Du befindest dich hier: Home » Südtirol » „Autonomie ist kein Endpunkt“

„Autonomie ist kein Endpunkt“


Anlässlich des 50jährigen Jubiläums des Zweiten Autonomiestatuts nahm Landeshauptmann Arno Kompatscher am Donnerstag an der Autonomie-Matinee an der Eurac teil.

Wie sich die Südtiroler Autonomie in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat und was die Herausforderungen der nächsten Jahre sein werden, stand im Mittelpunkt der Autonomie-Matinee an der Eurac Research in Bozen, die vom Journalisten Günther Pallaver moderiert wurde.

Landeshauptmann Arno Kompatscher ging in seinem Statement auf die Erfolgsgeschichte Zweites Autonomiestatut ein: „Mit diesem Regelwerk ist es gelungen, die deutsche und ladinischsprachige Minderheit in Südtirol zu schützen, aber auch die wirtschaftliche Entwicklung und den sozialen Ausgleich zu gewährleisten. Eine Lösung zum Vorteil aller Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, unabhängig von sprachlicher Zugehörigkeit.“ Diese Autonomie sei aber kein Endpunkt, sondern ein stetiger Ausgangspunkt, betonte der Landeshauptmann. Die europäische Gesetzgebung, die staatlichen Reformen und die gesellschaftlichen Veränderungen machten eine laufende Anpassung an aktuelle Erfordernisse nötig. „Unsere Autonomie muss weiterentwickelt, angepasst und oft auch verteidigt werden. Wichtig ist, dass sie uns auch in Zukunft Sicherheit gibt. Und dass es uns gelingt, zwar gut geschützt, aber auch offen sein zu können“, unterstrich Kompatscher.

Marc Röggla, Leiter des Center for Autonomy Experience, Eurac Research, gab einen Einblick in das internationale Interesse an Südtirols Autonomie: „53 Länder der Welt haben sich in den letzten Jahrzehnten unser Autonomiemodell angesehen, viele waren auch öfter hier. Südtirol hat viele Möglichkeiten gefunden, paradiplomatisch aktiv zu werden und dadurch nicht nur Know-how zu vermitteln, sondern auch ein starkes Netzwerk aufzubauen.“ Dass dabei ein realistisches Bild des Südtiroler Autonomiemodells gezeigt werde, sei besonders wichtig. Der Austausch habe zudem immer wieder vor Augen geführt, dass die Anwendbarkeit des Modells Südtirol auf andere Minderheiten und Regionen seine Grenzen habe.

Günther Rautz, Leiter des Instituts für Minderheitenrecht, Eurac Research, erklärte die Einzigartigkeit des Modells Südtirol vor allem darin, dass es eine Autonomie für alle drei Sprachgruppen, und auch immer mehr für Migranten, die hierher kommen, ist: „Schlussendlich kommt es darauf an, dass die Autonomie allen zugute kommt und immer mehr als gemeinsame Aufgabe, egal ob italienisch-, deutsch- oder ladinischsprachig, wahrgenommen wird“, betonte Rautz und fuhr fort: „Und es kommt darauf an, die Arbeit der letzten 50 Jahre verantwortlich im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens weiterzutragen.“

Der Leiter des Instituts für Vergleichende Föderalismusforschung an der Eurac, Francesco Palermo, beleuchtete das 50 Jahre alte Zweite Autonomiestatut, „mit dem bedeutende Ergebnisse erzielt wurden“: „Auch die besten Gesetze müssen, wie jede Technologie, gepflegt und weiterentwickelt werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, unterstrich Palermo. „Das rechtliche Grundgerüst unserer Autonomie ist sehr solide, nun gilt es, dieses komplexe System funktionsfähig zu halten.“

Dass Autonomie nicht ohne Gesellschaft funktioniert, darüber sprach Elisabeth Alber, Forscherin am Institut für Vergleichende Föderalismusforschung an Eurac Research. Und mit der Gesellschaft wandle sich auch die Autonomie. „In Südtirol tritt an die Stelle der sozialen und ethnischen Trennung heute mehr und mehr die Kooperation unter den Sprachgruppen – empirische Daten belegen dies“, berichtete Alber. „Dadurch erhöht sich auch das Sozialkapital, mit dem wir die Autonomie weiter pflegen und ausbauen können.“

Neues Autonomie-Video in sechs Sprachen

Im Rahmen der Veranstaltung wurde auch das neue Autonomie-Video „Wir. Noi. Nos.“ des Center for Autonomy Experience präsentiert. Das Video ist in sechs Sprachen verfügbar – darunter Mandarin, Russisch und Arabisch – und richtet sich unter anderem an ein internationales Publikum, das das Südtiroler Autonomiemodell und seinen Minderheitenschutz näher kennenlernen möchte. Hier der Link zur deutschen und italienischen Version.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (5)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

  • morgenstern

    In Anlehnung an diesen Artikel werde ich mich Morgen mit dem Begriff „Frasengebläse“ etwas näher auseinandersetzen.

  • artimar

    Nicht wenige — auch hierzulande — haben es sich in den letzten Jahrzehnten geschichts- und damit zukunftsvergessen sehr bequem gemacht. Dabei sollten wir in unserer Verantwortungsgemeinschaft aus der leidvollen Geschichte des 20.Jahrhunderts doch zumindest gelernt haben: Weder die Demokratie im Jahr 1945 — nach 23 Jahren Gewalt- und Terrorherrschaft — noch die Autonomie sind vom Himmel gefallen. Den Erhalt der Demokratie und die Autonomie gilt es jeden Tag aufs Neue zu verteidigen. Sie sind ja auch heute noch keine Selbstverständlichkeiten. Minderheiten- oder Frauenrechte sind bekanntermaßen sehr verletzlich. Heute (2022) kennen wir in der Sonderverwaltungsregion (Südtirol und dt. Sprachinseln im Trentino) noch nicht mal den Zustand der Umsetzung des Gruber-De-Gasperi-Abkommens, wie z.B. über die völlige Gleichstellung mit dem Italienischen, das Recht auf den Gebrauch der eigenen deutschen Sprache, Toponomastik … Es gibt auch keine valide, begleitende Erhebungen, ein Monotoring, Studien u.a.m. Wer hindert da etwa Südtirol, die Euregio daran?
    Die (dünne) Grundlage der inneren Selbstbestimmung, die Autonomie, misst sich nach wie vor real-politisch, was daraus (nicht) gemacht wurde bzw. was daraus (nicht) gemacht wird. Eine Binsenweisheit eigentlich. Es ginge nach wie vor um konkrete Umsetzung, z.B. Implementierung des Autonomiestatuts im europäischen Geist auf der Ebene des Völkerrechts — so wie es Bruno Kreisky schon damals meinte — als um Veranstaltung. Oder: Was wurde/wird programmatisch konkret z.B. aus dem Autonomie-Konvent?
    Da gibt es wohl noch Entwicklungs- und Optimierungspotenzial — eben besonders beim Ausgestalten und Umsetzen.
    Hoffen wir, dass mit der Euroregio Tirol — in einer Republik Europa —wieder zusammenwächst, was zusammengehört.

Kommentar abgeben

Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.

2024 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen