Du befindest dich hier: Home » Chronik » Schwindeliger Advokat?

Schwindeliger Advokat?

Foto: 123RF.com

Ein Südtiroler Anwalt muss sich vor Gericht wegen Übervorteilung einer psychisch labilen Klientin verantworten. Er ließ sich von ihr eine Honorarnote von 230.000 Euro bezahlen und wollte ihr Eigentum zu einem Spottpreis verkaufen. Die Staatsanwaltschaft beantragte für ihn zwei Jahre Haft.

von Thomas Vikoler

Anwälte gemeinhin als mächtig, weil sie sich in rechtlichen Dingen, die für die meisten Bürger zu kompliziert sind, gut auskennen. Also sind diese auf ihre Dienste angewiesen, ob die Advokaten die Unwissenheit ihrer Klienten dabei ausnützen oder nicht, ist eine andere Frage. Fälle von völlig überzogenen Honorarnoten sind jedenfalls keine Seltenheit.

Am Bozner Landesgericht wird derzeit einer von ihnen verhandelt, der allerdings erheblich über einen Honorarstreit hinausgeht. Die Staatsanwaltschaft hat gegen einen deutschsprachigen Südtiroler Anwalt Anklage wegen Übervorteilung einer wehrlosen Person nach Strafrechtsartikel 643 erhoben, am Mittwoch ging vor Richter Emilio Schönsberg die Vorverhandlung über die Bühne.

Der Anwalt, der von seinem Kollegen Luciano Andrea Miori vertreten wird, hat sich für ein bedingtes verkürztes Verfahren mit Anhörung einiger Zeugen entschieden. Am Mittwoch wurden die Schlussplädoyers gehalten, am 9. November soll das Urteil gesprochen werden. In das Verfahren hat sich als Nebenklägerin eine heute 77-jährige Frau eingelassen, deren Vertrauen der Südtiroler Anwalt laut Anklage schamlos missbrauchte. Und nicht nur.

Die Frau wandte sich im Jahre 2018 an den Advokaten. Es gab Probleme mit einer Erbschaft, einen geschlossenen Hof, den sie gemeinsam mit ihrem Bruder erhalten hatte. Laut Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft litt die Frau bereits damals an einem depressiv-reaktiven Syndrom, das offenbar durch die Erbschaftsprobleme ausgelöst worden war. Später wurden bei der Frau auch Symptome von Demenz und eine kognitive Störung festgestellt.

Das Vertrauen der Frau in ihren Anwalt scheint jedenfalls groß gewesen sein: Zwischen September 2018 und Jänner 2020 überwies sie ihm für seine Dienste ein Honorar von unglaublichen 230.504,38 Euro. Kurioserweise wurde in den Honorarnoten nicht genau spezifiziert, für welche Leistungen die Summe berechnet wurde.

Dass die Frau den hohen Betrag bezahlte, dafür könnte es einen weiteren Grund geben. In der Anklageschrift gegen den Anwalt ist davon die Rede, dass dieser früh eine Eingabe bei der Staatsanwaltschaft machte. Diese wurde aufgefordert zu überprüfen, ob die Frau bei der Verwaltung des Vermögens ihres Bruders Rechtswidrigkeiten begangen hat. In der Eingabe wird die Frau/Klientin wörtlich als „Tatverdächtige“ bezeichnet.

Ein Druckmittel, um die Frau zur Zahlung der Honorarnoten zu bewegen?

Im weiteren Verlauf seines Mandats für die heute 77-Jährige mischte sich der Anwalt laut Anklageschrift zunehmend in ihre finanziellen und persönlichen Angelegenheiten ein. Etwa in die Verwaltung ihres Bankkontos, aber auch in die Beziehung zur Psychiaterin, bei der die Frau in Therapie war.

Und dann gibt es einen weiteren Punkt aus der Anklage, bei dem es wiederum um sehr viel Geld ging, nämlich den Verkauf der geerbten Hälfte eines geschlossenen Hofes. Der Anwalt überzeugte seine Klientin, einen Kaufvorvertrag zu unterzeichnen.

Ein Vertrag mit für sie wenig vorteilhaften Bedingungen: Die Frau sollte ihre Hälfte um einen Spottpreis von 125.000 Euro verkaufen. Grundlage dafür waren zwei vom Anwalt eingeholte Schätzungen, die laut Anklage erheblich unter dem Marktpreis lagen. In einer Schätzung vom 27. Mai 2019 war der gesamte Hof 535.000 Euro wert, in einer weiteren vom 26. März 2020 lediglich 443.540 Euro.

Laut einer weiteren Schätzung, welche der Nebenkläger-Anwalt für das Strafverfahren in Auftrag gegeben hat, ist die Hälfte des geschlossenen Hofes mindestens 600.000 Euro wert.

Dessen Verkauf kam am Ende nicht zustande: Ein Neffe der Frau wandte sich an einen Anwalt, dem es gelang, den Deal zu stoppen.

Luciano Andrea Miori, der Verteidiger des Anwalts, erinnerte in seinem Plädoyer am Mittwoch daran, dass der Verkauf nicht zustande gekommen und folglich kein Schaden entstanden sei. Das rekordverdächtige Honorar bezeichnete Miori als disziplinarrechtliche Angelegenheit, mit der sich die Anwaltskammer befassen müsse und nicht der Strafrichter.

Die Staatsanwaltschaft hält den Anwalt dagegen für verantwortlich und beantragte in der Verhandlung eine Strafe von zwei Jahren Haft (drei Jahre Haft abzüglich des Drittels für das verkürzte Verfahren).

Das von der Anwaltskammer gegen den Angeklagten eingeleitete Disziplinarverfahren auf der Grundlage der Strafanklage ist in Erwartung eines rechtskräftigen Urteils ausgesetzt worden. Ob es zu einem rechtskräftigen Schuldspruch kommt, ist fraglich: Die dem Anwalt vorgehaltene strafbaren Handlungen verjähren zwischen 2024 und 2026.

Zumindest theoretisch droht dem Advokaten disziplinarrechtlich eine zeitweise Suspendierung der Berufsausübung oder gar eine Löschung aus dem Berufsverzeichnis.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (13)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen