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Bunga Bunga in Bozen


Der Regionalrat entsendet Sepp Noggler, Maurizio Fugatti und Sara Ferrari zur Wahl des Staatspräsidenten — doch Ex-Premier Silvio Berlusconi stiehlt den drei Delegierten die Show.


von Matthias Kofler

Kein Name fiel in der gestrigen Regionalratssitzung häufiger als der von Silvio Berlusconi. Der ehemalige Ministerpräsident und Vorsitzende von Forza Italia schickt sich an, neuer Staatspräsident Italiens zu werden. Er zählt dabei auf die Unterstützung der Mitte-Rechts-Koalition. Der Regionalrat von Trentino-Südtirol entsendet drei der insgesamt über 1.000 Wahlmänner und -frauen nach Rom — und könnte damit bei der Wahl des Staatsoberhaupts zum Zünglein an der Waage werden.

Die SVP-Lega-Mehrheit einigte sich auf Regionalratspräsident Sepp Noggler und den Präsidenten der Region, Maurizio Fugatti. Die Mitte-Links-Fraktionen PD, Grüne, Team K und UPT schickten hingegen Sara Ferrari vom PD, die Fraktionssprecherin der größten Oppositionspartei, ins Rennen. Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) sah die Wahl als klare Entscheidung zwischen zwei Lagern und kritisierte das Vorpreschen der Linken. Er werde nur Vertreter wählen, die keinen linken Präsidenten untersützen und schlug daher seine Fraktionskollegin Alessia Ambrosi vor.

Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) kündigte an, dass seine Fraktion an der Wahl nicht teilnehmen werde. Man fühle sich diesem Staat nicht zugehörig. Die Enthaltung sei aber auch ein Zeichen des politischen Anstands. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Berlusconi Präsident werde. Mit einer solchen Person wolle man nichts zu tun haben, so Knoll.

Paul Köllensperger (Team K) betonte, dass er für einen Staatspräsidenten sei, der die Republik einige und nicht entzweie wie Berlusconi. Letzterer sei nicht präsentabel, er sei wegen Steuervergehen verurteilt und sei anderen Verurteilungen nur durch Verjährung entgangen. FI-Chef Carlo Vettori konterte, dass es nicht darum gehe, moralische Urteile über mögliche Staatspräsidenten abzugeben.

In einer Republik, wo die Ausnahme die Regel sei, müsse gerade der Präsident eine moralische Autorität sein, ein Garant der Demokratie, sprach sich der Grillino Diego Nicolini gegen eine Wahl Berlusconis aus. Brigitte Foppa (Grüne) erinnerte die SVP an ihre große Verantwortung. Wenn sie für einen Vertreter stimme, der in Rom womöglich Berlusconi wähle, dann müsse sie das auch verantworten. Berlusconi sei international bekannt für sein abwertendes Frauenbild, für „Bunga Bunga“.

In der geheimen Abstimmung, bei der je zwei Vorzugsstimmen abgegeben werden konnten, entfielen 33 Stimmen auf Fugatti, 29 auf Noggler, 22 auf Ferrari, 15 auf Coppola und vier auf Ambrosi. Außerhalb der Vorschläge ging je eine Stimme an Atz Tammerle und an Josef Unterholzner. Fugatti, Noggler und Ferrari sind somit die Delegierten der Region für die Wahl des Staatspräsidenten.

Die SVP-Leitung sprach sich im Anschluss gegen eine Unterstützung Silvio Berlusconis aus. „Unser Moralverständnis verbietet es uns, an Berlusconi als Staatsoberhaupt überhaupt zu denken“, erklärte Senatorin Julia Unterberger. Obmann Philipp Achammer drückte sich diplomatischer aus: „Für uns muss die Person an der Spitze des Staates moralisch integer sein, über den Dingen stehen und imstande sein, alle Staatsbürger zusammenzuführen.“ In der Brennerstraße bezweifelt man, dass der Ex-Regierungschef tatsächlich in den Ring steigen wird. Da Herbert Dorfmann in einem Bündnis mit Forza Italia nach Brüssel gekommen ist und man der EVP, die sich bereits für Berlusconi ausgesprochen hat, nicht in den Rücken fallen will, verzichtet die SVP-Spitze auf gehässige Kommentare gegen den vorbestraften Medienmogul.

