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„Wir sind ein kleines Europa“

Der 30. Jahrestag der Streitbeilegungserklärung wurde am Samstag mit einem Festakt in Bozen begangen. Mit prominenter Beteiligung.

„Wir verweisen heute auf eine Erfolgsgeschichte: Der über die Jahre entstandene starke Geist des Dialogs und gegenseitigen Vertrauens hat es Südtirol ermöglicht, ein ‚kleines Europa in Europa‘ zu werden – eine Brücke zwischen dem deutschsprachigen und italienischem Kulturraum“:

Damit führte Landeshauptmann Arno Kompatscher am Samstag als Gastgeber in die Pressekonferenz zum Anlass des 30. Jahrestags der Streitbeilegungserklärung zwischen Österreich und Italien vor den Vereinten Nationen ein, an der die Außenminister Luigi di Maio und Alexander Schallenberg sowie UN-Sonderberichterstatter für Minderheitenfragen Fernand de Varennes teilnahmen.

Kompatscher erinnerte an die Erfolge, die Südtirol zu einem Wohlstandsland gemacht haben. Südtirols Autonomie werde oft als großes Vorbild genannt, wie internationale Konflikte gelöst, Minderheiten und deren Sprache und Kultur geschützt und wie eine positive Entwicklung für alle Sprachgruppen geschaffen werden kann.

Dieser Schutz und diese Sicherheit seien die solide Basis für ein Aufeinander-Zugehen, das aus einem friedlichen Nebeneinander ein sich wertschätzendes Miteinander werden lässt. Es sei richtig, diesen Tag festlich zu begehen, unterstrich der Landeshauptmann.

„Der heutige Jahrestag ’30 Jahre Streitbeilegung‘ ist ein wichtiger Moment, ein Moment der Freude“, erklärte Kompatscher.

„Dieses einzigartige Instrument zur Überwindung nationaler ethnischer Konflikte, das heute weltweit als beispielhaft betrachtet wird, wurde auch nach 1992 im Sinne einer dynamischen Autonomie und mit der Übernahme weiterer Befugnisse durch Südtirol fortgeschrieben. Diese Erfolgsgeschichte ist ein Auftrag für die Zukunft: Die Autonomie muss ständig weiterentwickelt und an neue Erfordernisse angepasst werden.“

Nach der Verfassungsreform von 2001 und durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist es zu einer Situation gekommen, in der diese Entwicklung nicht immer möglich sei, erklärte der Landeshauptmann.

„Ich bin jedoch davon überzeugt, dass diese Problemstellung wie in der Vergangenheit im gemeinsamen Dialog und im Austausch überwunden werden kann. Damit das Modell Südtirolweiterhin Erfolg haben und auch international beispielgebend sein kann“, betonte Kompatscher abschließend.

„Damit all das Geschaffene der letzten Jahrzehnte, der Reichtum und die Vielfalt unserer Kulturen Südtirol weiterhin zu einem kleinen Europa in Europa machen.

Wenn heute Italien, Österreich und UNO gemeinsam mit Südtirol in einem schönen Rahmen der 30 Jahre Streitbeilegung gedenken, so sollte der lange und beschwerliche Weg dahin nicht vergessen werden, betonte  in seinem Pressestatement im Stadttheater in Bozen der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten der Republik Österreich, Alexander Schallenberg.

Vor 30 Jahren sei „das Gemeinsame vor das Trennende gestellt worden“. „Heute ist die Südtirol-Autonomie ein Erfolgsmodell für die friedliche Lösung von Minderheitenkonflikten“, sagte Schallenberg. Aufgabe aller sei es nun, diesen Erfolg zu einem dauerhaften Erfolg zu machen.

„Wir müssen darauf achten, dass das Autonomiestatut sich weiterentwickeln und florieren kann“, erklärte Außenminister Schallenberg.

Mit Verweis auf den Ukrainekrieg und die Situation im Westbalkan betonte der österreichische Außenminister, dass es keine Selbstverständlichkeit sei, „Konflikte durch Dialog zu lösen“, wie es mit der Unterschrift seines Amtsvorgängers Alois Mock am 11. Juni 1992 geschehen sei.

