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Die „Gettonari“

 

Die Bozner Lega-Gemeinderäte Kurt Pancheri und Roberto Selle haben die Gemeinderatssitzung für ein Eishockey-Spiel geschwänzt. Sitzungsgeld wollten sie dennoch kassieren.

von Markus Rufin

„Das ist eine Schande. Die Gettonari haben gewonnen. Jetzt können sie die Sitzungen nicht nur von zu Hause aus oder beim Abendessen verfolgen, sondern im Urlaub, beim Spaziergang, beim Autofahren“, das sagte der Lega-Vertreter Kurt Pancheri Anfang des Jahres als der Bozner Gemeinderat dafür stimmte, dass es bis Ende der Amtsperiode möglich ist, auch online an den Sitzungen teilzunehmen.

Seine Befürchtung, dass Gemeinderatsmitglieder nun an den Sitzungen teilnehmen, nur um sich das Sitzungsgeld in Höhe von 120 Euro abzuholen, in Wahrheit aber mit völlig anderen Dingen beschäftigt sind, sollte sich bewahrheiten. Ausgerechnet Pancheri selbst zählt aber offensichtlich zu den von ihn so bezeichneten „Gettonari“. Statt an der Sitzung teilzunehmen, schauten er und sein Fraktionskollege Roberto Selle sich lieber ein Spiel des HC Bozen an, das Sitzungsgeld kassierten sie aber dennoch.

Doch von Anfang an: Die Sitzung fand am vergangenen Dienstag, zum ersten Mal nach drei Jahren wieder im Gemeinderatssaal statt. Pancheri war online zugeschaltet, Selle saß zu Beginn noch im Rathaus. Da viele Gemeinderäte zum ersten Mal an einer Sitzung im Saal teilnahmen und zudem überprüft werden musste, ob auch mit der Online-Zuschaltung alles klappt, wurde der offizielle Sitzungsbeginn von 18.00 Uhr auf 19.00 Uhr verlegt. Beide Gemeinderäte nahmen aber an der Testphase teil.

Es folgte gegen 19.00 Uhr der Apell. Sowohl Selle als auch Pancheri meldeten sich. Nur wenige Minuten später dreht Pancheri seinen Bildschirm nach oben, es ist dann noch zu sehen, wie er aufsteht, anschließend ist aber nur noch seine Deckenlampe eingeblendet.

Und dies bleibt sie auch im Verlauf der gesamten Sitzung. Auch Selle verlässt den Saal, schaltet sich später dann aber wieder online zu – mit einem künstlichen Hintergrund.

Am Tag darauf postet Selle ein Foto auf Facebook, auf dem er mit Pancheri in der Sparkasse Arena zu sehen ist.

Es ist offensichtlich, dass also beide lieber beim Spiel des HCB waren, als an der Sitzung teilzunehmen. Wobei: Selle schaltete sich später online zu und nahm auch an den Abstimmungen teil. Pancheri hingegen gab während der gesamten Sitzung weder eine Wortmeldung noch eine Stimme ab. Die gesamte Zeit über war nur seine Deckenlampe zu sehen – auch nachdem die Sitzung längst beendet war.

Kurioserweise führte die Abwesenheit der beiden Lega-Funktionäre auch im Bozner Gemeinderatsaal für Chaos. Die Ordnung des Gemeinderates besagt nämlich, dass die online zugeschalteten Mitglieder bei der Abstimmung zu sehen sein müssen. Sollte dies nicht der Fall sein, müssen die Stimmzähler den Präsidenten des Gemeinderates darauf aufmerksam machen.

Das geschah auch bei der Sitzung am Dienstag: Weil nur Pancheris Deckenlampe zu sehen war, dauerte es mehrere Minuten bis schlussendlich entschieden wurde, dass seine Stimme nicht zählt.

Angesprochen auf seine Abwesenheit bei der Sitzung – abgesehen vom Appell, der nötig ist, um das Sitzungsgeld zu erhalten – behauptet Pancheri, dass er die Sitzung weiterverfolgt habe. Zwar macht er keinen Hehl daraus, dass er auch beim HC Bozen war, das Foto sei allerdings 20 Minuten nach Sitzungsende entstanden: „Nur weil man mich nicht sieht und ich an den Abstimmungen nicht teilnehme, heißt das nicht, dass ich nicht zuhöre. Es handelte sich auch um für mich uninteressante Beschlüsse.“ Dass es sich dabei nicht um die ganze Wahrheit handelt, ist für jeden, der den Livestream der Sitzung ansieht, offensichtlich.

Roberto Selle hat wenigstens noch an einigen Abstimmungen teilgenommen, muss sich aber genau den gleichen Vorwurf wie Pancheri gefallen lassen, denn die Sitzung begann um 19.00 Uhr. Das Spiel des HCB hingegen um 19.30 Uhr. Da die Sitzung rund eineinhalb Stunden dauerte, ist davon auszugehen, dass Selle und Pancheri zumindest ein Teil des Spiels parallel zur Sitzung verfolgt haben.

