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Bleibt es teuer?

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Die Inflation sinkt langsam, aber der Verbraucher spürt davon kaum etwas in seinem Portemonnaie. Wie AFI-Direktor Stefan Perini die Lage bewertet.

Tageszeitung: Herr Perini, im letzten Quartal des vorigen Jahres lag die Inflation in der Gemeinde Bozen über zwölf Prozent, im Februar waren es 9,3 Prozent und im vergangenen Monat lag sie bei 8,5 Prozent. Wie lässt sich dieser Rückgang erklären?

Stefan Perini: Wir haben jetzt einen Umkehrtrend, d.h. mit Jahreswechsel hat die Inflationsrate begonnen zurückzugehen. Die Preissteigerungsrate bildet sich wieder langsam zurück. Der Hauptgrund für diesen Rückgang sind die sinkenden Energiepreise. Der Inflationsdruck nimmt ab. Auch die wieder funktionierenden Lieferketten bewirken eine Rückbildung der Inflation.

Warum ist der Rückgang nun langsamer als erwartet?

Ich habe keinen Zweifel, dass die Inflation weiter abnehmen wird. Das heißt aber nicht, dass die Preise billiger werden. Das bedeutet nur, dass die Preissteigerungen weniger markant ausfallen als noch vor vier oder fünf Monaten, wo es Preissteigerungen von bis zu 12,5 Prozent gab – immer im Zwölfmonatszeitraum gemessen. Jetzt sind wir bei 8,5 Prozent, d.h. dass der klassische Warenkorb im April 2023 teurer als noch im letzten April ist. Zum Jahresende bahnt sich eine Inflation von vier oder fünf Prozent an, so dass wir dann über das Jahr gerechnet eine Inflationsrate von sechs oder sieben Prozent hätten.

Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) ist eine Teuerung von zwei Prozent pro Jahr. Mit welchen Instrumenten soll dies erreicht werden?

Die EZB hat in einem relativ kurzen Zeitraum in mehreren Schritten den Leitzinssatz angehoben. Mittlerweile ist der Leitzins im Vergleich zum Niveau vor über einem Jahr auf über vier Prozentpunkte gestiegen. Dieses Instrument ist wirkungsvoll, wenn man die Nachfrage bremsen muss. Das ist eine sogenannte Nachfragesoginflation. Wenn aber die inflationäre Tendenz eher von der Angebotsseite ausgeht, also von den steigenden Energiepreisen beispielsweise, dann nennt man das Kostendruckinflation, und dann ist die Anhebung des Leitzinses eigentlich nicht so wirkungsvoll.

Die Zinserhöhung wird zunehmend kritisiert. Zurecht?

Das Risiko ist, dass man die Konjunktur abwürgt. Der hohe Leitzins bedeutet, dass die Kreditkosten steigen und teilweise die Investitionsbereitschaft der Unternehmer untergräbt und auch die Bereitschaft von Privatpersonen, Darlehen aufzunehmen.

Gibt es Alternativen zu den bereits eingesetzten Instrumenten?

Funktionierende Märkte sind schon eine gute Voraussetzung. Man müsste darüber hinaus dafür sorgen, dass genügend Wettbewerb besteht, denn dort wo wir marktbestimmende Positionen haben, werden diese Kostensteigerungen ausgenutzt, um die Preise nach oben zu heben. Wir sehen meistens eine Assymetrie: Die Unternehmen sind sehr schnell mit dem Anheben der Preise und eben nicht so schnell mit dem wieder Absenken derselben. Das kann man nicht für die Gesamtwirtschaft sagen. Ein weiterer Grund, warum die Preise nicht so schnell wieder heruntergehen, sind die sogenannten Zwei-Runden-Effekte. Das ist die klassische Lohn-Preis-Spirale. Nach diesem Aufflammen der Inflation werden entsprechende Lohnforderungen gestellt. Wenn die Löhne aber steigen, bedeutet das wieder höhere Kosten für die Unternehmen, die dann nochmal die Preisen erhöhen. Es gibt allerdings zwei Gründe, warum sich die Inflation in Italien im Vergleich zum übrigen Europa schneller zurückbilden könnte: Zum einen hat Italien eine relativ geringe Kerninflationsrate, zum zweiten bahnt sich an, dass die Zwei-Runden-Effekte niedriger ausfallen als in den deutschsprachigen Nachbarländern, weil die Lohnforderungen in Italien sehr wahrscheinlich weniger stark durchgesetzt werden können als in den deutschsprachigen Nachbarländern.

Warum merkt der Verbraucher noch immer so wenig vom Rückgang der Inflation?

Weil es gerade diese Preise sind, die wir täglich wahrnehmen. Da haben wir bedeutende Preissteigerungen zu verzeichnen. Vor allem bei Lebensmitteln und in den Gastronomieprodukten. Das sind aber die Preise, die uns im Gedächtnis bleiben. Man muss sich jedoch vergegenwärtigen, dass in diesem Warenkorb auch sehr viele andere Produkte enthalten sind, z.B. Handy, Computer, wo es teilweise sogar Preisnachlässe gibt. Der Verbraucher hat demzufolge eine verzerrte Wahrnehmung von der Preisdynamik.

Wie viel Geduld müssen die Verbraucher noch aufbringen, um eine spürbare Erleichterung bei den Ausgaben des täglichen Konsums zu spüren?

Man muss sich als Verbraucher allgemein bewusst sein, dass wir jetzt zwei Jahre lang, zwischen 2022 und 2023, sehr starke Preissteigerungen hatten bzw. haben werden. Wir hatten eine Inflationsrate von 9,7 Prozent im Jahr 2022 und erwarten für heuer nochmal sechs bis sieben Prozent Inflation. Das bedeutet im Umkehrschluss in nur 24 Monaten eine Preissteigerung von ungefähr 16 Prozent bzw. ein Sechstel weniger Kaufkraft. Lohnsteigerungen in dieser Größenordnung wären somit gerechtfertigt, nur um die Kaufkraft zu sichern, die wir 2021 hatten.

Interview: Sandra Fresenius

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Kommentare (6)

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  • olle3xgscheid

    Das heißt aber nicht, dass die Preise billiger werden. 

    Mit dem ist alles gesagt, in Südtirol.mit Sicherheit nicht 😉

  • brutus

    Wenn die Aspiag einen Rekordumsatz vermeldet aber der Verbraucher jeden Euro umdrehen muss, wissen wir wie der Hase läuft!

  • foerschtna

    Die gigantische Geldmengenausweitung der letzten 15 Jahre entfaltet jetzt eben ihre toxische Wirkung. Und das trotz Rückganges der Energiepreise auf das Vorkriegsniveau. Putin als Alleinschuldiger fällt zunehmend aus…

  • sougeatsnet

    Die Dummen sind die normalen Arbeiter und Angestellten. Während man in den nördlichen Ländern die Löhne immer wieder angepasst haben, musste bei uns bei den Gehältern gespart werden. Die Preise wurden aber erhöht, letztlich haben wir stark an Kaufkraft verloren. Die Folgen sind klar, für einige einige wenige aber total unverständlich. Wir sind die Schönsten und Bestigschten.

  • dn

    Die Coronahilfen, Impfstoffe und der Krieg in der Ukraine – das alles muss bezahlt werden. Nicht von denen, die es anschaffen, nein, berappen darf Dumpfbacke Bürger. Die Politiker erhöhen sich ihre Diäten, der Bürger darf doppelt blechen. Solange der Bürger nicht muckt, nur weiter so.

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