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„Die SVP passt nicht genug auf“

Senator Gigi Spagnolli (Foto: FB)

Senator Gigi Spagnolli erklärt, warum er gegen den Haushalt der Regierung Meloni gestimmt hat. Und er warnt die Südtiroler Volkspartei vor falschen Freunden in Rom.

TAGESZEITUNG Online: Herr Senator Spagnolli, der Senat hat den Haushalt der Regierung Meloni genehmigt. Wenn Sie den Haushalt mit drei Adjektiven beschreiben müssten, was fällt Ihnen ein?

Gigi Spagnolli: Zu schnell gemacht, aber das war unvermeidbar. Konfus. Und ohne Vision für die Zukunft.

Julia Unterberger und Meinhard Durnwalder waren im Plenum nicht anwesend, Sie haben gegen den Haushalt gestimmt. Die Gründe?

Einmal, weil die Regierung die Vertrauensfrage gestellt hat. Wenn eine Regierung die Vertrauensfrage stellt, dann bedeutet dies, dass die Mehrheit ein Problem und Angst hat, dass nicht alle Abgeordneten richtig abstimmen. Wenn eine Regierung Probleme hat, dann werde sicher nicht ich hergehen und einen Beitrag zugunsten der Regierung leisten. Das sind die Spielregeln der Demokratie.

Sie hätten aber auch gegen den Haushalt gestimmt, wenn die Regierung nicht die Vertrauensfrage gestellt hätte?

Ja, ich hätte in jedem Fall Nein gesagt. Denn schlecht an diesem Paket ist zum Beispiel, dass im Haushaltsgesetz keine Mittel für den Berg, sprich: für die hydrologischen Probleme des Staates bereitgestellt werden. Wir haben erst vor wenigen Wochen die Katastrophe von Ischia erlebt. In einem Land mit so vielen Berghängen und Hügeln wie Italien ist das Risiko von Rutschungen sehr hoch. Es gibt viele Hänge, unter denen Straßen vorbeiführen bzw. Häuser gebaut wurden. Wenn künftig etwas passieren sollte, dann muss die Regierung sagen, dass sie dafür keine Mittel vorgesehen hat.

Sie haben außerdem erklärt, der Haushalt sei nicht sozial?

Der Haushalt ist nicht sozial, weil Maßnahmen, die dieletzte Regierung für die Jugend und für die Frauen vorgesehen hat, abgeschafft worden sind. Die Mehrheit behauptet, dafür seien andere Maßnahmen getroffen worden. Aber die Rechten sind dafür bekannt, dass sie gut verkäufliche Maßnahmen erfinden, die am Ende nur wenigen Dutzend Personen nutzen.

Welche Maßnahmen für die Jugend und für die Frauen sind abgeschafft worden?

Bei der Jugend über 18 sind es die Hilfen für die Ausbildung, und für die Frauen, die ein Kind bekommen und wieder in die Arbeit zurückwollen, hat sich die Situation verschlechtert.

Welche Wahlversprechen hat die Regierung eingehalten, welche nicht?

Was in der Wahlzeit gesagt wird, ist fast immer viel mehr als das, was möglich ist. Diesen Beweis hat auch die Regierung Meloni erbracht. Ich glaube auch, dass die Wirtschaftspolitik der Regierung in die falsche Richtung geht. So wie viele Unternehmer hat auch die Regierung die Botschaft ausgesendet, dass Steuern grundsätzlich etwas Schlechtes, eine schlechte Sache sind. Diese Einstellung ist falsch. Die Steuern müssen bezahlt werden – logisch: so wenig wie möglich –, weil wir damit die öffentlichen Dienste und Infrastrukturen finanzieren, die für die Bevölkerung wichtig sind. Es geht also darum, wie man die Steuerpolitik gestaltet: Die Steuern sollen weder zu hoch, noch zu niedrig sein. Sie müssen gerechter werden.

Der Regierung ist also kein großer Wurf gelungen?

Nein, aber man muss der Ehrlichkeit halber auch sagen, dass Wunder derzeit nicht möglich sind. Man hätte einiges besser machen können. So ist beispielsweise für die Sanität verhältnismäßig wenig Geld vorgesehen. Wir alle hoffen, dass die Corona-Pandemie vorbei ist, aber sollte es erneut zu einem Notstand kommen, wäre zu wenig Geld da.

Was bringt der Haushalt aus Südtiroler Sicht?

Es ist eigentlich ziemlich egal, was im Haushalt steht. Wichtiger ist die Mentalität der Regierung. Trotz der Präsenz der Lega ist die Regierung gegen die Autonomie, und die Lega selbst hat eine andere Idee von Autonomie als wir. Daher sage ich: Wir müssen auf der Hut sein und aufpassen. Die SVP passt nicht genug auf …

Warum?

Die SVP passt nicht genug auf, die SVP-Parlamentarier versuchen, sich als gute Freunde der Regierung zu positionieren, um da oder dort einen Beistrich zugestanden zu bekommen. Aber das ist nicht der Sinn der Südtirol Rom-Politik …

Sondern?

Wir müssen weiterhin und immer wieder darstellen und erklären, dass unsere Autonomie ein Plus für Italien, ein Plus für Europa ist. Unsere Autonomie kann beispielhaft sein für viele andere Realitäten, wo mehrereSprachgruppen zusammenleben. Wir müssen weiterhin und immer wieder aufzeigen, dass unsere Autonomie ein Plus für Italien und für Europa ist.

Sie haben den Eindruck, dass sich die SVP-Parlamentarier mit der Regierung arrangieren wollen?

Die Kneipen-Politik ist eh gut. Man muss Beziehungen pflegen, damit Vertrauen entsteht. Vertrauen schafft man nur im persönlichen Gespräch, indem man zeigt, dass wir seriöse Leute und kulturell gut vorbereitet sind. Das war früher nicht immer den Fall, über die derzeitigen Parlamentarier will ich nichts sagen. In jedem Fall muss man als Parlamentarier studieren …

Was studieren?

Ich sitze in der Kommission für Ausland und Verteidigung. In dieser Kommission ist für mich alles neu, also versuche ich zu lernen. Und ich habe gesehen, dass die Leute der Mehrheit aufpassen, wenn ich rede. Ich mache nicht politisches Blabla, sondern ich lege Konzepte vor.

Sie wollten aber zunächst in eine andere Kommission?

Richtig, ich wollte in die Kommission für Umwelt und Energie. Das war nicht möglich, weil Carlo Rubbia, der Nobelpreisträger und Senator auf Lebenszeit, gesagt hat, er komme in die Autonomie-Gruppe, er hat aber inständig gebeten, dass er in die Umwelt-Kommission kann. Deswegen habe ich Rubbia den Vortritt gelassen, bei einem Nobelpreisträger war das auch ein Zeichen des Respektes.

Interview: Artur Oberhofer

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