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Kommentare (33)

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  • andreas

    Ich kenne eigentlich niemanden, den es großartig stören würde, wenn Knoll und Tammerle den Staat, welchen sie sich nicht zugehörig fühlen und nur auf der Tasche liegen, Richtung Operettenstaat verlassen würden.

    Politischer Pragmatismus ist zwar notwendig, doch so weit, einen Berlusconi nicht offiziell abzulehnen, sollte er dann doch nicht gehen.
    Einen Mann mit über 100 Strafverfahren und einigen Verurteilungen, welcher aufgrund seines Alters als Strafe nur in Altersheimen singen musste, soll also Staatspräsident werden. ich hoffe mal, Italien gibt sich nicht diese Blöße.

  • rumer

    Wir hängen an einem Staat, der politisch, wirtschaftlich und moralisch zu Afrika gehört. Wobei ich die Afrikaner ungern beleidige.

    • heracleummantegazziani

      Wieso äußern Sie sich dann immer so krass gegenüber den Menschen, die übers Mittelmeer nach Italien kommen? Es ist – Ihrer Anschauung nach – doch offenbar deren Heimat. Mehr noch, Sie scheinen den Afrikanern größere moralische Integrität zuzusprechen. Weshalb also der Rassismus?
      Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Knoll und Atz-Tammerle im Landtag nichts verloren haben (frei nach Cato Major)

      • rumer

        @hera
        Wie steht es mit deinem Demokratieverständnis?
        1. Wer gewählt ist und sich an die Verfassung und Gesetze hält, gehört in den Landtag.
        2. Berlusconi hält sich nicht an die Gesetze, wollte lieber einen Staat alla Lybien, Sein wahrscheinlich größter politischer Schock war, wie die Welt zuschauen konnte, als man Ghadaffi aus dem Erdloch zog. Berlusconi zum Staatspräsidenten zu wählen ist doch die allergrößte Folter für Linksgrüne. Und das möchte ich nicht.

  • steve

    Schon traurig, dass Frau Foppa allein das Frauenbild Berlusconis als Grund anführt ihn nicht zu wählen.

    Noch viel mehr würd ich ihn nicht wählen, man kann es nocht anders sagen, weil er ein Verbrecher ist, der sich nicht an Gesetze hält und allein wegen der Verjährungregel, die für Italien einzigartig ist, nur einmal verurteilt wurde.
    Außerdem vermischt er Medien- mit politischer Macht.

    Herbert Dorfmann jedenfalls hat erklärt, dass er Berlusconi unterstûtzt!
    Na Mahlzeit!

    • heracleummantegazziani

      Das ist nicht der einzige Grund, den sie anführt, aber im Artikel kann man ja nicht alles wiedergeben.

    • alfons61

      @steve: Es gibt SCHLIMMERE Verbrecher als Berlusconi wenn Du ihn unbedingt als Verbrecher siehst.
      Zum Thema: AUSSERDEM VERMISCHT ER MEDIEN MIT POLITISCHER MACHT
      hier in Südtirol haben wir es auch nicht anders. Hier sind es sogar 2 die so etwas ausüben. Oder?????

    • devils_son

      @steve – ja mei… vom Berlusconi hat man halt alles breitgetreten gekriegt, die Sensationslüsternen Wahrheitsmedien wurden von ihm gut bedient, eigentlich müssten die ihm eine Verdienstmedaille reichen. und – nur weil wir über die meisten andern da unten nur nix wissen, heist das nicht dass einer von denen besser ist als der good old Silvio.
      Mich jedenfalls täte es freuen, wenn er es würde, er könnte mal so richitg abrechnen mit all denen,
      die geglaubt haben ihm unbedingt ans Bein zu pinkeln. Es wäre zuuu geil 🙂
      Auserdem, was ändert es schon für uns alle? welcher Kriminelle grad da vorne steht??