Der österreichische Außenminister sprach von einer „Lösung durch Vertrauen, gegenseitigen Respekts und Kompromissbereitschaft“. Schallenberg bezeichnete die Autonomie als Fundament, das nur dann langfristig tragfähig sei, wenn man immer wieder Hand anlege: „ausbessert, anbaut, verstärkt, unterstützt“.

Außenminister Luigi Di Maio gab in seinem Pressestatement zu 30 Jahren Streitbeilegungserklärung im Stadttheater Bozen seiner Freude darüber Ausdruck, dass die Feier in eine Zeit guter Beziehungen zwischen Italien und Österreich falle: „Die wirtschaftliche, kulturelle, soziale und historische Verbindung zwischen den beiden Ländern ist unauflösbar.“

Der italienische Außenminister erinnerte auch an die 50 Jahre Zweites Autonomiestatut und die 27 Jahre, die Italien und Österreich gemeinsam der Europäischen Union angehören. Beides habe die soziale und wirtschaftliche Entwicklung vorangebracht.

Luigi Di Maio

„Die heutige Feier beweist das gemeinsame Verständnis Italiens und Österreichs für Südtirol, ein Verständnis, das dank Dialog zur Verwirklichung dessen geführt hat, was heute als Referenzmodell gilt“, sage Di Maio.

„Die zwei großen Staatsmänner Alcide Degasperi und Karl Gruber haben die Grundlagen für eine moderne Autonomie gelegt. Italien und Österreich haben sich international zur Lösungsfindung verpflichtet und diesen Weg mit dem Zweiten Autonomiestatut erfolgreich abgeschlossen. Es war das Ergebnis des Dialogs zwischen Ministerpräsident Aldo Moro und Landeshauptmann Silvius Magnago, der mit Respekt vor den sprachlichen Minderheiten und mit Respekt vor dem Prinzip der Einheit und Unteilbarkeit des italienischen Staates geführt worden ist.“

Dieses Modell habe sich weiterentwickelt und gefestigt und Südtirol zu außergewöhnlichem Erfolg verholfen. 

Die Autonomie habe die Euregio möglich gemacht, die Di Maio als „wirkungsvolles Beispiel für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Südtirol, Trentino und Tirol und als Modell für Europa und die ganze Welt“ bezeichnete.

„Das Südtiroler Modell gewinnt in einem historischen Augenblick wie diesem“, nahm Außenminister Di Maio abschließend Bezug auf den Ukrainekrieg, „noch größere Bedeutung, weil es ein Beispiel für die friedliche Lösung eines internationalen Konflikts dank der Achtung und der Miteinbeziehung von Minderheiten und der nationalen Souveränität darstellt.

Nach Landeshauptmann Arno Kompatscher ergriff bei der Pressekonferenz im Vorfeld des Festaktes „30 Jahre Streitbeilegung“ der Sonderberichterstatter für Minderheitenfragen im UN-Menschenrechtsrat Fernand de Varennes das Wort. Dieser Jahrestag verdiene es gefeiert zu werden, unterstrich de Varennes, der aus Kanada stammt und seit August 2017 das Amt des UN-Sonderberichterstatters für Minderheitenfragen bekleidet.

In seinem Statement betonte de Varennes die historische Bedeutung der Streitbeilegungserklärung für Südtirol:

„Die Streitbeilegung Südtirol ist ein gutes Beispiel dafür, wie es zwei Regierungen – Italien und Österreich – gelungen ist, Spannungen und Konflikte friedlich über jahrelange Verhandlungen und einen Prozess des Dialogs auszuräumen.“

Die jahrzehntelangen Anstrengungen hätten zu einer Autonomie mit wichtigen Garantien für die Sprachminderheit im Bereich der Bildung und der Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung geführt.

„Der Jahrestag der Streitbeilegung ist mit anderen Worten der Jahrestag für einen sehr erfolgreichen Friedens- und Stabilitätsprozess durch Gerechtigkeit und Respektierung der Menschenrechte“, betonte der UN-Sonderberichterstatter.

