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„Wir brauchen Zuckerlen“

Cornelia Brugger

Die Impfrate beim Bildungspersonal zu niedrig, daher wird nun Druck gemacht. Was es aber wirklich brauche seien Vorteile für Geimpfte, meint die Gewerkschafterin Cornelia Brugger.

von Markus Rufin

In Italien wird mittlerweile laut über eine Impfpflicht für Lehrer und Kindergärtner nachgedacht. Nachdem die TAGESZEITUNG bereits letzte Woche darüber berichtete, dass der Staat mit der Impfbeteiligung beim Schulpersonal nicht zufrieden ist, stellte Italiens Impf-General Francesco Figliuolo nun klar: „Um in Sicherheit wieder die Schulen öffnen zu können, müssen wir ganz besonders die 215.000 Lehrer und Schulangestellten, die bisher kein Impfangebot angenommen haben, für die Impfung gewinnen.“

Wie bereits berichtet, richtete er daher ein Schreiben an die Regionen, in dem er sie aufforderte, die Impfquote zu steigern. Offen bleibt die Frage, was passiert wenn das nicht gelingt. Bleiben die Schulen gesperrt? Oder wird dann die Impfpflicht, die bisher für das Gesundheitspersonal galt, auf das Bildungspersonal ausgeweitet?

Südtirol liegt im italienweiten Vergleich bei der Impfung für Lehrpersonen an vorletzter Stelle. Daher gilt Figliuolos Aufforderung auch hierzulande.

Insbesondere die Gewerkschaften werden daher nun gefordert sein. Die Kindergärtnerin und Gewerkschafterin vom AGB Cornelia Brugger sieht die Schuld für die niedrige Impfquote allerdings nicht beim Personal direkt: „Am meisten Verunsicherung gab es wohl wegen dem Impfstoff von AstraZeneca. Als dieser das erste Mal ausgesetzt wurde, standen viele Kollegen vor der Zweitimpfung. Wir haben daher gefordert, dass der Impfstoff frei ausgewählt werden kann, wir bekamen allerdings nur eine sehr rüde Antwort, dass ein Wechsel nicht möglich sei. Deshalb sind einige Kollegen auch abgesprungen, viele wollten das Risiko einfach nicht eingehen.“

Das Problem sei, dass man während der Corona-Pandemie und besonders seit dem Start der Impf-Kampagne zu wenig Aufklärungsarbeit geleistet habe. Die Verunsicherung, die das Chaos um die AstraZeneca-Impfung ausgelöst hat, stecke nach wie vor vielen Lehrern und Kindergärtnern in den Knochen. Dazu kamen viele Fake News, die laut Brugger einfach so stehen gelassen wurden: „Ich habe mich daher entschieden, nicht zu werten, wenn sich jemand nicht impfen lässt.“

Brugger selbst ist zwar geimpft und ist, wie sie unterstreicht auch froh drum, trotzdem könne sie die Unsicherheit einiger Personen aus den genannten Gründen nachvollziehen.

Doch nicht nur die Verunsicherung habe dazu beigetragen, dass die Impfquote unter dem Bildungspersonal derart niedrig ist. Auch fehle es an Glaubwürdigkeit. Als Gewerkschaft sei man bisher nie in die Entscheidungsprozesse des Landes im Schulwesen einbezogen worden, berichtet Brugger. Dadurch habe man es verpasst, die Entscheidungen nachvollziehbar zu begründen.

Als Beispiel nennt die Gewerkschafterin die Maskenregelung im Freien kurz vor den Sommerferien: Im Kindergarten mussten die Erzieher nämlich bis zuletzt stets Maske tragen, unabhängig davon ob man sich im Freien aufhielt, geimpft war oder sich regelmäßig getestet hat. „Das ist einfach realitätsfern und trägt nicht dazu bei, dass die Leute an Vertrauen gewinnen“, meint Brugger. „Ich habe mich in dieser Angelegenheit regelrecht blutig geschrieben und mich immer wieder an die Sanitätsspitze und die Dienststelle für Arbeitsschutz gewandt. Gebracht hat das allerdings nichts.“Stattdessen mussten Lehrerinnen und Kindergärtnerinnen die Verordnungen akzeptieren.

Daher spricht sich Brugger gegen die Impfpflicht aus: „Wir können nicht für eine Impfpflicht sein, ich spreche hier als Vertreterin des AGB. Das erfüllt nicht den Sinn und Zweck.“

Man sehe das zur Zeit auch beim Sanitätspersonal, das nun suspendiert wird. Die Impfpflicht bringe kein großes entgegenkommen. Es gebe immer noch genügend Leute, die sich nicht impfen lassen.

Zudem stellt sie eine Impfpflicht auch aus medizinischer Sicht in Frage: „Ob wir das Problem der Infektionen in den Schulen durch die Impfung der Lehrer lösen, sei mal dahingestellt. Denn man kann ja weiterhin Tröger sein, auch wenn man geimpft ist. Gleichzeitig sind von der Delta-Variante vor allem Jugendliche zwischen zehn und 20 Jahren betroffen. Viel eher stellt sich die Frage, was wir mit ihnen machen.“Doch auch für die Schüler sei eine Impfpflicht laut Brugger undenkbar.

Stattdessen schlägt sie vor, Geimpften deutliche Vorteile zu schaffen: „Andere Staaten haben deutlich mehr Lockerungen für Geimpfte eingeführt. In Amerika ist es beispielsweise nicht mehr nötig eine Maske zu tragen. Das lockt die Leute zur Impfung an und ist auch eine Art Werbung.“

Derzeit sei aber das genau Gegenteil der Fall. Brugger verweist dazu auf die Wiesen- und Dorffeste: „Zuerst waren diese nur für Geimpfte zugelassen. Nun dürfen auch Getestete und Genesene daran teilnehmen. Allerdings kann man das nicht kontrollieren. Die Regelung wurde als aufgeweicht.“

Der Vorwurf müsse aber nicht dem Land, sondern dem Staat gemacht werden, da dieser hier die primären Zuständigkeiten besitzt. „Wir brauchen einfach Zuckerlen, die Impfung muss uns etwas bringen. Wenn geimpfte Lehrer keine Maske mehr tragen müssten, würde das sicher viele ansprechen“, ist Brugger überzeugt.

Doch auch die Gewerkschafterin bemerkt, dass Figliuolos Aussagen in Richtung Impfpflicht gehen: „Ich schließe nicht aus, dass wir in wenigen Wochen ein neues Dekret haben, mit dem die Impfpflicht auf die Lehrer ausgeweitet wird. Die Angst vor der Impfpflicht ist auf jeden Fall da.“

Brugger warnt jedenfalls bereits jetzt davor: „Die Impfpflicht wird das Problem nicht lösen. Derzeit sind die Zahlen in Ordnung und die Leute sind stuff von Corona. Wenn man dann eine Impfpflicht einführt, wird man nur sehr wenige erreichen.“

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