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Überlängen

Sam Fabelman und der 8mm-Film

Derzeit laufen in den Kinos des Landes gleich zwei bildgewaltige Filme mit Überlänge, „The Fabelmans“ und „Le otto montagne“.

von Renate Mumelter

Überlange Filme sind eine Spezialität von männlichen Regisseuren. Das mag ein Zufall sein. Nicht jede Überlänge aber ist zwingend notwendig. Das gilt auch für die Filme, von denen heute die Rede ist.

Spielbergs Erzählungen

Steven Spielberg ist 76, alt genug also, um Kindheitserinnerungen in überzeugende Bilder zu packen. In einer Mischung zwischen Fiktion und Autobiografie erzählt „The Fabelmans“ von Sam, der schon mit sechs Jahren zum ersten Mal ins Kino darf. Auf der großen Leinwand im großen Saal läuft ein großer Film. Er wird Spielbergs/Sams ganz persönliche Kino-Initiation. Um die starken Bilder von „The Greatest Show on Earth“ (Cecile B. DeMille) zu verarbeiten nimmt Sam sie in seinen Alltag mit und setzt sie mit Hilfe seiner Mutter in Filmbilder um. So kann er die Geister bannen. Sam/Steven filmt ständig und mit Begeisterung. Die Kamera ist das Instrument, mit dem der Bub sich selbst, seine Welt und schwierige Geheimnisse entdeckt. 

„The Fabelmans“ sei ein Liebesbrief ans Kino und an seine Familie, sagt Spielberg in einer kurzen Videobotschaft vor Filmbeginn. Erzählt wird die Familie Fabelman/Spielberg, der Vater Informatiker, die Mutter Pianistin. Dazu kommen die kleineren Geschwister und der Familienaffe. Umzüge bringen die Familie über Arizona bis Kalifornien. Das ist für für Sam, der von Sport nicht viel hält und eine andere Religion hat, nicht immer einfach. Aber er filmt. Schon mit 13 dreht er den 8-mm-Spielfilm „The Last Gun“, 1961 folgen „Fighter Squad“ und „Escape to Nowhere“ So machte es Steven und so macht es Sam. Spannend. 

Nach der Matura tut der junge Mann alles, um zum Film zu kommen, was ihm auch gelingt, wie wir heute wissen. Er schafft es sogar, den alten ruppigen John Ford zu treffen, der ihm erklärt, dass hohe und tiefe Horizonte spannend sind, die mittigen aber fad.

Ich bin der Liebeserklärung ans Kino gern gefolgt. Nur etwas Popcorn zum Zeitvertreib hätte ich mir gewünscht, denn 151 Minuten sind einfach lang. 

P.S. Spielberg-Filme sind u.a. „Der weiße Hai“, „E.T. – Der Außerirdische“, „Indiana Jones“, aber auch „Die Farbe Lila“, „Lincoln“ und natürlich „Schindlers Liste“.

Cognettis Berge 

Überlang ist auch „Le otto montagne“ nach einem Roman von Paolo Cognetti. Für den Film gab es in Cannes den großen Preis der Jury. Felix Van Groeningen und Charlotte Vandermeersch sind für die 147 Filmminuten zwischen Aosta und Nepal in den Bergen unterwegs. 

Auch hier beginnt alles in der Kindheit. Pietro und Bruno treffen aufeinander, als der Turiner Stadtbub im aostanischen Grana auf Sommerfrische ist. Bruno ist der einzige Bub in dem einsamen Dorf. Die zwei laufen über Wiesen, balgen sich, steigen auf Berge, hüten Kühe, werden zu Sommerfreunden. 

Viel später zeigt sich, dass diese Freundschaft viel länger hält. Die beiden treffen wieder aufeinander, als Pietros Vater viel zu früh stirbt. Er hat immer von den Bergen geträumt aber in der Stadt gelebt und gearbeitet. Pietro hinterlässt er eine Ruine hoch oben auf der Alm. Gemeinsam bringen Bruno und Pietro die Hütte wieder in Schuss. Sie bleibt ihr Bindeglied, obwohl Pietro schriftstellernd in Nepal lebt. Bruno ist immer in seinen Bergen geblieben und will nicht weg, auch als es nicht mehr geht. Er lebt die Natur, der andere betrachtet sie. 

Cognettis Buch hat viel Gefallen gefunden, der Film auch. Viele Menschen rührt er. Ich persönlich bin wohl übersättigt von Bergmythen und werde meinen älplerisch kritischen Blick nicht mehr los.

Ich empfehle nach wie vor „Call Jane“ von Phyllis Nagy. Der ist nicht überlang.

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