zweitplatzierten der Rekordliste Jerzy Kukuczka und dem Drittplatzierten Erhard Loretan. Allesamt sind sie große Bergsteiger, welche alle 14 Achttausender ohne Sauerstoff erklommen, haben“, erklärt Kammerlander.

Der ehemalige Extrembergsteiger rechnet mit dem neuen Rekordhalter ab: „Es ist eine Schande, dass so ein Pseudo-Alpinist, der Sauerstoffhilfe benutzte, nun an seiner Stelle steht. Er war zuvor auf Platz fünf der Rangliste. Es war ein sehr tiefes Niveau, wie Viesturs den Gipfel erklommen hatte. Die Art und Weise ist nicht vergleichbar mit dem von Messner oder Loretan. Mit Sauerstoffhilfe kann die Belastung zur Erklimmung eines Achttausenders um gut 2.000 Meter verringert werden. Das ist eine unsportliche Aktion und nicht in derselben Liga.“

Kammerlander attestiert anlässlich dieses Eklats der Alpinwelt und deren Geschichte ein regelrechtes Armutszeugnis: „Die alpine Geschichte wird komplett verschandelt und verfälscht. Mir persönlich ist es scheißegal, ich habe nicht alle Achttausender erklommen. Ob es nun einer mehr oder weniger ist, ist nicht relevant. Mir geht es aber um diejenigen, die solch große Erfolge geleistet haben. Dass man diese so bei den Eiern nimmt, das finde ich für die alpine Geschichte eine Schande. Ein Aufruhr über so eine Haarspalterei, die Menschheit ist entgleist und die Welt spinnt total“, beanstandet Kammerlander.

Auch für den Chronisten Eberhard Jurgalski findet er klare Worte und schildert zur Verteidigung Messners, wie es damals beim Besteigen des Berges war: „Es ist bedenklich, wenn ein Chronist, welcher noch nie auf einem Berg war, sich so in die Alpinwelt einmischt und sich wichtig macht. Er solle mal selbst die Nordwand des Annapurna vor sich emporragen sehen, wo wir hinaufklettern mussten. Als wir da oben waren und durch die Wolkendecke brachen, herrschten schlechte Verhältnisse, ein sehr stürmisches Wetter. So etwas wie ein GPS hatten wir zu der Zeit nicht. Es war unmöglich zu erkennen, ob irgendwo noch ein Stein oder etwas Ähnliches für einen kleinen Höhenunterschied sorgt.“

Hans Kammerlander empfindet, dass das Wesentliche in dem laufenden Diskurs außer Acht gelassen werde und man bei dieser „Erbsenzählerei“ vergesse, worauf es bei einer Bergbesteigung ankommt.

„Es gilt den Unterschied zu machen, ob ein Gipfel um wenige Meter unbewusst verfehlt wurde oder die weitere Besteigung nicht möglich war. Es mussten viele Bergsteiger knapp unter dem Gipfel umkehren, weil sie es nicht schafften“, berichtet der Luttacher. „Mir selbst ist beispielsweise bei der Erklimmung des Shishapangma erst später aufgefallen, dass ich dort tatsächlich nur einen Mittelgipfel erreicht hatte. Die Erklimmung des etwas höher gelegenen Ostgipfels wäre aber auch routentechnisch nicht mehr drin gewesen. Dieser Aufstieg wurde nicht gezählt. Eine solche Situation kann man aber mit der von Messner nicht vergleichen. Ohne überhaupt darüber nachzudenken, hätten wir diese fünf Meter auf den Gipfel geschafft, es lag nicht an Leistungsschwäche. Es muss schlichtweg Toleranz für solch kleine Verfehlungen geben“, erklärt Kammerlander.

Entgegen Messners gelassener Aussage, dass ihm die Aberkennung des Rekordes nichts bedeute, da er ihn nie beansprucht habe, besinnt sich sein alpiner Mitstreiter durchaus an den Wert, den der Rekord für Messner hatte: „Der Rekord hat definitiv eine wichtige Rolle für Reinhold gespielt. Ich habe es bei den letzten beiden Achttausendern, die ihm noch gefehlt haben, gespürt. Es ging ihm um den Gipfel und nicht mehr um die kreative Route. Soll heißen, er wollte am effizientesten ans Ziel für den Rekord. Es war immerhin ein heiß entgegengefiebertes Unterfangen, wer es nun als erster schafft, und Reinhold war sicher jemand, der sehr erfolgsorientiert war. Extrembergsteigen ist eben ein Sport wie jeder andere, und jemand, der sich in diesen Wettlauf begibt, der will und muss abliefern. Sonst kann er nicht überleben. Keiner macht so etwas nur für sich.“

Abschließend bekräftigt Kammerlander die Pionierarbeit, welche Messner geleistet hat, und seinen Status in der Alpingesellschaft: „Jeder Alpinist, egal ob Freund oder Kritiker, wird sagen, dass er Messner diesen Erfolg zuspricht, davon bin ich zu hundert Prozent überzeugt.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (10)

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  • andreas

    Der Ami hat doch selbst gesagt, dass er den Rekord nicht will und für ihn Messner der Erste war.
    Den Ami Pseudo-Alpinist zu nennen, steht Kammerlander nicht zu.

    Jurgalski, welcher die Berge nur vermessen hat, bestimmt nicht über die Rekorde, sondern hält sich nur an Fakten. Der Weltrekord wurde ihm vom Guinnesbuch aberkannt.

    Kammerlander sollte sich eigentlich jegliche öffentliche Aussage bzw. ein Urteil über etwas sparen, moralisch tiefer sinken wie er, schaffen wohl wenige.

