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„Das Buch nicht kaufen“

Ein parteiinternes Sitzungsprotokoll zeigt, wie die SVP den „Freunde im Edelweiß“-Skandal „aufarbeitet“: Mit Verleumdungen, Ablenkungsmanövern – und sogar mit Boykottaufrufen.

von Artur Oberhofer

Die Damen und Herren, die sich am 7. April dieses Jahres in Percha zur Sitzung der SVP-Bezirksleitung trafen, hatten Wichtiges zu besprechen.

Es ging um den SVP-SAD-Skandal. Und es ging vor allem darum, wie die Partei wieder aus den negativen Schlagzeilen herauskommt.

Aufgrund der – wie es hieß – „außerordentlichen Situation in der SVP“ nahmen an dieser erweiterten Krisensitzung der SVP-Bezirksleitung des Pustertales auch die Ortsobleute und die Bürgermeister teil.

SVP-Chef Philipp Achammer war ebenso nach Percha gereist wie die Pustertaler Landtagsabgeordneten und Landesräte.

Auch Alt-Senator Hans Berger, der – so wie Alt-LH Luis Durnwalder – das Erscheinen des Buches „Freunde im Edelweiß“ gerichtlich verbieten lassen wollte, war gekommen.

Der TAGESZEITUNG und Salto.bz liegt das Protokoll dieser Bezirksleitungs-Sitzung vor.

Dieses Dokument erlaubt tiefe Einblicke in das Seelenleben einer skandalgebeutelten Partei, die nach außen hin vorgibt, die Ereignisse seriös „aufarbeiten“ zu wollen. Es belegt, dass die SVP aus dem SVP-SAD-Skandal noch nichts gelernt hat.

Es geht der SVP bei ihrer „Aufarbeitung“ nicht um die Inhalte und auch nicht um die Hauptakteure, die der Volkspartei den größten politischen Skandal seit ihrem Bestehen beschert haben, nein, es geht vor allen darum, die Überbringer der fatalen Botschaft ins Zwielicht zu stellen. Es werden diffuse Verschwörungstheorien lanciert.

Der stellvertretende Pusterer SVP-Bezirksobmann ging sogar soweit, seine Leute dazu aufzurufen, „das Buch ,Freunde im Edelweiß‘ nicht zu kaufen“.

Die SVP – sie hat aus dem Skandal offenbar nichts gelernt.

Es sind aber nicht nur die mittleren Chargen im Edelweiß, die den Kopf in den Sand stecken und warten, bis der Kelch an ihnen vorübergeht. Es sind vor allen Dingen die Partei-Granden, die mit dem Krisenmanagement völlig überfordert sind und von einem Fettnäpfchen ins nächste treten und gar nicht merken, wie heftig es in der Basis rumort – und wie angefressen die vielen Anständigen im Edelweiß sind.

Zum Verlauf der Pusterer Krisensitzung: Es war zunächst Bezirksobmann Meinhard Durnwalder, der sie Sitzung eröffnete und sich – Zitat aus dem Protokoll – „für das Interesse und die Treue in diesem wohl schwierigsten Moment in der SVP“ bedankte.

Auch auf dem Krisengipfel von Percha wurde evident, dass Parteichef Philipp Achammer im SAD-SVP-Skandal einen permanenten Zickzack-Kurs fährt. Nach der Veröffentlichung des Buches „Freunde im Edelweiß“ hatte Achammer noch erklärt, das Enthüllungswerk enthalte „keine neuen Fakten“. Auf dem Pustertaler Krisengipfel räumte der Obmann ein, dass – Zitat – „in der SAD-Affäre kriminelle Handlungen sowie Beeinflussungen und Privatinteressen im Spiel waren“. Es sei nun Aufgabe der Partei zu klären und zu überprüfen, welche Mandatare der SVP in den Fall involviert waren, so Achammer.

Der Parteichef weiter: Die Veröffentlichung der Protokolle mache die ganze Sache „noch viel komplizierter“.

