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„Er wollte keine Hilfe“

Übernachtungsstätte Brixen

Der tragische Tod des 64-jährigen Franz Messmer in einer Holzhütte wirft die Frage auf, ob man dieses Schicksal hätte verhindern können. Josef Schwarz, Leiter der Übernachtungsstätte, berichtet über Obdachlose, die oftmals Hilfe verweigern und über die Situation in der Struktur. 

Der Tod des 64-jährigen Franz Messmer aus Natz-Schabs hat große Bestürzung ausgelöst.

Nach wie vor ist nicht klar, ob der Mann in der Nacht auf Dienstag in seiner Holzhütte zwischen Elvas und Kranebitt erfroren ist, oder ob er an den Folgen seines schlechten gesundheitlichen Zustandes starb. Der 64-Jährige lebte seit Jahren als Einsiedler, zuerst auf einer Stehle in einem Weinberg in Neustift, überdacht mit einer Plane, dann in einer Holzbehausung. Der Mann wollte nicht ins Obdachlosenheim und nahm auch sonst fast keine Hilfe an (Tageszeitung berichtete).

Im Einzugsgebiet der Sozialdienste Eisacktal gibt es mehrere derartige Fälle. Josef Schwarz kennt die Allermeisten. Der Leiter der Übernachtungsstätte in Brixen über Menschen, die lieber im Freien hausen und die sich oft nicht helfen lassen wollen.

Tageszeitung: Herr Schwarz, Sie kennen die Obdachlosen im Einzugsgebiet der Sozialdienste Eisacktal alle persönlich…

Josef Schwarz: Fast alle. Wir haben mit den meisten Obdachlosen im Einzugsgebiet Kontakt.

Der tragische Fall des 64-jährigen Franz Messmer hat große Bestürzung ausgelöst. Ist er nun wirklich erfroren? 

Das weiß ich nicht, es wird vermutet. Wobei mich dies schon sehr wundern würde, zumal er schon lange als Einsiedler lebte und diese Holzhütte, wo er letzthin hauste, doch mehr Schutz als seine vorherige Unterkunft bot. Sein gesundheitlicher Zustand war nicht der beste. Ich habe ihn auch schon auf die Warteliste für das neu zu eröffnende Altersheim in Mühlbach setzen lassen. Ob er es letztlich angenommen hätte, bleibt unbeantwortet. Er wollte nicht in die Obdachlosenstätte kommen und auch sonst keine Hilfe annehmen. Ich war sehr froh, dass die Bekannten regelmäßig nachgeschaut haben und Kontakt zu Herrn Franz gehalten haben. Ein Fall, der mir doch sehr zu Herzen geht, weil es nicht hätte sein müssen.

Gibt es noch weitere Fälle von Obdachlosen im Einzugsgebiet, die keine Hilfe annehmen wollen? 

Ja, es gibt noch weitere Fälle. Ein Mann hat sich z.B. in einer Tiefgarage einquartiert. Auch er will nicht in die Übernachtungsstätte. Ein weiterer Mann hätte gestern (vorgestern Anm. d. Red.) in die Übernachtungsstätte begleitet werden sollen, ist jedoch nicht gekommen, obwohl ein Bekannter zugesagt hat, ihn herzubegleiten. Dieser Mann lebt schon seit Längerem in einem Zelt entlang der Industriezone. Immer wieder schauen Bekannte und Verwandte bei ihm vorbei, und versuchen ihn zu motivieren, eine andere Bleibe anzunehmen. Aber er will nicht. Er war bereits einmal bei uns, kam aber nicht mit den anderen Männern zurecht. Im Moment haben wir zwei freie Plätze. Ein weiterer Obdachloser schlägt immer wieder an anderen Orten sein Quartier auf. Es ist nicht jedermanns Sache, in einer Obdachlosenstätte zu übernachten.

Alles Einheimische?

Ja, aus dem Einzugsgebiet Brixen.

Gibt es auch obdachlose Frauen?

Dieses Phänomen kennen wir in Brixen kaum. Für Frauen konnten wir immer eine Lösung finden. Aber erst vor kurzem hatten wir eine schwierige Situation, diese Frau hat sich für Jahre immer wieder an anderen Orten einquartiert.

Zehn Plätze und ein Notbett bietet die Übernachtungsstätte. Kommen vorwiegend Einheimische oder Menschen mit Migrationshintergrund zu Ihnen?

Vorwiegend Menschen mit Migrationshintergrund. Aber auch einige wenige Einheimische.

