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Das Wolfs-Quartett

Im Landtag sagt eine parteiübergreifende Koalition dem Wolf den Kampf an. Ihr gemeinsames Ziel: eine schnelle, unbürokratische und „vernünftige“ Entnahme von Großraubwild.

von Matthias Kofler

Josef Unterholzner, Andreas Leiter Reber, Ulli Mair und Franz Locher sind sich einig: „Es ist allerhöchste Zeit zu handeln.“ Mittlerweile würden täglich aus allen Seiten Südtirols Wolfsrisse gemeldet. Vonseiten der Politik sei aber bislang wenig unternommen worden. Die Bauern und Tierhalter fühlten sich von den Verantwortungsträgern alleingelassen. Deshalb haben sich die vier Landtagsabgeordneten jetzt zu einer Art Koalition zusammengeschlossen, um einen gemeinsamen Begehrensantrag an das römische Parlament und die italienische Regierung zu richten. Unterholzner und Co. könnten unterschiedlicher nicht sein. Doch es eint sie das Ziel, den Großraubwildtieren nach Jahren der politischen Untätigkeit den Kampf anzusagen.

Den Stein ins Rollen brachte der jüngste Bozen-Besuch von Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida. Die Regierung in Rom werde nach einer „pragmatischen Lösung“ suchen, kündigte der Vertreter von Fratelli d’Italia an. Denn: Der Wolf sei „nicht mehr vom Aussterben bedroht“. Josef Unterholzner hat sich unmittelbar nach dem Minister-Besuch mit Alessandro Urzì, dem Statthalter der Meloni-Partei in Bozen, in Verbindung gesetzt und ihm die Grundzüge seines Begehrensantrags illustriert. Urzì, der vor seinem Wechsel in die römische Abgeordnetenkammer ein Vierteljahrhundert im Landtag gesessen hatte, war von der Idee sofort angetan. Die ersten drei Forderungen im Begehrensantrag würden in etwa dem entsprechen, was die Regierung in Rom in Sachen Wolf-Management vorhabe. Es gehe darum, für den gesamten Alpenraum die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, um den Abschuss der problematischen Großraubwildtiere zu ermöglichen. Zudem sollen die zum Abschuss Berechtigten dem Datenschutz unterliegen, um keinen Anfeindungen von radikalen Tierschützern ausgesetzt zu sein. Laut Erstunterzeichner Unterholzner werden die Wolfsangriffe immer mehr zu einem Existenzproblem. Nicht nur für die um ihre Ziegen und Schafe bangenden Bauern, sondern auch für die besorgten Dorfbewohner. Der Enzian-Politiker schlägt Alarm: „Der Wolf nähert sich immer mehr den bewohnten Gebieten. Kein Wunder, denn vielleicht hat es sich unter den Wölfen herumgesprochen, dass ihnen keine Gefahr drohen darf.“

Bemerkenswert ist, dass die Wolf-Koalition sich nicht nur aus Oppositionspolitikern, sondern mit Franz Locher auch mit einem Vertreter der Regierungsmehrheit zusammensetzt. Der Sarner, der sich wegen der Bauernbund-Vorwahlen im Wahlkampf befindet, gehört zu den größten Kritikern von Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler. Sein Vorwurf: Der Landesrat handle zu zögerlich. Schuler wiederholt seit Jahren mantraartig, dass es ein wolfsfreies Südtirol nicht geben werde. Man müsse lernen, mit dem Wolf zu leben. Das hören die Landwirtschaftsvertreter nicht gerne. Die Landesregierung arbeitet darauf hin, die Wolfspopulation und die damit verbundenen Schäden und Gefahren einzugrenzen. Auch Einzelabschüsse sollen künftig erlaubt werden. In Brüssel soll hierfür eine Änderung des Artikels 16 der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie erwirkt werden, in dem der Schutzstatus des Wolfes geregelt wird. Parallel dazu soll in Rom dafür sensibilisiert werden, dass Südtirol und andere Regionen des Nordens entlang des Alpenbogens durch ein eigenes Gesetz nicht auf ein positives Gutachten der ISPRA, des Obersten Instituts für Umweltschutz und -forschung angewiesen sind, wenn es um Entnahmen geht.

Für Locher und Co. geht das nicht weit genug: Politik und Tierschützer sollten endlich begreifen, dass nicht nicht nur Bär und Wolf, sondern auch Schafe, Kälber und Menschen zu schützende Lebewesen seien, heißt es in dem gemeinsamen Begehrensantrag, der in der kommenden Woche im Landtag behandelt wird. Ursprünglich wollte Unterholzner den Antrag sogar schon im Dezember zur Abstimmung bringen, wovon ihm Landtagvizepräsident und Bauern-Vertreter Sepp Noggler aber abgeraten hat. Dass Wolf und Mensch ein Auskommen finden werden, bezweifeln die vier Abgeordneten stark. Der Lebensraum des Menschen in den Alpen habe sich bis weit über 2.000 Meter Meereshöhe ausgeweitet. Nicht aus Spaß, sondern aus Notwendigkeit seien Wolf und Bär in den Alpen ausgerottet worden. „Durch die – unseres Erachtens vollkommen unvernünftigen Bestimmungen – läuft man Gefahr, dass das Bauernwesen und der Tourismus in diesen Zonen vollkommen aufgegeben werden müssten. Viele Traditionen wie zum Beispiel Almabtrieb oder Transhumanz sind dem Untergang geweiht“, zeichnet die Allianz aus SVP, Freiheitlichen und Enzian ein düsteres Bild an die Wand. Der Begehrensantrag dürfte im Landtag eine breite Mehrheit finden. Vereinzelte Gegenstimmen dürften nur von den Grünen und vielleicht vom Team K kommen. Mit dem aktuell geltenden Management tue man weder dem Wolf noch dem Menschen etwas Gutes, ist Unterholzner überzeugt. „Wir müssen uns entscheiden, was wir wollen: Wollen wir in Südtirol einen Wildpark oder eine intakte Naturlandschaft?“, so der Enzian-Politiker.

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