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Fadenscheiniges Urteil

Alex Schwazer (Screen Sky Sport)

Das Schweizerische Bundesgericht versenkt den Revisionsantrag von Alex Schwazer zur achtjährigen Wettkampfsperre definitiv. Mit einer schwer nachvollziehbaren formalistischen Begründung.

Von Thomas Vikoler

Die eigentliche Entscheidung in diesem Verfahren fiel am 11. Mai dieses Jahres. Christina Kiss, Richterin des Schweizerischen Bundesgerichts in Lausanne, lehnte den Antrag von Geh-Olympiasieger Alex Schwazer auf Aussetzung der achtjährigen Wettkampfsperre ab.

Die Comeback-Pläne des Kalchers mit einer Teilnahme an der Olympiade in Tokio zerplatzten wie eine Seifenblase.

Ende September wies ein Richtersenat unter Vorsitz von Christina Kiss, wie berichtet, Schwazers Revisionsantrag zur vom Schiedsgericht TAS Anfang 2017 verhängten Sperre ab. Es kommt also zu keinem neuen Schiedsgerichtsverfahren zur Aufhebung bzw. Neufestlegung.

Der TAGESZEITUNG liegt exklusiv die Urteilsbegründung vor, mit welcher das Schweizerische Bundesgericht den Revisionsantrag definitiv versenkt hat.

Um es gleich zu sagen: Die Begründung, die gerade sieben Seiten umfasst, erscheint fadenscheinig und ist eine rein formalistische.

Mit wenigen Sätzen wird ein umfangreiches Urteil des Bozner Voruntersuchungsrichters Walter Pelino, mit dem am 18. Februar dieses Jahres das Doping-Verfahren gegen Alex Schwazers eingestellt worden war, abgetan.

Pelino hatte dort nach einem aufwändigen Beweissicherungsverfahren festgehalten, dass die positive Urin Schwazers vom 1. Jänner 2016 „mit hohem Grad an Glaubwürdigkeit manipuliert wurde, mit dem Ziel eines positiven Doping-Ergebnisses“.

Gerhard Brandstätter und die Londoner Kanzlei Morgan, die Rechtsbeistände Schwazers in dieser Causa, hatten in ihrem Revisionsantrag darauf hingewiesen, dass dies einen Verfahrensbetrug darstelle und auch andere Strafbestände nach Schweizerischem Recht erfüllt seien.

Alles vergeblich.

Das Schweizerische Bundesgericht legt seine Einschätzung in einem einzigen Satz dar, der sich so zusammenfassen lässt: Der Revisionsantrag beziehe sich auf eine Straftat, nämlich die Manipulation von Schwazers Dopingprobe, welche nicht dieselbe Straftat sei wie im Bozner Strafverfahren gegen Schwazer, wo es um ein mögliches Doping-Vergehen ging.

„Das reicht, um auszuschließen, sich mit Erfolg auf ein Revisionsverfahren einzulassen zu können“, lautet der vernichtende Folgesatz aus der Urteilsbegründung.

Damit wirf völlig übergangen, dass das mehrjährige Beweissicherungsverfahren vor Richter Pelino vornehmlich darauf ausgerichtet war, die Unschuld des Olympiasiegers bzw. eine Manipulation seiner Urin-Probe zu beweisen. Der mögliche Strafbestand des Verstoßes gegen das italienische Doping-Gesetz war zwar formal Gegenstand des Strafverfahrens, war aber bereits in einer frühen Phase ausgeschlossen worden.

Das Schweizerische Bundesgericht lässt dies alles nicht gelten. Indirekt lässt sich aus der Begründung schließen, dass Chancen auf ein Revisionsverfahren vor dem TAS allein dann bestehen würden, wenn in einem eigenen Strafverfahren eine Manipulation nachgewiesen worden wäre. Dieses führt die Staatsanwaltschaft Bozen zwar seit mehreren Jahren, eine Anklage gibt es bisher keine. Angeblich gibt es Verzögerungen bei laufenden Rechtshilfeansuchen.

Das Schweizerisches Bundesgericht verurteilt den Klage-Einbringer zu einer Zahlung von Verfahrensspesen von 5.000 Franken, dazu muss er den übrigen Verfahrensparteien – Weltleichtathletikverband IAAF (World Athletics), Italienische Anti-Doping-Behörde NADO, Leichtathletikverband FIDAL und Welt-Antidoping-Agentur WADA – jeweils 4.000 Euro zahlen.

Schwazer-Rechtsbeistand erwägt nun eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Sollte sie tatsächlich eingebracht werden können, ist mit einem Urteil nicht vor einem halben Jahrzehnt zu rechnen.

 

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