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Bauern in Not

Farmer feeding simmental cows with dry feed from hands

Weil die Kosten für die Futtermittel um 35 Prozent und die Treibstoffspesen um 50 Prozent gestiegen sind, stehen viele Bergbauernfamilien in Südtirol vor dem Ruin.

von Matthias Kofler

Franz Locher schlägt Alarm: „Eine Bergbauernfamilie kann vom und am Hof langfristig nur leben, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen“, so der SVP-Landtagsabgeordnete.

Die Agrarpreise und die Kosten für Betriebsmittel steigen seit Wochen im Rekordtempo. Ökonomen rechnen daher für das heurige Jahr 2022 mit deutlich schrumpfenden Gewinnen für die Landwirte. Viele Bauern suchen verzweifelt nach Wegen, die immens steigenden Kosten – etwa für Dünger, Treibstoff und Futter – und den akuten Mangel an Betriebsmitteln zu bewältigen. Ersten Schätzungen zufolge sollen sich die Kosten für Futtermittel um 35 Prozent, die Treibstoffspesen um 50 Prozent erhöhen. Die höheren Preise für Betriebsmittel beeinflussen sowohl die Anbauplanung als auch die laufende Düngung und das Risikomanagement der Betriebe. Eine längere Periode von Düngemittelknappheit und hohen Betriebsmittelpreisen könnte die landwirtschaftlichen Erträge und die Versorgung negativ beeinflussen. Aufgrund des angespannten Getreide- und Ölsaatenmarktes und der Bedeutung sowohl Russlands als auch der Ukraine auf diesen Märkten droht sogar eine globale Hungerkrise.

Seit der Corona-Krise stehen auch Südtirols Bergbauern vor neuen Herausforderungen. „Ihre Anpassungsmöglichkeiten sind äußerst beschränkt, da die Produktion aufgrund der erschwerten Bedingungen nicht wesentlich gesteigert oder ausgedehnt werden kann“, erklärt Locher. Der derzeitige Kriegszustand habe für die gesamte Bevölkerung, besonders aber für die Berglandwirtschaft gravierende Folgen: Besonders gravierend sei der Umstand, dass sich die Stromkosten sogar verdoppeln werden. „Deshalb müssen in Zukunft Energiemodelle auch speziell für die Berglandwirtschaft gefunden werden, die eine immer größere Unabhängigkeit von fremden Energiequellen sicherstellen“, unterstreicht der SVP-Landtagsabgeordnete.

Mit einem Beschlussantrag will Locher die Landesregierung auffordern, dringende Maßnahmen zu ergreifen, um den Bergbauern angesichts der enormen Preissteigerungen ein wenig Luft zu verschaffen. Dabei dürfe es aber nicht bleiben: „Es gilt, langfristige Überlegungen und Entscheidungen zu treffen, die entsprechende wirtschaftliche Rahmenbedingungen sichern, damit eine Bergbauernfamilie künftig auch weiterhin vom und am Hof leben kann.“ Denn: Bäuerliche Familien stünden nicht nur für eine Lebensweise, sondern auch für die Erhaltung einer einzigartigen Kulturlandschaft, für die Besiedelung von entlegenen Talschaften und für die Versorgung mit hochwertigen lokalen Lebensmitteln.

96 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Südtirol sind reine Familienbetriebe, zwei Drittel davon arbeiten bereits jetzt im Zu- und Nebenerwerb, um ihre Tätigkeit überhaupt aufrecht erhalten zu können. Anders als beispielsweise das Getreide könne die Milch nicht monatelang gelagert werden, sondern müsse innerhalb von drei Tagen verarbeitet werden, erläutert Locher. Die Corona-Krise und das damit verbundene Ausbleiben der Urlaubsgäste habe dazu geführt, dass weniger Milchprodukte verkauft wurden. „Da der Bergbauer nicht zur Kuh sagen kann, dass sie jetzt weniger Milch produzieren soll, muss die Milch als Billigprodukt verkauft werden“, erklärt Locher. Die Folge sei ein sehr niedriger Milchpreis von aktuell 1,40 Euro pro Liter.

Angesichts der letzthin stark gestiegenen Produktionskosten in den Betrieben und bei den Milchhöfen seien die Prognosen in diesem Sektor besonders düster und die Stimmen nach entlastenden Maßnahmen würden immer lauter. „Wenn ein Bauer den Stall aufgrund von mangelnder Rentabilität erst einmal zusperrt und seinen Betrieb auf die Ziegen- und Schafzucht umstellt, wird ihn auch die nächste Generation nicht mehr aufsperren“, befürchtet der SVP-Landwirt. Im Jahr 2002 gab es in Südtirol noch 6.519 Milchlandwirtschaftsbetriebe, heute sind es nur noch 4.400. Franz Locher: „Allein der Umstand, dass trotz eines Ausbaus des Zu- und Nebenerwerbs im Bereich der Milchwirtschaft in den vergangenen 20 Jahren über 2.000 Betriebe ihre Tore geschlossen haben, muss uns zu denken geben.“

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (50)

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  • andreas

    Für die Bezahlung der Milch und den Vertrieb ist nicht das Land, sondern die hochbezahlten Manager der Genossenschaft zuständig, welche in ihren recht schönen Gebäuden residieren.
    Wenn deren Startegien darauf ausgerichtet ist, wie bei den Weinproduzenten, ihre hochpreisigen Produkte primär dem einheimischen Tourismus zu verkaufen, sollten sie sich andere rentable Vertriebswege suchen und nicht sofort nach Steuergeldern rufen.