„Die Regierungen Italiens und Österreichs und auch die Bevölkerung Südtirols, die jahrzehntelang mit der Umsetzung dieses Prozesses befasst waren, sind ein Beispiel für die Prävention und friedliche Lösung von Konflikten in Europa und anderswo.“

„Der Erfolg der Südtiroler Autonomie“, fuhr de Varennes fort, „soll ein leuchtendes Beispiel sein und mit der internationalen Gemeinschaft geteilt werden. Denn heute stehen wir weltweit vor noch mehr Herausforderungen bezüglich Frieden und Stabilität als vor 30 Jahren, wobei ich nicht nur Konflikte in Europa wie jener zwischen der Ukraine und Russland meine, sondern die wachsende Instabilität und Spannungen auf der ganzen Welt.“

„Bei den Feierlichkeiten zum Jahrestag der Streitbeilegung geht es also um Südtirols Autonomie, eine gemeinsame Verantwortung und darüber hinaus eine Verantwortung, die international geteilt werden muss“, schloss der UN-Sonderberichterstatter für Minderheitenfragen sein Statement.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (15)

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  • luis2

    Recht gute gelungen Fotos, für die Ewigkeit.

  • dn

    Wenn wir ein kleines Europa sind, dann wirds Zeit in die Schweiz abzuhauen.

  • meintag

    Schon interessant dass man den alten Durnwalder nicht eingeladen hat. Oder hat Er es selber geschnallt dass es Besser ist „seine Meinung“ für sich zu behalten.

  • vinsch

    Durnwalder wurde nicht eingeladen, da sie Angst vor seiner Direktheit hatten. Denn die Autonomie bis 1992 haben wir Magnago und Durnwalder zu verdanken, was davon übrig geblieben ist, haben wir diesen Lächerlichkeiten zu verdanken. Die Abwesenheit von Durnwalder ist ein Beweis mehr, wohin diese Politiker uns und unsere Autonomie geführt haben.

    • pingoballino1955

      vinsch diese „Teilautonomie“ mehr ist sie nicht,Wird nur von der SVP Propaganda missbraucht,Haben wir Andreotti ,dem alten Mafioso zu verdanken,das sind Tatsachen! Weder dem Luis,noch sonst wem!

  • pingoballino1955

    spätes ,das hätte Andreas nicht gepasst,deshalb! hahaha

  • artimar

    Das heutige „Referenzmodell“ Südtirol und jenes der Euregio (Di Maio) findet sich seit der Streitbeilegungserklärung (1992) wohl eher im Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten (1995) wieder und nicht mehr so sehr in den Schutzbestimmungen des Gruber-De-Gasperi-Abkommens im Rahmen des Pariser Friedensvertrags (1946). Damit hat der sehr lange Weg und Kampf um Minderheitenschutz und um Selbstverwaltung des südlichen Tirols seit dem gewaltsamen Anschluss an Italien auch einen gesamteuropäischen Wert. Auch, wenn Italien, trotz Unterzeichnung (2000), bis heute hingegen immer noch nicht die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (1992) ratifiziert hat.
    Ja, 1992 hat das Südtirol mit der Streitbeilegungserklärung für den damals nicht rasch genug gehenden EU-Beitritt Österreichs einen sehr hohen Preis bezahlt. Das gehört auch zur Wahrheit. Denn nicht mal für die Umsetzung der eh schon sehr wenigen Schutzbestimmungen des Gruber-De-Gasperi-Abkommens im Rahmen des Pariser Friedensvertrags (1946), wie die völlige Gleichstellung des Deutschen mit dem Italienischen in (öffentlichen) Amtsbeurkundungen, aber auch in der Toponomastik hat es bis heute, nach 76 Jahren, gereicht. Es wurden auch keine Rechts- und Schutzgarantien vereinbart, noch Mechanismen, wie z.B. ein bilaterales Monitoring, Schiedsgericht implementiert (noch eine Wiederverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft ermöglicht).
    Wen wundert es da? Schlimmer noch. Wir sehen zusehends eine gezielte Aushöhlung und Beschneidung der tatsächlichen Kompetenzen von 50% im Vergleich zu 1992. (Vgl. Dissertation des preisgekrönten Juristen Dr. Matthias Haller — mit dem Titel „Südtirols Minderheitenschutzsystem. Grundlagen, Entwicklungen und aktuelle Herausforderungen aus völker- und verfassungsrechtlicher Sicht.“)

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