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Kein Prozess gegen Serientäter

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Sie legten laut Anklage im Herbst 2019 in Südtirol eine Serie von 69 Wohnungseinbrüchen hin und wurden verhaftet. Nun ist das Verfahren gegen die beiden Albaner G.A. und A.X. am Landesgericht eingestellt worden. Eine Justiz-Posse.

Von Thomas Vikoler

Einige der Opfer der im November und Dezember 2019 begangenen Wohnungseinbrüche waren bei der Hauptverhandlung am Mittwoch vergangener Woche am Landesgericht Bozen als Nebenkläger anwesend. Und sie verstanden die Welt nicht mehr. Sie mussten mit ansehen, wie Richterin Giulia Rossi das Strafverfahren gegen den 30-jährigen G.A. und den 29-jährigen A.X., beide albanische Staatsbürger, einstellte.

In ihrem Urteil verwies die Richterin auf Artikel 13, Absatz 3quater des Einwanderungsgesetzes (Bossi-Fini). Dieser sieht vor, dass Strafverfahren gegen Personen, die vor Zulassung der Anklage durch ein Gericht ausgewiesen worden sind, zu beenden sind. Ohne strafrechtliche Folgen für die Betroffenen.

Dass es zur Anwendung von Artikel 13 in diesem Fall kam, dafür mussten vorher einige Schritte vollzogen worden sein, die sich nachträglich als Justiz-Posse erweisen.

Denn eigentlich war am Bozner Landesgericht bereits im Jahre 2021 ein Hauptverfahren gegen die beiden Tatverdächtigen gestartet. Ihnen wurden dort laut Anklage der Staatsanwaltschaft nicht weniger als 69 Wohnungseinbrüche, ein Großteil davon in Südtirol, vorgeworfen. Begangen im November und Dezember des Jahre 2019 u.a. in Bozen, Leifers, Branzoll, Auer, Kaltern, Eppan, Lana und Meran. Die beiden Albaner waren laut Erkenntnissen der Polizei Einbruchs-Pendler. Von ihrem Quartier in Verona aus begaben sie sich nach Südtirol, um dort mehr oder weniger jeden Tag Einbrüche zu verüben. Bei einer Hausdurchsuchung in Verona wurden 30.000 Euro in bar und zahlreiches Wertgegenstände sichergestellt.

Doch bereits im Juni 2020 waren G.A. und A.X. wieder auf freiem Fuß, die sechsmonatige U-Haft war abgelaufen bzw. vorher nicht verlängert worden. Es gab die strittige Frage, ob die Frist wegen Corona zu verlängern gewesen sei oder nicht. Ein Kassationsurteil nützte den beiden Tatverdächtigen.

Bald nach der Enthaftung verfügte der Quästor mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ihre Ausweisung aus Italien, die auch vollzogen wurde.

Dass die Hauptverhandlung gegen sie wieder abgebrochen wurde – und Artikel 13 greifen konnte -, geht auf einen Einwand ihrer Verteidiger Nicola Nettis und Corrado Faes zurück. Sie wiesen den Richter darauf hin, dass einige Anklageakten (im Gegensatz zum zweisprachig formulierten Haftbefehl) nicht übersetzt worden waren. Laut Artikel 143 der Strafprozessordnung muss jeder Beschuldigte über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe (in seiner Sprache) Kenntnis haben, wenn er nicht erweisenermaßen Italienisch spricht. Andernfalls ist die Anklage nichtig.

Also wanderte der Akt wieder zurück an die Staatsanwaltschaft, die neuerlich Anklage erhob. Zu einem Zeitpunkt, als die die Ausweisung von G.A. und A.X. bereits erfolgt war. Dies führte nun zur Einstellung des Verfahrens. Bei einer Verurteilung hätte die beiden Albaner eine Haftstrafe zwischen acht und zehn Jahren erwartet – und die Einbruchsopfer eine Anerkennung ihres Schadens.

Sollten die beiden Freigesprochenen in den kommenden zehn Jahren nicht in Italien angetroffen werden, kann das nun eingestellte Strafverfahren gegen sie gemäß Cartabia-Reform nicht mehr aufgenommen werden.

 

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