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„Jeder Fall macht fassungslos“

Roland Reicher (Foto: kmb)

Gewalt an Frauen ist keine Privatangelegenheit, auch wenn sie in den eigenen vier Wänden geschieht, betont Georg Oberrauch, Vorsitzender der Katholischen Männerbewegung.

Am 19. März wird der Tag des Heiligen Josef begangen.

Der biblische Josef sei der Prototyp des Kümmerers gewesen, sagt der stellvertretende Vorsitzende der Katholischen Männerbewegung (kmb) in Südtirol Roland Feichter. Die Männerbewegung thematisiert anlässlich des Josefitages Gewalt an Frauen: Gewalt an Frauen und Mädchen zähle zu den häufigsten Menschenrechtsverletzungen und gehe meist von Männern aus.

Nach offiziellen Schätzungen wird jede dritte Frau einmal im Leben Opfer von Gewalt. 2019 hat in Südtirol in fast zwei Dritteln aller Fälle der Partner Gewalt an Frauen ausgeübt, in weiteren 20 Prozent der Fälle war es der Ex-Partner. Gewalt an Frauen ist keine Privatangelegenheit, auch wenn sie in den eigenen vier Wänden geschieht, betont Georg Oberrauch, Vorsitzender der kmb.

In Südtirol haben sich im Jahr 2021 mehr als 600 Frauen an Gewalt-Kontaktstellen gewandt; die Dunkelziffer wird weit höher geschätzt. Gewalt hat verschiedene Gesichter: körperliche, sexualisierte, psychische, soziale und finanzielle Gewalt, Stalking und Belästigung. Jeder Fall mache fassungslos und sei mit der Frage verbunden, wie es soweit kommen konnte, sagt Roland Feichter. „Als Katholische Männerbewegung möchten wir dieses Thema ansprechen, auch wenn viele es lieber übergehen, weil es unangenehm und komplex ist“, unterstreicht der stellvertretende Vorsitzende der Männerbewegung. Es gelte, gemeinsam Wege aus der Gewalt zu finden und präventiv zu handeln.„Gewalt und ihre vielen Facetten blockieren, verhindern, hemmen die Lebendigkeit und die Leichtigkeit, nach der wir uns sehnen“, veranschaulicht Roland Feichter.

Georg Oberrauch (Foto: kmb)

Der heilige Josef gilt als Schutzpatron der Ehe, als Kümmerer und Ziehvater von Jesus. Roland Feichter vermutet, dass Josef heute nicht allzu lange analysieren würde, sondern sich auf den Weg machen und das Thema Gewalt konkret angehen würde. „Josef hat ein Zeichen gesetzt, indem er zu Maria gestanden ist, die nicht von ihm schwanger war.“ Er habe damit einiges riskiert und neue Wege eröffnet. In unserer nach wie vor patriarchalen Gesellschaft und Kirche sei nicht „das Männliche“ an sich die Schwierigkeit, sagt der stellvertretende Vorsitzende der kmb. Vielmehr sei es das Einseitige, das Übersehen und nicht Beteiligen von weiblichen Qualitäten, der mangelnde Kontakt zwischen Kopf, Herz und Hand.

Auch der Vorsitzende der kmb Georg Oberrauch betont, dass Josef sich in dieser anspruchsvollen Situation nicht aus dem Staub gemacht hat: „Er ist – auch wenn es in der damaligen Kultur und Gesellschaft wohl sehr schwierig war – zu Maria gestanden und hat seinem Ziehkind Jesus eine wertvolle Voraussetzung geschaffen.“ Der Grundwert Frieden, verstanden als eine Entscheidung für Gewaltlosigkeit und Gewaltfreiheit, habe seinen Ursprung in pazifistischen Traditionen, erklärt Georg Oberrauch. In der Charta der Vereinten Nationen von 1945 werden „Frieden und Sicherheit“ als Grundlage der zwischenmenschlichen Existenz und Entfaltung gesehen. Die Katholische Männerbewegung könne durch Gespräch, Austausch und konstruktive Auseinandersetzung einen Zugang und ein Gespür für die Nöte der Männer entwickeln und darauf aufmerksam machen.

