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Freiheit & Ehre

Zwei Exponenten von Casapound stehen in Bozen wegen Falschaussage zum Fall Bella Ciao vor Gericht. Die Hintergründe.

Der Fall des minderjährigen Bozners, der vor dem Sitz der erklärt faschistischen Organisation Casapound im Jänner 2016 verprügelt wurde, weil er die Partisanenhymne Bella Ciao abspielte, ist strafrechtlich inzwischen abgeschlossen: Davide Brancaglion, ehemaliger Casapound-Stadtviertelrat, wurde 2019 – nach einem Freispruch in der ersten Instanz – zu sechs Monaten Haft wegen Körperverletzung verurteilt.

Die Kassation hat das Urteil des Oberlandesgerichts kürzlich bestätigt.

Am Mittwochgab es am Bozner Landesgericht eine weitere Verhandlung zu einem Verfahren, das unmittelbar mit ihm zusammenhängt: Zwei Exponenten von Casapound, darunter Ex-Gemeinderat und Anführer Andrea Bonazza, 42, müssen sich dort wegen Falschaussage verantworten.

So soll Bonazza gegenüber den Ermittlern zunächst erklärt haben, sich zum Zeitpunkt des Bella-Ciao-Zwischenfalles im Inneren des Sitzes in der Cesare-Battisti-Straße befunden zu haben. Einen Tag später bei einer Aussage gegenüber der politischen Polizei Digos sagte er, er habe sich am Siegesplatz befunden, um wegen dort aufgehängter Plakate nachzusehen.

Was also?

Federico Fava, Bonazzas Verteidiger, bestreitet den Widerspruch in den Aussagen nicht und räumt folglich eine Lüge ein.

Er ist aber der Ansicht, dass für diese die Strafprozessordnung Straffreiheit vorsieht.

Artikel 384 aus dem Jahre 1930 sieht dies tatsächlich für Fälle vor, wenn eine korrekte Aussage dem Zeugen einen „Nachteil für Freiheit und Ehre“ einbringen könnte. So also wolle Bonazza nicht mit einer Ansammlung von rund 20 Exponenten von Casapound, die sich laut Digos-Bericht am Tatort aufhielten, in Zusammenhang gebracht werden.

Weil zwei Ermittler im Prozess als Zeugen angehört werden müssen, vertagte Richterin Giulia Rossi die Verhandlung auf 26. September. Bereits im Juli tritt die Verjährung ein. (tom)

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (3)

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  • pingoballino1955

    Italienisches Musolinigestz der Faschisten von 1930 immer noch gültig? Ein Skandal!

    • snakeplisskien

      Die gesamte Materie der „Öffentlichen Sicherheit“ fußt auf das zur Faschistenzeit erlassene Königliche Dekret. Es handelt sich also um nichts Sonderbares.

      Was anstößt ist, dass eh nichts herauskommt, weil mit der nächsten Verhandlung dann ja bloß die Verjährung festgehalten wird.

  • artimar

    Welche weitere Zeugeneinvernahme braucht eigentlich ein Gericht, wenn ein Angeklagter bzw. sein Anwalt die Straftat der falschen Zeugenaussage bereits von sich aus freiwillig eingeräumt?
    Um aber offenbar nicht über die fragwürdige national-faschistische „Ehre und Freiheit“ dieses ehrenwerten Angeklagten befinden zu müssen, wurde im Wissen um den Verjährungseintritt im Juli nun sogar auf September vertagt.
    Kein Wunder, dass da das allgemeine Vertrauen in das herrschende Rechtssystem zusehens schwindet.

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