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Presseleistungsdruck

Lars Bogenius (Jonas Nay), erfolgreich bei „Die Chronik“

„Tausend Zeilen“ von Michael Bully Herbig erzählt den Fall Lars Bogenius, der die Zeitschrift „Die Chronik“ in größere Verlegenheit bringt.

von Renate Mumelter

Da erfindet sich ein Journalist Geschichten auf der Parkbank und Karriere bei dem deutschen Wochenmagazin, das von sich behauptet, alle Nachrichten auf Herz und Nieren zu prüfen. Der junge Mann bekommt Preise, und alles geht so lange gut bis ein Kollege auf Ungereimtheiten stößt. Er lässt den Ploderer auffliegen. Die Rede ist vom Fall Claas Relotius, der für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ 2018 gar nicht gut war.  

Jetzt läuft ein Film, der vom einem gedreht wurde, der es gern komisch hat. Michael Bully Herbig ist bekannt für „Der Schuh des Manitu“ oder „(T)raumschiff Surprise“ aber auch „Ballon“. Dass sich der Mann aus der komischen Ecke jetzt an ein ernstes Thema wagt, wird von den rezensierenden Medienkollegen im deutschen Sprachraum nicht gern gesehen. Schnell tun sie den neuen Bully-Film als oberflächlich ab. Ich habe es anders erlebt.

Realität?

In den ersten Filmsequenzen steigt für mich als Journalistin noch die Befürchtung auf, es könne sich um einen Film handeln, der das Verschwörungs-Konstrukt der Lügenpresse zementiert. Diese Befürchtung schwindet schnell. Was interessanterweise bleibt, ist eine wiederkehrende gedankliche Verbindung zum Magazin „Der Spiegel“. Nicht weil es im Film um den Fall Relotius geht, sondern wegen der geschilderten Atmosphäre. 

Was der echte Claas Relotius aufgeführt hat tut der Branche nicht gut. Das mit dem Spiegel der Wirklichkeit, den Journalismus bieten sollte, ist aber auch so eine Sache. Wirkliche Objektivität gibt es nicht. Es geht immer auch um Auswahlkriterien, politische Einflussnahmen, um Sichtweisen, Darstellungsweisen undundund. 

Komisch

Komisch ist am Film „Tausend Zeilen“ eigentlich wenig außer den Figuren. Das sind Lars Bogenius (alias Relotius) und vor allem die anderen drumrum. Sie spiegeln ein System, in dem Bogenius prächtig gedeihen konnte. Tatort-Kommissar Jörg Hartmann und der in Südtirol wegen seiner Gastspiele bestens bekannte Michael Maertens spielen den stellvertretenden Chefredakteur und den zuständigen Ressortleiter des Magazins „Die Chronik“. Sie sind von Karriereambitionen getrieben. Da kommt ihnen Bogenius mit den gut geschriebenen Stories gerade recht. Als Kollege Juan Moreno auf Ungereimtheiten stößt, passt ihnen das natürlich gar nicht, und sie wimmeln ab. 

Spannend

Diese Abwimmelphase ist die eigentlich spannende im Herbig-Film. Maertens, der den Schleimer bestens kann, ist zum Grinsen und zum Kotzen zugleich, Hartmann ist nüchterner aber auch nicht besser. Auf der anderen Seite steht natürlich der Gute, Juan Moreno, der quasi unter Einsatz des Lebens gemeinsam mit dem Fotografen Milo (Michael Ostrowski) aufzudecken versucht. Das ist spannend, obwohl der Ausgang der Geschichte bestens bekannt ist. 

Die Figur von Juan Moreno hat im Film übrigens den Namen beibehalten. Der echte Aufdecker Moreno schrieb das Buch „Tausend Zeilen“, an dem sich der Film orientiert. 

Interessant

Bei der Besetzung der Hauptrollen hat Herbig nicht nur schauspielerische Eignung sondern auch äußerliche Ähnlichkeiten berücksichtigt. Bogenius gleicht Relotius und Moreno Moreno. 

Michael Bully Herbig kann Film, auch wenn’s um das Ernst zwischen dem Heiter geht. Mit diesem Film wirft er Fragen auf. Mir gehen die zwei aus der Chefetage nicht aus dem Kopf.

Kinotipps

Nur am Montag: „Anhell69“ und „Dogborn“ von der Settimana Internazionale della Critica in Venedig

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