    Locher ist gänzlich ungeeignet etwas zu fordern, den haben die Sarner sowieso nur geschickt, um die Bozner zu ärgern, den kann man doch nicht ernst nehmen.

  • huggy

    Scheinbar haben nur die Bauern Probleme.
    Allen anderen geht’s ja super.

  • criticus

    Bin für eine Unterstützung der Bergbauern, aber warum bekommen die eine Förderung, die Urlaub auf dem Bauernhof betreiben? Leider müssen Bergbauern auch den teuren Strom bezahlen. Herr Locher, erklären Sie doch einmal den Bauern warum jetzt der Strom doppelt so viel kostet. Die mit Photovoltaikanlagen auf den Dächern (hauptsächlich Urlaub auf den Bauernhof-Betriebe) sollten eigentlich weniger subventioniert werden. Es ist halt immer so in Südtirol, wenn der Kleine etwas bekommt, soll es der Große auch bekommen.

  • gorgo

    Oh. Locher hat ein Thema.
    Abgesehen von unserer Insel der Seligen, wo bis vor Corona Bauern anscheinend von milchtrinkenden Touristen Leben konnten, gibt es seit Jahren eine Überproduktion in Europa.
    Was den Erhalt von Kulturlandschaft betrifft, könnten wir es ruhig leisten bzw. wäre es vielleicht sogar günstiger andere Wege einzuschlagen.
    Bauern als Landschaftspflegern zB gute Gehälter zu bezahlen. Sie könnten wieder weniger Tiere und mehr alte Rassen halten, die weniger Kraftfutter brauchen, hätten dann auch nicht mehr Scheisse, als ihre Wiesen vertragen, sich wirklich auf Nischenprodukte spezialisieren.
    Aber lieber hält man sie in Beitragsgewusel in Geiselhaft, weil notleidende Bergbauern sind für eine gewisse Lobby einfach zu praktisch. Und so kommen auch Großgärtnereien günstig zu Dünger.

  • leser

    Locher
    Setz dich dafür ein dass das land noch mehr aufstiegsanlagen subventioniert damit due bauerntscheggl eine mehr oder weniger subventionsarbeit haben
    Im übrigen
    Die paar produkte die deine bergbauern produzieren wirken such in der lieferkette nicht aus, obendrein bekommen sie eh schon für jeden angebauten kilo kartoffel das zehnfache ihrer wertschöpfung und das vom steuerzahler

  • bernhart

    Locher sollte zu den Arbeitnehmern gehen, dann hätten auch diese wenigstens 1 Person welche sich für die Arbeiter und Rentner einsetzt.
    Locher hat sicher die letzten Tage geschlafen, die Bauern werden mit 300 Euro pro Kuh unterstützt, was wollen sie mehr.
    Der Arbeiter und Rentner geht wieder wie so oft leer aus.
    Anscheinend gibt es im Land nur BAUERN mit einen Fuhrpark von X tausend Euro, Ferienwohnungen ,welche sich ein Arbeiter nie leisten kann.
    Hoch lebe der Bauernstand.

  • kirchhoff

    Lochner scheint bei den Problemen an 1. Stelle zu stehen, danach kommt der bejammerte Rest!

  • franz19

    Die Bauernvertreter haben wohl ein Rechenproblem…ja es ist teuer geworden,aber Spritpreise sind nicht um 50% gestiegen…
    Jeder hat mit diesen Probleme zu kämpfen,aber für die Bauern bzw.die Wähler der SVP gibts immer schnelles Geld!!!
    Ihr seid eine Schande, das ganze Personal ,das seit 2 Jahre den ganzen Tag mit Maske arbeitet hat bis heute nichts bekommen!!!
    Bei den Bauern wird kein Unterschied gemacht…viele haben 5 Wohnungen,Ausschank ,produkte aller Art und Sie brauchen immer nur Geld,Geld und Geld…..

    • honsi

      @franz19 wenn der Strompreis gleich hoch bleibt entstehen mir 5000€ Mehrkosten im Jahr. Bei 90.000 Liter im Jahr und 47Cent Auszahlungpreis(Was in etwa der Durchschnitt der Milchbetriebe in Südtirol ist) merkt man schnell, dass man mit einem Umsatz von 42.000€ schnell an seine Grenzen stößt. Der Konsument sollte endlich ordentlich zahlen, anstatt subventionierte Lebensmittel zu konsumieren und dann den Bauern die Schuld geben, wenn er Zuwendungen erhaltet, denn das was dieser durch die billigen Lebensmittel an Geld pro Monat spart wird nicht mit eingerechnet.