  • criticus

    Berlusconi ist einer jener Personen, der trotz nachgewiesenen Verbrechen nie verurteilt wurde, abgesehen von der Showeinlage in einem Seniorenheim. Schon damit hat er die Justiz Italiens weltweit lächerlich gemacht. Bekäme Berlusconi das Amt des Staatspräsidenten, dann würde Italien für die ganze Welt politisch noch lächerlicher dastehen, oder eben das wofür es immer gehalten wird, nämlich ein Bananenstaat. Was mich wundert ist, dass ein Manfred Weber, EVP-Fraktionsvorsitzender, eine Kandidatur Berlusconis für gut heißt. Über Dorfmann möchte ich mich nicht äußern, dieser Herr ist ein Fähnchen im Wind und vom Südtiroler Medienzar abhängig. Man sieht, dass diese beiden Herren keine Europapolitiker sind, sonst wären sie lieber still gewesen.

  • artimar

    Lassen wir uns überraschen, wen die 1009 Wahlberechtigten bei der geheimen Wahl letztlich wählen. Berlusconi wird es mangels Stimmen und Unterstützung selbst im eigenen Lager eh nicht. Daran ändern auch nichts drei Stimmen der Tiroler Sonderverwaltungsregion.
    Dass die SVP als Teil der EVP Berlusconi unterstützt, ist doch nur folgerichtig. Mehr noch: Die SVP wäre heute ohne die Unterstützung Berlusconis, an der er trotz aller parteiinternen Querelen und Austritts Biancofiore festgehalten hat, ja nicht mal mehr im EU-Parlament. Denn der „PD“ hat die SVP zwar für sich selbst bei den Parlamentswahlen (aus)genutzt, um die in Italien andernorts nicht mehr zumutbaren Kandidaten Bressa und Boschi mit Hilfe SVP wählen lassen. Eine Unterstützung des „PD“ hingegen für diese kleine ethnische Minderheitenpartei bei der EU-Wahl hat es bekanntermaßen dann aber nicht gegeben. Wen also, außer Berlusconi, sollte die SVP (formal) denn sonst bei der Wahl unterstützen?
    Wer dann wen wählt, weiß nur jeder einzelne der 1009. Die Wahl ist ja geheim.

  • besserwisser

    heute schreibt der parteiobmann an die funktioäre:
    SVP-Obmann Philipp Achammer stellt klar, dass die Entscheidung der Europäischen Volkspartei (EVP) zur Unterstützung von Silvio Berlusconi als Staatspräsident die Südtiroler Volkspartei in keiner Weise binde. Für die SVP gelte, dass die Person an der Spitze des Staates die moralische Integrität haben und über den Dingen stehen müsse, um alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zu vertreten. Damit sei im Hinblick auf diese Wahlempfehlung alles gesagt, so Achammer. Berlusconi komme somit für die SVP sicher nicht in Frage.
    Rai berichtete gestern:
    Für SVP-Europarlamentarier Herbert Dorfmann ist die Entscheidung der EVP logisch und konsequent: „….immerhin ist Silvio Berlusconi Mitglied der EVP“, so Dorfmann.
    Sind die schon bei der gleichen Partei oder?

  • artimar

    Wo gibt es sowas sonst in westlichen demokratischen Ländern, dass Delegierte der Regionen bei dieser Wahlversammlung nur abgesondert und abseits auf den Zuschauertribüne verbannt ihre Stimme abgeben dürfen?
    Völlig undenkbar, z.B. in der BRD…
    Auch sehr eigen: Da stellt sich tatsächlich ein Berlusconi über Wochen und Wochen als einziger Kandidat hin. Von den anderen hingegen im Dunkeln sieht/weiß die (Öffentlichkeit zumindest) selbst einige Tage vor der Wahl noch nichts.
    Das Prozedere hat eher was von einem absolutistischen Staate, wie im Vatikan, als mit einer modernen, transparenten Demokratie.
    Es verrät jedenfalls viel über die Kultur und das reale politische System in Italien.

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