Roland Feichter ergänzt: „Männer, die begreifen, dass sehr oft die eigene Hilflosigkeit zu Übergriff und Gewalt führt, bekommen durch dieses Erkennen eine Wahl: die eigene Not in schwierigen Momenten zu erkennen und mit dieser gut umzugehen, anstelle Schuld unreflektiert auf andere – auf Frauen – zu schieben.“ Gewalt geschieht häufig unter Alkoholeinfluss. Sich zu betäuben, ob mit Alkohol, Arbeit, durch ständige Aktivität oder durch Flucht in die digitale Welt, würde Menschen von sich selbst entfremden und bringe keine nachhaltige Lösung, sagt Georg Oberrauch. Solche Muster zu durchbrechen, eröffne neue Wege. Der Josefitag könne als Nachdenktag und die Fastenzeit als Nachdenkzeit dafür genutzt werden. „Muster, denen wir ausgeliefert sind, sind häufig problematisch“, sagt der Vorsitzende der Männerbewegung. „Wir können durch Männerrunden, durch den Austausch – natürlich auch mit Frauen – aufzeigen, dass die meisten Probleme und Nöte überwindbar sind und alte Muster überflüssig machen.“Dazu brauche es aber ein waches Hinschauen, ein Erkennen und eine zunehmende Bewusstheit. Diese Bewusstheit komme nicht zufällig oder einfach daher, sie erfordere echtes Begegnen, vor allem mit sich selbst.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (3)

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  • erich

    Gewalt an Frauen wird zunehmen, dies aus mehreren Gründen, ebenso Gewalt von Frauen an Männer. Junge Frauen provozieren immer mehr mit geziehlter leichter hautenger Kleidung. Dazu kommt noch der Alkohol und immer mehr Drogen. Weniger Verständnis gegeneinader und weniger Konsumverzicht. Physisch ist in 90% der Mann der Stärkere, so ist es logisch, dass bei gesteigerten Gewaltausbrüchen gewöhnlich die Frau, öfter die Leittragende ist.

  • pat

    Klingt als of Gewalt an Männern ok wäre und hat einen heuchlerischen Beigeschmack.
    Die Hintergrundgeschichten dieser „Gewalt an Frauen“-Fälle werden nie an die Öffentlichkeit dringen. In sehr vielen Fällen ist es nämlich nicht ein A-loch von Ex-Mann, sondern ein von der Ex-Frau im vornherein attackierter, und mit allen gesetzlichen Mitteln fertig gemachter Mann.
    Und durch die ständige verschärfung der Gesetze, wird die Situation nur verschlimmert. Eins Sprichwort lautet: „Es gibt nichts gefährlicheres als ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hat.“
    Es versetzt sich wohl niemand in die Lage eines Mannes der sein Leben lang geackert hat um sich mit der Partnerin eine Wohnung zu leisten mit der sie samt Kinder leben können. Geht die Beziehung in Brüche, wird das gemeinsame Gut nicht aufgeteilt, sondern der Mann muss ausziehen und zusätzlich zum Unterhalt für die Kinder, die er, wenns gut geht, ein Mal die Woche sieht, weiterhin Raten für die Wohnung zahlen in welcher die Ex bereits ihren Neuen beglückt. Die Unterhaltsraten für die Kinder sind meist so hoch angesetzt, dass die Ex damit die Hälfte für sich selbst ausgeben kann. Dazu kenn ich genug Fälle wo die Ex mit verschiedensten Ausreden den Ex-Partner die Kinder nicht besuchen ließ, trotz Richterlicher Anordnung. Machen kann dieser so gut wie nichts wenn die Ausrede passt. Im Gegenteil, er muss sich einen Anwalt nehmen den er sich sowiso meist nichtmal leisten kann. Dass in solchen Fällen der ein oder andere durchtickt sollte bei gesundem Hausverstand eigentlich nachvolziehbar sein. In solchen Fällen kann nur die Aufhebung der gesetzlichen Benachteiligung der Männer etwas bewirken. Aber dazu müsste man halt auch vom heuchlerischen Gutmenschdenken abweichen.

  • cosifantutte

    So isses, danke fuer die akkurate Beschreibung des Phänomens.

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