Wie elastisch und glitschig die Position des SVP-Obmannes im SVP-SAD-Skandal ist, zeigt folgende Passage aus dem Sitzungsprotoll: Einerseits erklärte der Obmann in Percha, dass das Enthüllungsbuch zum SAD-Skandal, das „der Auslöser der Polemiken gewesen“ sei, „voller Intrigen und Unwahrheiten“ sei. Im selben Atemzug aber räumte Achammer ein: „Die Lage ist moralisch sehr bedenklich.“ Das, was geschehen sei, könne „auf keinen Fall gutgeheißen werden“ und habe „unter der Bevölkerung einen sehr schlechten Eindruck“ hinterlassen.

Klassisch war auch Achammers Verweis auf die böse Presse: Zur „Polemisierung und zum negativen Erscheinungsbild“ hätten wesentlich Medienberichte beigetragen. Aber die Parteispitze, so Achammer in Percha, habe „nicht tatenlos“ zu gesehen, sondern man habe „im Hintergrund hart an einer Lösung gearbeitet“.

Einen „Freispruch“ vonseiten des Obmannes gab es für Bezirksobmann Meinhard Durnwalder und für Alt-Senator Hans Berger.

Der Luis-Neffe und der Ex-Senator „kommen im Buch mit falschen Anschuldigungen vor“, dozierte Achammer, sie hätten lediglich den Auftrag gehabt, in Rom Mehrwertsteuerfragen zu klären.

Was Achammer nicht sagte: Wenn sie nur für Südtirol tätig waren, warum hat SAD-Chef Ingemar Gatterer den Alt-Senator Hans Berger und Meinhard Durnwalder unbedingt bezahlen wollen?

SVP-Chef Philipp Achammer beendete seine Rede an die Pusterer-Krisenversammlung mit den Worten:

„Wir dürfen gerade jetzt uns nicht gegenseitig an das Scheinbein treten und ich rufe zu Besinnung und Zusammenhalt auf. Ich möchte unterstreichen, dass die Verwaltung sauber gearbeitet hat und die Vergabe der SAD-Konzessionen korrekt über die Bühne ging. Wir müssen die Angelegenheit zu Ende bringen und wieder durch Zusammenhalt für Ruhe in der Partei sorgen.“

Der Applaus für den Parteiobmann, so notierte der Protokollführer, „blieb nicht aus“.

Anschließend meldeten sich auch die anwesenden Landesräte und Mandatsträger sowie mehrere Bürgermeister zu Wort.

Die Botschaft sei einhellig gewesen: „Zusammenhalten, die Angelegenheit so schnell als möglich zu Ende führen und dem LH und dem Parteiobmann die volle Unterstützung und das Vertrauen aussprechen.“ Nur so könne „wieder Ruhe eintreten und die politische Arbeit fortgeführt werden“, heißt es im Sitzungsprotokoll.

Auch Kritik hat es gegeben. Im Protokoll heißt es dazu nur:

„Viele Ortsobmänner meldeten sich in teilweise sehr emotionaler Art zu Wort und schlugen in dieselbe Kerbe, trotz allem der Partei treu bleiben, zusammenhalten und ,gschoffn‘.“

Um 22.30 ist die Sitzung zu Ende.

Weil er „wegen der fortgeschrittenen Stunde“ sich nicht mehr zu Wort gemeldet hat, wollte der stellvertretende Bezirksobmann und Protokollführer Peter Fuchs aus Innichen zwei Dinge noch loswerden.

Im Protokoll schrieb er:

  • Wir dürfen nicht vergessen, dass unser Parteiobmann Philipp Achammer die Führung der Südtiroler Volkspartei in einem schwierigen Moment übernommen und mit Ehrgeiz und Einsatz in ruhige Gewässer geführt hat. Deswegen gebührt ihm die volle Unterstützung, er wird auch diese schwierige Situation meistern.
  • Ich rufe alle Mandatare auf, dieses Buch nicht zu kaufen. Wir können nicht solche SVP-Gegner finanziell und wirtschaftlich mit dem Kauf des Buches fördern.

Bei einem Bier, heißt es abschließend im Protokoll, sei anschließend „die Freundschaft und der Zusammenhalt besiegelt“ worden.

Der Chronik halber:

Peter Fuchs ist am vergangenen Freitag auf der SVP-Bezirksversammlung in Gais als Bezirksobmann-Stellvertreter abgewählt worden.