Selle behauptet, er habe an der Sitzung teilgenommen, weil das neue System zum ersten Mal ausprobiert wurde und die Fraktionsvorsitzenden gebeten wurden, an der Sitzung teilzunehmen, um sicher zu gehen, dass die Technik funktioniert.

Pancheri sieht in seinem Verhalten jedenfalls keinen Skandal: „Ich bin einer der Gemeinderäte, der am häufigsten bei den Sitzungen dabei ist. Außerdem kommt es auch bei Sitzungen in Präsenz vor, dass gerade Mitglieder der Mehrheit den Saal immer wieder verlassen.“

Trotzdem ziehen er und Selle nun Konsequenzen. Beide haben auf das Sitzungsgeld – das erst später ausgezahlt wird – verzichtet – allerdings erst im Nachhinein. Weil Pancheri vermutet, dass Mitglieder anderer Parteien, dafür gesorgt haben, dass die Debatte rund um die „Getonari“ forciert wird, kündigt er an: „Ich weiß, dass auch andere Mitglieder während Freizeitaktivitäten an den Sitzungen teilgenommen haben. Ich werde das jetzt überprüfen und öffentlich machen.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (15)

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  • brutus

    …ihr seid einfach nur peinlich!

  • gulli

    Man muss halt Prioritäten setzen im Leben und Hockey ist nun mal wichtiger als Gemeinderatssitzungen, vor allem wenn man die Vergütung dennoch abkassieren kann!

  • andreas

    Das Erstaunliche ist nicht mal, dass sich Politiker Sitzungsgelder erschleichen wollen, die in Brüssel sind Spezialisten dafür, sondern dass sie auch noch zu dämlich sind, sich nicht erwischen zu lassen.

    Es sollte sich versuchten Betrug handeln und eigentlich sollten beide unverzügluch den Gemeinderat verlassen.

    Passiert aber nicht, Südtiroler Politiker haben nämlich keine moralischen Werte oder ungeschriebene Gesetze, bei welchen sie nicht mehr tragbar sind, siehe Schuler, Lanz, Taber, Köllensperger.

    • susim

      Selle Leit wia der Tauber brauchn holt is Geld.

    • george

      ‚andreas‘, du könntest dich absolut auch dazu zählen, denn deine Moral ist häufig auch nicht vorhanden.

    • gerhard

      Da hat Du leider Recht, Andreas
      Moralische Werte gibt es in der Südtiroler Politik offensichtlich nicht.
      Ein vorbestrafter Verbrecher, Durnwalder, der nachweislich Gelder veruntreut und damit gestohlen hat, Schuler und andere Clowns, die ungerechtfertig 600 Euro einsacken.
      In Deutschland und vermutlich jedem anderen zivilisierten Land der Welt würde ein solch unredlicher Lump zurücktreten.
      Peinlichkeit, Reue, Schuldgefühl oder Scham kennen diese Lumpen nicht.
      Hauptsache, auf dem nächsten Bild in der Zeitung wird der Name genannt.

      Ich frage mich nur, was machen diese „Herren“ wenn es nicht nur 120 Euro sind, oder 600, wie reagieren diese karakterlosen „Herren“, wenn es um richtige Summen geht, um bestimmte Interessen durchzuwinken.
      Können Menschen bei höheren Summen NEIN sagen, wenn dies nicht einmal bei 120 Euro gelingt.

      Und wie abgehoben und wie verächtlich gegenüber der Bevölkerung muss man sein, wenn es einen nicht einmal interessiert, ob man ertappt wird, weil der Betrug ja sooo offensichtlich ist.
      Oder sind die am Ende einfach nur grenzenlos dämlich.
      Gier frisst Hirn ???

      Und sicherheitshalber, ja, Andreas, solche Lumpen gibt es natürlich auch in Deutschland.
      Aber wenn Sie ertappt werden, dann treten sie auch(zwangsweise) zurück.
      Dafür sorgt dann schon die jeweilige Partei.

  • yakari

    Das scheint nun aber mir eines der letzten unserer Probleme zu sein. Und es gibt Politiker, die Sitzungen aus viel banaleren Gründen fernbleiben.

  • susim

    Schamen isch für de a Fremdwort.

  • snakeplisskien

    Und dann liest man, dass das Sitzungsgeld evtl. durch ein Gehalt ersetzt wird und somit alles in einer einzigen Sitzung von einer Dauer von ca. 7 Stunden abgewickelt werden könnte. Das Gehalt könnte so in etwa 1.300 Euro betragen. Für einen Tag im Monat!!!!

  • george

    Ihr habt wohl allesamt recht wenig Ahnung über die Gemeinderatstätigkeit und werft alle in den selben Topf. Und wenn es drauf ankommt, „fresst“ ihr auch aus demselben Topf, woraus sich auch die anderen unmoralisch bedienen. Seid dieselben „Zoggler“, wenn ihr an den Topf herankommt und spielt die Moralisten dann, wenn ihr jene dabei erwischt, die euch nicht zu Gesicht stehen. Die Schandtaten der eigenen Parteigänger und Sympatisanten deckt ihr zu oder redet sie klein.

  • prof

    Wahrscheinlich haben sie auch noch Gratiskarten für das Spiel bekommen.

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