    „Ein Aufruhr über so eine Haarspalterei, die Menschheit ist entgleist und die Welt spinnt total“,
    Wie muß einer gestrickt sein, um so einen Blödsinn von sich zu geben?

  • svea

    Für mich ist und bleibt Reinhold Messner ein Bergsteiger, der unangefochten auf eine Lebensleistung zurückblicken kann, die seinesgleichen sucht. Wenn es am Ende um fünf Meter gehen soll, angesichts von Dimensionen und Höhen, die für Nicht-Alpinisten jenseits jeder Vorstellungskraft sind, dann mag das für „Erbsenzähler“ und kleinliche Bürokraten wichtig sein, für Menschen, die den Blick auf das Gesamte haben, ist es völlig irrelevant.
    Wäre es Reinhold Messner ausschließlich um den Weltrekord gegangen hätte er auch den „einfacheren“ Weg wählen können. Andererseits tut man sich als Weltrekordhalter leichter die Finanzierung für aufwändige Expeditionen aufzutreiben.
    Traurig ist es allemal, dass man das außerordentliche Lebenswerk einer Person vom Schreibtisch aus, im nach hinein, diskreditieren kann.

    • andreas

      Er wird doch nicht diskreditiert, es wurde doch nur festgestellt, dass er bei einer Besteigung nicht ganz auf dem Gipfel war.

      Um Berge zu vermessen, muß niemand auf den Gipfel, so lange Maßbänder gibt es nicht, deshalb sollte es logisch sein, dass das nur vom Schreibtisch aus geht. Das ist keine Erbsenzählerei, sondern physikalische Fakten.
      Nebenbei hat Messner selbst gesagt, dass es bessere Bergsteiger als ihn gab, nur hat keiner von denen überlebt.

  • heracleummantegazziani

    Es heißt im Übrigen „die“ Annapurna, nicht der Annapurna, daher ist die Deklination im Artikel durchwegs falsch.
    Der Name Annapurna stammt aus dem Sanskrit ist ein Synonym für die Bezeichnung einer Göttin, daher ist der Genus feminin.

  • asterix

    Ich bin bei Gott kein Messnerfan. Aber ob er jetzt ungewollt ein paar Meter links oder rechts auf dem Gipfelgrat gestanden ist, ist wirklich haarspalterei. Diese Gipfel sind schneebedeckt und der allerhöchste Punkt ist nicht einmal so ohne weiteres sichtbar. Er ist ja nicht kurz vor dem Giofel umgekehrt, er war oben.

  • nochasupergscheiter

    Wieder mal der Andreas hier…
    Völlig irrelevant diese Diskussion…
    Einige mögen vielleicht sogar meinen es geht hier um 5 m Höhe…
    Traurig aber wahr, ein paar Meter weiter links oder rechts auf einem 8000er und unsere Bürokraten werden aktiv…
    Dass die Welt nicht mehr weiterkommt, dass wir es so weit haben, wir wir es haben, lieber Andreas, dazu tragen Menschen wie du mit ihrer unbeirrbaren Meinung bei, die ich hier immer lesen muss.
    Dabei meine ich gar nicht dass deine Meinungen immer schlecht sind, neinein…
    Manchmal hast du auch gute Meinungen die mich überraschen…
    Jedoch zählt für dich, oft nur immer deine Meinung, die nichts mit Hausverstand zu tun hat, du behauptest und schimpfst über andere, und fühlst Dich niemals schlecht und im Unrecht… Du gibst niemals einen fehler zu…
    Dieses gegängle über die paar m, wo man sich fragt, wer überhaupt Zeit hat solche Sachen in Frage zu stellen, und wer so dumm sein kann bei einem 8000er du mm zu vermessen, wer oben war oder nicht, das zeigt wieder mal wie oberflächlich alle geworden sind…
    Und wie gemein…
    andres trägt wohl auch einen aluhut, nur sieht er den Schatten nicht, den dieser vor lauter selbstgefälligkeit wirft..
    Da lobe ich mir jeden, der seinen aluhut aus anderen Prinzipien trägt, weil dieses wohl meistens Angst nicht Überheblichkeit ist…
    ok, Nun warte ich auf den wurf der Steine, weil erwarten dass Andreas einsieht wie unsinnig diese Diskussion eigentlich ist, das kann nicht…

  • beigre

    Ach was streitet ihr euch so drum, ob einer oben war oder nicht auf allen Viertausendern? Das Leben zu leben, das man hat, ist entscheidend und nicht es anderen schwer zu machen.
    Deshalb ist all dieses Hin und Her, wer der Größte, der Erste, der Schnellste usw. ist, ein leerer Versuch der Wichtigtuerei, der Eigensüchtelei, die eigentlich so für sich selbst in der Natur ohnehin zum Scheitern verurteilt ist, weil wir alle irgendwo dort ein Teil davon und eingezwängt sind im Netzwerk der Materie, Kräfte und Ressourcen, die in den allerwengisten Fällen wir allein auch nur minmal mitbestimmen können, wobei wir meist dieses Geflecht mehr stören als stabilisieren.

  • artimar

    Die Welt der Rekorde eben. Messner der erste, der mutmaßlich ohne Sauerstoffflasche zum Qomolangma aufstieg und am Gipfel stand; der erste, der (bislang) alle Achttausender bezwang; der erste der mutmaßlich Yeti begegnete; der erste, der den Mann im Eis, „Ötzi“, mit seinen Stöcken maltatierte … die meisten Berg-Museen in Südtirol hat.
    Irgendein Rekord wird ihm wohl bleiben.
    Ansonsten könnte ja Messner auch dafür dankbar sein, dass er all die Touren überlebt hat.

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