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Extremer Schlafplatzmangel

Archivbild: Ex-Alimarket

In Südtirol gibt es zwar über 1.000 Obdachlose aber offiziell nur 500 Übernachtungsmöglichkeiten. Das geht aus einer Anfrage der Freiheitlichen Ulli Mair hervor.

von Markus Rufin

Dass Südtirol ein Mangel an Schlafplätzen für Obdachlose hat, ist seit langem klar. Insbesondere die Gemeinde Bozen hatte mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass sie bei der Unterbringung der Personen ohne Wohnung nahezu alleine dastehe.

Intensiviert wurde diese Diskussion nachdem Anfang Dezember ein junger Ägypter in Bozen erfror, weil er keinen Schlafplatz im Ex-Alimarket erhalten hat. In der Folge wurde auch nach weiteren Schlafplätzen gesucht – und zwar landesweit. Alle Gemeinden sollten sich nach geeigneten Strukturen umsehen und diese dann melden. Ziel der Landesregierung war es, bis Jahresende insgesamt 150 Plätze zu finden. Gelungen ist das allerdings nicht.

Das zeigt auch die Tatsache, dass in der Nacht auf Mittwoch 25 Obdachlose in der Turnhalle der WFO Bozen übernachten mussten. Alle anderen Strukturen, inklusive Ex-Alimarket und Ex-Mercanti-Kaserne, die nach dem Tod des Ägypters als Übernachtungsplatz für Obdachlose umstrukturiert wurde, waren voll besetzt.

Wie Soziallandesrätin Waltraud Deeg berichtet, wurde sowohl die Gemeinde als auch das Land von den vielen Anfragen überrascht: „Die Obdachlosen melden sich untertags am Infopoint für einen Schlafplatz an. In der Nacht auf Dienstag kamen so viele Anfragen, dass die Alternative gewesen wäre, die Leute auf der Straße übernachten zu lassen. Das kommt für uns aber nicht in Frage.“

Es habe im Vorfeld keine Hinweise darauf gegeben, dass es an diesem Tag so viele Anfragen geben wird, so erklärt Deeg, dass noch über Weihnachten gerade einmal 30 Plätze in der Mercanti-Kaserne vergeben wurden und dort genügend Schlafplätze zur Verfügung gestanden hätten. In der Nacht auf Mittwoch war die Mercanti-Kaserne hingegen ausgelastet.

Die Möglichkeit, das Turnhallen als Notunterkünfte herhalten, hatte das Land im Dezember bereits geschaffen. Dass weitere Turnhallen in den nächsten Tagen als Notunterkunft herhalten müssen, hält Deeg für nicht wahrscheinlich, auch weil der Bedarf an Plätzen täglich schwankt.

Dass es aber in Südtirol massiv an Übernachtungsmöglichkeiten für Obdachlose fehlt, ist offensichtlich. Die Tatsache, dass eine Turnhalle nun als Übernachtungsmöglichkeit herhalten musste, beweist dies erneut.

Wie groß der Mangel tatsächlich ist, beweist eine aktuelle Anfrage von der Freiheitlichen Landtagsabgeordneten Ulli Mair. Sie möchte mit ihrer umfangreichen Anfrage unter anderem in Erfahrung bringen, wie viele Obdachlose es in Südtirol insgesamt gibt und wie viele Schlafplätze zur Verfügung stehen.

Die Zahl der Obdachlosen dabei zu quantifizieren ist aber nicht einfach, wie Deeg in ihrer Antwort schreibt: „Die Wohnungs- und Obdachlosen sind nämlich von einer gewissen Mobilität geprägt, d.h. es gibt mehrere Personen, die sich nur für einen bestimmten Zeitraum in Südtirol aufhalten. Somit ist an einem gewissen Stichtag nur ein Teil der im Jahresverlauf registrierten Personen anwesend.“

Hinweise geben allerdings die Jahresberichte der Niederschwelligen Streetworkingdienste. Diese haben 2021 insgesamt 1.507 unterschiedliche Personen auf der Straße angetroffen, 1.402 davon in Bozen. 1.150 wurden wiedererkannt. Das heißt, es handelt sich um Personen, über die die Streetworkingdienste auch ausreichend Informationen haben.

1.507 wohnungslose Personen gab es also im Jahr 2021. Doch das bedeutet noch lange nicht, dass alle diese Personen einen Platz in einer Notunterkunft beanspruchen, wie Deeg betont: „Es handelt sich hierbei um Personen, die erkannt wurden. Das heißt aber nicht, dass es jetzt 1.500 Obdachlose in Südtirol gibt.“ Einige von ihnen könnten beispielsweise bei Bekannten die Nacht verbringen, andere halten sich dagegen nur für einen gewissen Zeitraum in Südtirol auf und ziehen im Winter weiter, bevor sie dann wieder nach Bozen zurückkehren.

Wie viele Obdachlose es gibt, die auch Anspruch auf eine Notunterkunft haben, kann dementsprechend nur geschätzt werden. 94 Prozent der Obdachlosen seien Männer, 87 Prozent seien Nicht-EU-Bürger. Fälle von obdachlosen Minderjährigen sind dem Land nicht bekannt.

Besonders interessant ist allerdings Mairs Frage nach den Strukturen für Obdachlosen. Die Antwort der Landesrätin: In Südtirol gebe es 15 Strukturen, die Platz für rund 500 Personen bieten. Nicht mit dabei sind unter anderem die Ex-Mercanti-Kaserne sowie verschiedene CAS-Strukturen, die allerdings nur Asylbewerber aufnehmen können. Personen, deren Asylbewerbung abgelehnt wurde, müssen in einer Notunterkunft übernachten.

Besonders erschreckend dabei: Nur 116 Plätze gibt es außerhalb von Bozen. Die Gemeinde Brixen – immerhin Südtirols drittgrößte Stadt – bietet nur eine Struktur für Obdachlose an, die nur zehn Plätze beinhaltet. Angesichts solcher Zahlen ist es nicht verwunderlich, dass Turnhallen als Notunterkünfte herhalten müssen.

Auch der Aufruf, nach dem Tod des Ägypters, dass sich die Gemeinden nach geeigneten Strukturen umschauen sollten, hat an dieser Zahl nichts geändert. Wie Deeg erklärt, habe das mehrere Gründe: Unter anderem sei es sehr schwierig geeignete Strukturen zu finden, weil es sich um große Hallen oder Gebäude handeln sollte, die über die nötigen sanitären Strukturen verfügen. Doch auch die Führung der Strukturen sei ein Problem.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (2)

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  • olle3xgscheid

    1000 Obdachlose, darf man das glauben? Wer sind die ? Fragen über Fragen.
    In Meran wurden für Verwandte und Familien der Wehrdienstigen, ( Militär) extra Wohnungen gebaut, zu welchen Preis, Miete, usw gibt es,ein Geheimniss….und Platz ist in den Kasernen sehr viel..

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