Erst in diesen Tagen konnte ich einen Mann vorübergehend in einem Heim in Kurzzeitpflege unterbringen, weil er gesundheitlich angeschlagen und deshalb die Übernachtungsstätte nicht mehr der geeignete Ort ist. Aber nun ist zu sehen, wie er damit zurechtkommt. Denn Alkoholkonsum sollte nämlich in einem Altersheim eingestellt werden. Und daran könnte es scheitern. Aber ich bin zuversichtlich, dass er diese Möglichkeit als Chance für sich sieht. Ein weiterer einheimischer Obdachloser kommt mit dem zurecht, was wir zurzeit anbieten.

Gibt es zwischen den Obdachlosen in der Übernachtungsstätte Konflikte?

Ja, das kommt gelegentlich vor. Immer wieder glauben Obdachlose, sie können hier herum und andere kommandieren, und das geht halt nicht. Bei uns gibt es zwei grundlegende Regeln: Toleranz und Respekt dem anderen gegenüber und die Einhaltung der Öffnungszeiten. Diese sind einzuhalten.

Es gibt gelegentlich Situationen, wo einzelne Gäste ein sehr aggressives Verhalten an den Tag legen, sodass auch mal die Ordnungskräfte gerufen werden müssen und die Person auch aus der Einrichtung begleitet werden muss, falls sie nicht bereit ist einzulenken. Unser Entgegenkommen und Verständnis den Gästen gegenüber ist sehr hoch, doch es gibt auch Grenzen!

Kommen auch Obdachlose aus anderen Bezirken?

Ja, einige schon. Aber ich frage meist nicht nach, woher sie kommen. Meist sind es Personen, die aus oder nach Bozen oder Brenner unterwegs sind, die weiterreisen möchten oder wieder zurückgeschickt werden.

Reicht die Struktur für den Andrang aus?

Die Übernachtungsstätte ist eigentlich für jene Obdachlosen gedacht, die aus dem Einzugsgebiet der 13 Gemeinden der Bezirksgemeinschaft Eisacktal kommen. Für diese reicht die Struktur aus. Deshalb können auch immer wieder Personen aufgenommen werden, die von außerhalb des Einzugsgebiets kommen, und dann kann es schon mal knapp werden. Es sind auch einige darunter, die arbeiten, aber oft nur saisonbeschäftigt sind – und dann das Zimmer verlieren, weil sie es nicht mehr bezahlen können. Das betrifft vor allem Nicht-EU-Bürger.

Brixens Bürgermeister Peter Brunner ist der Ansicht, dass die Übernachtungsstätte nicht nur im Winter, sondern ganzjährig geöffnet sein sollte…

Dies könnte man sicherlich andiskutieren, wir haben die Öffnungszeiten eh schon laufend verlängert. Aber die Bürgermeister überlegen oft auch manche Dinge nicht: Die Übernachtungsstätte sollte nicht ein Ort werden, wo man sich dauerhaft aufhält. Wir möchten auch die Verantwortung der einzelnen Personen für sich selbst einfordern. Diese Obdachlosen sollten sich bemühen, der Obdachlosigkeit zu entkommen und mit einem Dienst zusammenzuarbeiten. Es gibt nämlich auch Obdachlose, die täglich zu uns kommen, weil es nichts kostet und sie sich um nichts kümmern brauchen. Das reicht ihnen. Die Übernachtungsstätte sollte aber nicht eine endgültige Lösung sein, daher auch die vorübergehende Schließung im Sommer.

Erst vor kurzem mussten wir eine 75-jährige Person in der Übernachtungsstätte aufnehmen, die vor Kurzem aus einer Wohnung zwangsgeräumt wurde. Dies war ihm zwar schon länger angekündigt worden, doch er hat sich nicht um eine andere Unterkunft und Möglichkeiten gekümmert, bis die Zwangsräumung erfolgte und er schließlich auf der Parkbank übernachten musste. Dass er mit diesem Alter bei uns im Obdachlosenheim landete, stimmt nachdenklich. Doch er sagt, er komme im Moment damit gut zurecht und brauche nichts weiter. Ich hoffe, dass er das Angebot, alsbald ins Altersheim gehen zu können, annimmt.

Viele wollen sich nicht helfen lassen?

Ja, einige wollen keine Hilfe annehmen. Für jene Obdachlosen, die aus dem Einzugsgebiet stammen, wird generell eine intensive Abklärung der Situation mit den Diensten vorgenommen, und die Ressourcen werden aktiviert, um die Person wieder zu integrieren. Das gelingt leider nicht immer.

Interview: Erna Egger

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (8)

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  • andreas1234567

    Er wollte keine „Hilfe“. Er wollte keine „Hilfe“. Er wollte keine „Hilfe“

    Hergott nochmal, er wollte keine Hilfe. Er war 64 , er war Einsiedler, warum akzeptiert das denn niemand?