  • franz19

    Wo sind denn die 2000 Betriebe, die in den letzten Jahre zugesperrt haben…Ihr fantasiert wohl zu viel…und wenn manche dicht machete,sind die Wiesen halt verpachtet..wo ist da das Problem…soll man wirklich Betriebe mit 2 Kühe nur mit Beiträge am Leben halten…

    • gorgo

      Ja, meistens wars wohl so, dass die Oma und der Opa nicht mehr konnte, dann hat man es halt gelassen. Zudem sich 2-3 Kühe halt nicht rentierten.

      Trotzdem hat man 2018 mit 400.000.000 l die sog. Milchschallmauer durchbrochen. Was ja eigentlich nicht viel ist. Wenn man es auf die Bevölkerung aufrechnet.
      Ganz sicher könnten wir nicht den heimischen Tourismus mit Milch, Butter, Sahne, Joghurt oder gar Käse von hier versorgen, wie es die Bauern immer wieder verlangen.

      Das jedes 2. Joghurt in Italien angeblich aus Südtirol stammt bzw. hier produziert wird, hat ja wenig mit unseren Bauern zu tun, erklärt aber die Nöte der Milchhöfe.

      • honsi

        400 Millionen Liter Milch auf 500.000 Einwohner von Südtirol ergibt 800 Liter Milch pro Jahr bzw. 2,2 Liter Milch am Tag pro Einwohner

        • gorgo

          Ja eh. Ich kann grob rechnen.
          Auch wieviel Milch benötigt wird um Sahne, Butter, Yogurt und Käse herzustellen. In den meisten mittleren Gastbetrieben die ich kenne wird tatsächlich einheimische Milch, Butter und Sahne verwendet.

          • gorgo

            Jetzt möchte man mit der neuen Heumilchmozzarella auch noch den norditalienischen Markt erobern.
            Keine Ahnung wo das ganze „weiße Gold der Berge“ geschürft wird.

  • bettina75

    „Schuster bleib bei deinen Leisten.“
    D.h. für Locher bleib bei deinen Kühen.
    Ein Ausstieg von der Milchwirtschaft hin zu Alternativen hat der Herr nicht in Betracht gezogen. Beschämend wer da im Landtag Sessel wärmt.

  • dn

    Schlussendlich müssen die Lebensmittelpreise rauf, da nützt das ganze Geschwurble nix.

  • meinemeinung

    wenn die Kaufhäuser (M Prei / Euro Spin / Despar usw.) mit Lebensmittel Milch locken ,Preis von 0,89 Euro pro Liter sollten sich Bauern um ihren Milchpreis kümmern und nicht um Gelder der Steuerzahler. Grundnahrungsmittel Milch soll keiner Spekulation unterliegen sondern einen vernünftigen Fixpreis haben

  • tirolersepp

    Genau dieses System ist falsch !!!

    Nicht fördert für die Kuh, sondern Förderung für das mähen der Wiesen, so wie es Nordtirol macht !

    Damit wäre dem Bergbauer am meisten geholfen, er puggelt eh schon für zwei, am Hof und im Nebenerwerb !

    Diesen Wahnsinn werden die Jungen sowieso nicht mehr mitmachen, geschweige denn die Frauen !!!

  • morgenstern

    Ladenpreis über 1 Euro, Auszahlungspreis um die 50 Cent, da ist es doch höchst an der Zeit die Milchhöfe auf ihre Produktivität zu überprüfen.

  • ostern

    Ist zu verstehen; wenn jeder 300 Euro/Kuh bekommt sind
    in Südtirol 50.000 Kühe in den Ställen. Kann das stimmen???
    Habe keine Ahnung!!

  • cosifantutte

    Bergbauern wurden durch falsche Subventionen und von Beratern über sinnlose Erweiterungen und Mechanisierungen/Automatisierungen in die Kostenfalle getrieben. Wie und wo kann ein Melkroboter zu 130.000 Euro plus 200.000 Euro Aebi Heulader inklusive Metrac in einem Betrieb mit 20 -50 Kühen und ein paar Hektar Wiesen JEMALS wirtschaftlich betrieben werden? Niemals. Sobald die Preise für Kraftfutter, Energie, Ersatzteile und die Wartung der Anlagen drastisch steigt, wie eben jetzt, geht das Klagen los. Es wäre billiger den Bauen ein Gehalt für Landschaftspflege auszuzahlen und fertig, wenig Folgekosten. Die Menge der Lebensmitteerzeugung in Begbauerngebieten ist Nahrungsmittelstrategisch vollkommen irrilevant.

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