LESEN SIE MORGEN:

  • Wie Senator Meinhard Durnwalder die Buchautoren ins Zwielicht gestellt hat
Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (32)

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  • andreas

    Tolpatschiger kann man sich wohl nicht anstellen, um die SVP in ein noch lächerlicheres Licht zu stellen?
    Auch kleine Kinder halten sich die Augen zu und meinen, dass man sie nicht mehr sieht, dieser Peter Fuchs scheint da ähnliche Erwartungen zu haben.
    Es gibt durchaus integre und kluge SVPler, die sind aber schlau genug, sich nicht öffentlich zu äußern und zu positionieren, die im Artikel zitierten scheinen aber nicht zwingend zu denen zu gehören.

  • criticus

    Ja, wenn diese Hauptakteure könnten, dann würden sie wohl eine Bücherverbrennung starten hat mir ein Pusterer gesagt. Und übrigens gelesen hat das Buch ein jeder, der darin vorkommt. Da bin ich mir 1000% sicher. Und weil da wohl die Wahrheit ans Tageslicht gekommen ist, will man es dem Volk „verbieten“. Auf jeden Fall wird dieses Buch mehr gelesen als Durnwalders „Märchenbuch“. Ja, manche Hauptakteure haben die Fähigkeit eine Lawine ins Rutschen zu bringen und dann noch von Einigkeit zu sprechen. Da sagte mir doch der Pusterer: „Potscheta“ gehts wohl nicht mehr!
    So, und jetzt fehlt nur noch das Buch über die Alperia, damit wir Südtiroler wissen, warum wir das gut Zweifache an Stromgebühren mehr zahlen. Da hat sich im Bezirk Pustertal, wie auch in den anderen Bezirken, niemand gewagt zu fragen, warum wir den Strom so teuer bezahlen müssen. Versammlungen wie zu DDR-Zeiten, oder?

    • leser

      Es ist doch klar, dass der ansonsten ohne partei arbeitslose und berufsperspektuvlose achammer mit allwn mitteln um sein überleben kämpft
      Ihm bliebe nur ein job als zeitungsausträger bei den ebners

  • brutus

    Die SVP setzt das Buch „Freunde im Edelweiß“ dem „Hexenhammer“ des Mittelalters gleich!

  • ostern

    Hr. Fuchs, sollten sie nicht verstanden haben, das EDELEISS ist nicht mehr
    EDEL und nicht mehr WEISS. Sie haben wohl Angst von der Wahrheit, die
    Sie den südtiroler Bürger verheimlichen wollen. Ein Lob den beiden Journalisten
    Oberhofer und Franceschini, gerade solche Leute muss man unterstützen,
    die Wahrheit soll immer zu Tage kommen. Frage; sind sie auch von der Partie?
    Hören Sie sich doch das Lied vom Doggi an, um ein bischen mehr von der
    SVP zu verstehen!!!

  • gulli

    Jeder der eine Ungerechtigkeit sieht und schweigend wegschaut, macht sich mitschuldig.
    Was sich daraus entwickeln kann, hat uns die Geschichte gezeigt!

  • bernhart

    Herr Fuchs, sag nie die Wahrheit, denn diese tut weh.
    SVP adee

  • meraner

    Zitat:“ Wenn sie nur für Südtirol tätig waren, warum hat SAD-Chef Ingemar Gatterer den Alt-Senator Hans Berger und Meinhard Durnwalder unbedingt bezahlen wollen?“ Frage an die Tageszeitung: Wurden die Politiker bezahlt, bzw. haben sie sich bezahlen lassen? Und gibt es Beweise, dass Durnwalder und Berger in Rom nicht Mehrwertsteuerfragen geklärt haben? im Übrigen habe ich das Buch geschenkt bekommen, habe es aber trotzdem nicht gelesen, da ich keine voyeuristische Vorlieben habe, und mich somit Privatgespräche von anderen nicht interessieren. Ich bin alles andere als ein Freund unserer Landesregierung oder der derzeitigen Svp-Führung. Aber eine schlechte, oder unseriöse Regierung kann nicht der Grund sein, der es einer Zeitungsredaktion erlaubt private Telefongespräche zu veröffentlichen und sogar selbst zu entscheiden was öffentlichkeitsrelevant ist oder nicht. Hier werden die grundlegendsten Datenschutzbestimmungen verletz und das Grundrechte der Menschen auf Privatsphäre mit Füßen zu treten. Sollte dies Schule machen, so ist in Zukunft niemand mehr vor dieser Art von Pressefreiheit mehr sicher. Mich wundert, dass bis jetzt die zuständigen Behörden noch nicht eingeschritten sind, vielleicht auch weil die Telefonaufzeichnungen ja eigentlich in Ihrem Besitz sind und es somit auch die Verantwortung darüber bei Ihnen liegt.