    Er hat sich den Lebensstandard von 1900 gewählt mit der dementsprechenden Lebenserwartung und damit muss es gut sein.

    Es gab/gibt viele Einsiedler in Südtirol, manche werden sich beim „Zuckbichler“ oder dem „Falschauergeist“ erinnern.

    Lasst die Leute einfach in ihrem selbstgewählten Frieden.Die Frage ob man „sein Schicksal hätte vermeiden können“ hat der Einsiedler dahingehend entschieden nicht das Schicksal eines rumkommandierten und reglementierten Obdachlosenheimbewohners zu akzeptieren.

    Hier gibt es für spendensammelnde Sozialapostel nichts zu gewinnen, da funktioniert dieTränendrüsennummer mit dem „Kältetoten im hartherzigen Südtirol“ nicht.

    Auf Wiedersehen in Südtirol

  • gerhard

    Wo hat der watschi denn da unrecht?
    Ja, hätte man vielleicht darüber nachdenken können.
    Auch wenn er ein Lebenskünstler und Kauz war und sein Leben selbstbestimmt hat führen dürfen – Fragen hätte doch nichts gekostet.
    Keiner hätte diesem wertvollen Menschen etwas aufgedrängt, aber vielleicht hätte er sich über dieses Angebot gefreut und weniger gefroren.
    Wäre das nicht einen Versuch wert gewesen.
    Das hat rein überhaupt nichts mit dem Ägypter zu tun, der ohne jeden Zweifel in Ägypten nicht erfroren wäre.
    Spendensammelnde Sozialapostel tun dies im Übrigen nicht für sich selbst, sondern für Andere, das mag sein, dass Du das in in Deinem selbstherrlichen Egoismus nicht verstehen kannst.
    Du bist und bleibst ein Depp.

  • andreas1234567

    Hallo @gerhard,

    zu Punkt 1: Er wollte keine Hilfe, er wollte keine Hilfe, er wollte k.. Wie oft denn noch?

    zu Punkt 2: Zu Spenden sammelnden Sozialaposteln muss man wissen hinter jedem grossem Verein steckt ein Verwaltungsapparat an „Hauptamtlichen“ und Drückerkolonnen die um Mitglieder werben und bis zu zwei Jahresbeiträgen für jeden Absch(l)uss bekommen, das läuft dann unter „Werbung und Öffentlichkeitsarbeit und geht zusätzlich zu den bis zu 25 % der Spendengelder für den Verwaltungsapparatd rauf.
    Wer ein besonderes Beispiel der Dreistigkeit nachlesen möchte googelt bitte nach „Treberhilfe und Maserati“, da gibt es je nach Humor etwas zum Lachen oder wütend werden, ich spende jedenfalls grundsätzlich nichts für die Tränendrüsenindustrie und wenn Pfaffen dranhängen gleich dreimal nicht.

    Auf Wiedersehen in Südtirol

    • gerhard

      Das ist doch Mist, was Du da wieder schreibst.
      Nur Doofe Verallgemeinern und scheren alles über einen Kamm.
      Aber Du kannst wohl nicht anders!
      Dein Computer hat wohl die zwangsbelegte Taste
      „Tastatur AN, Hirn AUS“

  • andreas1234567

    Hallo @gerhard,

    als „doofe Vergeallmeinerung“ weise ich beispielhaft auf den Unicef-Geschäftsbericht für 2021 hin, findet sich hier, auch für @gerhard.

    https://www.unicef.de/_cae/resource/blob/314992/1c024b7866df21dbd24042aebab6b0ea/unicef-geschaeftsbericht-2021-neu-data.pdf

    Seite 41 ist lustig, da gehen von 100 Euro schonmal 10 Euro weg für Propaganda und 5 % für den Wasserkopf nur in D.

    Bei den restlichen 85 % ist wieder Planung,Verwaltung,Strategie integriert, also Wasserkopf vor Ort,Propaganda,Bestechungsgelder..

    Und die „Grossen“ in der Mitleidsindustrie sind alle gleich aufgestellt bei der Kostenverteilung, du kannst grundsätzlich davon ausgehen 25% landen im Rachen der Mitleidsritter und deren Drückerkolonnen.

    Wird nicht gern darüber berichtet, die Tränendrüsenindustrie beschert gewaltige Einnahmen wie Werbespots und geschalteten Anzeigen.

    Ich hab nichts gegen Hilfe in Not aber es geht auch anders, der Herz-Jesu-Notstandfonds der Schützen zum Beispiel , da geht das zu 100 % des Eingenommenen auch wieder heraus.Auf den letzten Kreuzer, Unkosten und Arbeit wird nicht gross dahergeredet, das sponsert einfach jemand stillschweigend, Gott vergelts denen.

    Auf Wiedersehen in Südtirol

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