  • franz19

    Unsere Bauernpartei die die Probleme untern Tisch kehrt und probiert den Leute reinen Wein einzuschenken…Ihr habt versagt ,checkt ihr das nicht…
    Das Volk hat die Schnauze mit euren Lügen voll,Neuwahlen, es gibt keine Alternative

  • positiv-thinking

    Wir haben es hier mit ein paar Akteuren zu tun, die großteils in ihren Privatgesprächen belauscht wurden. Mal angenommen, man würde alle Südtiroler und Innen belauschen? Und dann alles veröffentlichen dürfen? Was würde alles rauskommen am Ende?
    Soweit bräuchte man gar nicht gehen – es wird ja vieles normal so nebenher am Tresen besprochen. Man könnte es also aufnehmen und täglich hunderte Menschen finden, die etwas sagen, dass nicht ganz astrein ist, bzw. Absichtserklärungen abgeben.
    Ist es nicht das Wesen und Verhaltungsmuster von gar einigen Südtirolern und Innen, das wir da vorgeführt bekommen. Wir sehen jetzt nur die, über die das Buch handelt. Aber es gibt gar einige, die nur aus der 2. Reihe agieren – egal ob für eine Partei, einen Verband, eine Lobby, oder nur um sich selbst zuzuhören, es ist kein explizites Problem der SVP. SVPler gibt es halt mehr als Parteilose oder Anhänger von anderen Parteien, und sohin sieht es aus, als ob nur die SVPler „schlecht“ wären. Wenn wir genauso intensiv die Fehler aller anderen suchen und anprangern würden, dann würde sich ein vollkommen anderes Gesamtbild ergeben. Aber das wäre kompliziert. Und wir können das Volk besser mit einfachen Botschaften ansprechen. Welchem höheren Ziel dient denn diese journalistische Meisterleistung an Einseitigkeit in Wirklichkeit? Hat sich das schon mal wer überlegt? Wäre ja auch mal ein interessanter Gedanke, oder nicht? Warum führt man einen nach dem anderen vor und erklärt, wie dämlich alle sind. Wieso sind alle anderen gut oder kommen nicht vor? Wieso redete die Opposition lautstark von Neuwahl und machte ein Gruppenbild, um sofort danach zu verstummen, weil sie erkannt haben, dass sie nicht mal was gegenzusetzen zu haben. Ist nicht das auch eine Wahrheit, über die zu berichten wäre. Man will einen LH und eine Partei weg haben, aber man hätte seinerseits keinen LH Kandidaten als Alternative anzubieten. Man ist halt dagegen – Lösung hat man keine – aber egal, mal wettern und Gas geben. Entschuldigung, mein Verständnis von sinnvollem Agieren ist das aber dann auch nicht.Wenn man die Einwände der Opposition mal bis auf wenige Ausnahmen bis ans Ende weiterdenkt, dann kommt man leider auch auf keinen Punkt. Haben wir es denn nicht auch mit einer eklatanten Schwäche der Oppositionsparteien zu tun? Soll von dieser abgelenkt werden – könnte das sein?

    • george

      Aha, wieder einer dieser Verschleierer, die dadurch ablenken wollen, indem sie immer auch bei den anderen den Splitter im Auge sehen wollen, um den Balken vor den eigenen Augen zu rechtfertigen, anstatt bei sich selbst eine Läuterung zu vollziehen. Ein solches Verhalten ist sicher kein Schritt zum „positiv-thinking“, werter #positiv-thinking#.

  • sukram

    Ewig Gestrige mit einem sehr eigenartigen Demokratieverständnis.

  • dn

    Wenn noch immer einige dem System Durnwalder nachtrauern, dann haben diese im Sinne des Parteistatuts nichts in der Partei verloren. Zudem müssen aktive Mandatare einen Eid ableisten, dass sie nur dem Wohle des Volkes dienen, z.B. Widmann. Solche Politiker sind die Totengräber der SVP.

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